Display Week 2018: Verbiegen ohne Glasbruch

Mit einem extrem flexiblen Display-Deckglas will der Mainzer Glashersteller Schott beim großen Trend mitmischen: Flexible Displays zum Biegen, Falten und Aufrollen.

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Display Week 2018: Verbiegen ohne Glasbruch
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Am Stand auf der Display Week beweist Hersteller Schott, wie biegsam Glas ist: Ein nicht mal ein Millimeter dünner Glasstreifen wird fortlaufend zusammengefaltet und wieder glatt gezogen. Der Biegeradius des hauchdünnen Deckglases für Displays beträgt drei Millimeter, erläuterte Schotts Rüdiger Sprengard gegenüber heise online.

Der minimale Biegeradius werde über die Zugspannung an der Oberfläche bestimmt: Sie muss kleiner sein als die Vorspannung, die durch das Härten des Glases unter der Oberfläche entsteht – der mögliche Biegeradius liege dort, wo die Bruchwahrscheinlichkeit durch das Biegen nahe oder gleich Null ist. Zusätzlich nimmt der mögliche Biegeradius mit der Dicke des gebogenen Glases ab.

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Beim Biegen entstehen sowohl an der Oberseite als auch an der Unterseite des Bogens Spannungen. Da Glas sehr druckfest ist, hat die Spannung unter dem Bogen laut Sprengard aber keine Auswirkung auf den Biegevorgang.

Der Begriff "Härten" führt eigentlich in die Irre, denn das Glas wird dadurch nicht härter. Stattdessen wird durch den Härtungsprozess dicht unter der Glasoberfläche eine Spannungszone erzeugt, die verhindert, dass Kratzer tiefer ins Glas eindringen – die Kratzer werden quasi zur Seite umgelenkt.

Der am Stand gezeigte flexible Glasstreifen wurde bei über 1000 Grad Celsius prozessiert. Dabei verlässt das heiße Glas eine Wanne durch einen breiten Schlitz im Wannenboden als dünnes Band. Die Schwerkraft sorgt bei diesem von Schott patentierten Down-draw-Verfahren für stetigen Fluss des Glases. Der weltweit größte Hersteller von Displaygläsern, die Firma Corning, nutzt ein etwas anderes Verfahren zur Deckglas-Produktion: Bei ihr fließt das Glas nicht untern hinaus, sondern über die seitlichen Wannenränder. Unterhalb der Wanne laufen die beiden Glasstränge wieder zusammen und bilden so das dünne Deckglas. Beide Verfahren erfordern keine aufwendige Nachbearbeitung.

Für Display-Deckgläser nutzt Schott alkalihaltige Gläser, denn zum Härten benötig man die Alkali-Ionen. Das Glassubstrat im Display, das die Transistoren trägt, muss dagegen komplett alkali-frei sein, denn Alkali ist Gift für Halbleitermaterialien. Deshalb handelt es sich bei Träger- und Deckglas stets um zwei sehr unterschiedliche, nicht austauschbare Zusammensetzungen.

Displaygläser für AR-Brillen haben einen hohen Brechungsindex, um eine möglichst gleichmäßige interne Reflexion (TIR) zu sichern. Schott liefert sie in Wafer-Form an die Displayhersteller.

(Bild: Schott)

Das von Schott ebenfalls gezeigte Spezialglas für AR-Brillen wird wiederum im kontinuierlichen Streifenverfahren hergestellt. Die langen Glasbarren werden in Blöcke geschnitten sowie fein poliert und geläppt, um denn Brechungsindex zu verbessern. Anschließend werden die nun zylinderförmigen, absolut gleichförmigen Gläser in dünne Scheiben geschnitten, auf die wiederum die Elektronik gebracht wird – letzteres nicht von Schott, sondern vom Display-Hersteller.

Die Gleichförmigkeit benötigt man für eine möglichst ungestörte Reflexion im Glas (TIR), die wiederum den Einblickwinkel von AR-Brillen verbessert. Mit den neuen Schott-Gläsern lasse sich der Blickwinkel der aktuellen HoloLens AR-Brille von Microsoft voraussichtlich von 35 auf 50 Grad aufweiten. Diese fast 50 prozentige Verbesserung führt laut Sprengard aber nicht zu 50 Prozent höheren Preisen. (uk)