"Dringender Handlungsbedarf" beim Datenschutz

Auf einer Tagung in Berlin verlangten die Hüter der Privatsphäre Rechenschaft von der Bundesregierung über die stecken gebliebene Reform des Datenschutzrechts.

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Claus Henning Schapper, Staatssekretär im Bundesinnenministerium, musste am gestrigen Dienstag in Berlin einer bei 34 Grad erhitzten Datenschutzgemeinde Rede und Antwort stehen, wieso die Bundesregierung ihr Ziel der grundlegenden Modernisierung des Datenschutzrechts verfehlte. Zunächst legte der SPD-Politiker auf der von der Friedrich Ebert Stiftung organisierten Konferenz ein Bekenntnis zur weiteren Reform des Bundesdatenschutzgesetzes ab, für die ein im November veröffentlichtes Professorengutachten Grundpfeiler abgesteckt hat. So muss seiner Ansicht nach etwa der Selbstschutz der Betroffenen durch Technik eine wichtigere Rolle spielen. Die Verarbeitung von Daten solle transparenter erfolgen und die Datenschutzregeln müssten allgemeiner und verständlicher werden. "Der gläserner Kunde ist mit unseren Vorstellungen nicht zu vereinbaren", sagte Schapper. "Wo Anonymität und Pseudonymität sinnvoll und machbar sind, sollten sie eingesetzt werden."

Doch die versammelten Experten waren mit der Erklärung nicht zufrieden. "Die Rede hätte schon vor vier Jahren kommen müssen", fand Johann Bizer, Rechtswissenschaftler an der Uni Frankfurt. Ob denn bereits eine Task-Force an der Umsetzung des Gutachtens arbeite, wollte der Datenschützer wissen. Erst am Freitag hatte auch der Bundestag in einem rot-grünen Antrag (Drucksache 14/9709) gegen die Stimmen der CDU/CSU und der PDS bedauert, dass die "Stufe der umfassenden Modernisierung des Datenschutzrechts noch nicht umgesetzt werden" konnte. Die Koalitionspolitiker erwarten nun, dass die Bundesregierung die ausstehenden Gesetzesentwürfe "so rechtzeitig" in das parlamentarische Verfahren einbringt, dass sie bis Mitte der nächsten Legislaturperiode "beraten und verabschiedet werden können."

Schapper gestand einen "dringenden Handlungsbedarf" ein. So sei im Rahmen der Reform die Schaffung eines Arbeitnehmerdatenschutzgesetzes, eines Bundesdatenschutz-Auditgesetzes sowie die Vereinheitlichung des Telekommunikations- und Teledienstedatenschutzes zu prüfen. Angesichts der fortschreitenden Erforschung des menschlichen Genoms und seiner Nutzung etwa durch Versicherungen stehe ferner ein Entwurf für ein Gentestgesetz auf der Agenda. Die "ehrgeizige Zeitvorgabe" aus dem Antrag könne er aber nur als "Ermutigung und Ansporn fürs künftige Arbeiten" verstehen. Denn auch wenn die Regierung Klimmzüge mache, müsse die Novelle letztlich noch durch den Bundesrat, in dem momentan die Unions-regierten Länder die Mehrheit haben. Bei einer ersten Diskussionsrunde habe sich deutlich gezeigt, dass es dort kein Interesse an der Reform gebe.

Thilo Weichert, Chef der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD), ermunterte den Vertreter der Bundesregierung trotz der Bedenken, getragen vom Interesse der Wirtschaft und der Verbraucherschützer bei der Novellierung "einfach mal voranzuschreiten, bis man gebremst wird". Den Anfang machen könnte die Arbeit an einem konvergenten Online-Datenschutzrecht unter Einbeziehung der Telekommunikation, ergänzte Bizer. Der Bund habe in diesem Bereich die Gesetzgebungskompetenz. Doch auch dieser Vorschlag geht für Schapper an der politischen Wirklichkeit vorbei. "Auch innerhalb der Bundesregierung gibt es Interessenskonflikte", gab der Staatssekretär zu. Einige Positionen der einzelnen Ressorts seien erst anzugleichen.

Der Beauftragte für Neue Medien der SPD, Jörg Tauss, will trotzdem die Sommerpause nutzen, um einen "Realisierungsplan mit konkreten Schritten" zu gestalten. Der Netzpolitiker hat die Hoffnung auf die Fortschreibung der Datenschutzgesetzgebung auch nach dem 11. September nicht aufgegeben. Als positives Signal wertete er vor allem, dass der Bundestag in seinem aktuellen Datenschutzantrag die Bundesregierung aufgefordert hat, dem Verbot der vom Bundesrat geforderten "Datenspeicherung auf Vorrat grundsätzlich auch weiterhin Geltung zu verschaffen". Der sonst drohenden Totalkontrolle der Nutzer hatte im Laufe der Konferenz, die auf der Plattform www.moderner-datenschutz.de dokumentiert werden soll, auch Wolfgang Riotte, Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Innenministerium, eine deutliche Absage erteilt. (Stefan Krempl) / (jk)