Dubiose Abmahnungen wegen des Begriffs "Autoflirt"

Eine noch unbekannte größere Anzahl von Webmastern wurde dieser Tage durch Abmahnungen eines "Dachverbands Industrieobjekte & Kommunale Sicherheit" verunsichert.

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Von
  • Holger Bleich

Eine noch unbekannte größere Anzahl von Webmastern wurde dieser Tage durch dubiose Abmahnungen eines "Dachverbands Industrieobjekte & Kommunale Sicherheit" (DIKSi) verunsichert, wie aus Web-Foren hervorgeht. In dem Anschreiben behauptet der Verband ohne Nachweis einer Vollmacht, einen nicht näher bezeichneten "Verein Autoflirt" zu vertreten, der die gleichnamige Wortmarke "Autoflirt" besitze.

"Unser Mandant vertreibt und vermittelt Dienstleistungen unter dem Begriff 'Autoflirt'", gibt DIKSi an. Der Abmahnungempfänger habe auf seiner Website den Begriff "in einem Seitentitel oder als Suchbegriff" genutzt. Dies habe er künftig zu unterlassen. Für die erteilte Abmahnung seien nach der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) bis zum 24. Januar 1622,84 Euro an den DIKSi zu überweisen.

Laut Briefkopf sitzt der Dachverband Industrieobjekte & Kommunale Sicherheit in Bensheim. Sein Vorstand Jobst Freiherr von Korff hat den tatsächlich existierenden Verein in St. Blasien eintragen lassen. Korff ist es auch, der laut Markenregisterauszug die Wortmarke "Autoflirt" am 31. März 1994 beim Deutschen Patent- und Markenamt für die Waren- und Dienstleistungsklassen 41 und 45 angemeldet hat. Einen "Verein Autoflirt" sucht man jedoch in dem Auszug vergeblich.

heise online rief bei der im Briefkopf angegebenen Telefonnummer des DIKSi an. Peter Oppenowski, nach eigenen Angaben "Mitarbeiter" des Vereins, erklärte, Korff habe die Marke mittlerweile an den Verein Autoflirt "verkauft". Auf die Frage, warum die Abmahnungen erst nach langen Jahren der Inhaberschaft verschickt werden, erklärte Oppenowski: "Der Inhaber akzeptiert nicht mehr, wie der Begriff 'Autoflirt' im Internet ständig im Zusammenhang mit Sex verwendet wird." Über Google habe man "60.000 solcher Einträge" gefunden, empörte er sich.

Im Gespräch mit heise online erklärte Markenrechts-Experte Tobias H. Strömer die Abmahnungen zum "versuchten Betrug". "Die Anschreiben sind offensichtlich mit heißer Nadel gestrickt und strotzen vor Formfehlern", kommentierte der Düsseldorfer Rechtsanwalt. Ein "Dachverband" könne beispielsweise keinen "Mandanten" haben, dies sei Rechtsanwälten vorbehalten. Daher dürfe der DIKSi Abmahnungsempfängern auch keine anwaltliche Kostennote für eine erteilte Abmahnung zukommen lassen.

Besonders bizarr sei die auf den 1. Juli 2004 rückdatierte Kostennote selbst. Denn just seit diesem Stichtag dürfen Abmahnungskosten nur nach dem neuen Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), nicht aber mehr nach BRAGO berechnet werden. Doch selbst wenn die BRAGO noch gegolten hätte, seien die veranschlagten "Geschäftsgebühren" von 15/10 "maßlos überzogen". Üblich seien nach BRAGO für derlei Abmahnungen 7,5/10 gewesen.

"Davon abgesehen steht dem DIKSi kein Kostenerstattungsanspruch zu", erläuterte Strömer und empfiehlt Abmahnungsempfängern, keinesfalls die geforderten Kosten zu überweisen. Wer glaube, tatsächlich den bestehenden Markenschutz für die eingetragenen Dienstleistungen "Kulturelle Aktivitäten, Vermittlung von Kontakten" verletzt zu haben, sollte sich vorsichtshalber an einen Rechtsanwalt wenden. Alle anderen könnten das Schreiben "in den Papierkorb werfen". Strömer ist sich überdies sicher, dass der Begriff "Autoflirt" beschreibend und daher ohnehin eigentlich nicht schutzwürdig sei. (hob)