Elektronische Gesetze im Internet: Plattform verschlingt 1,2 Millionen Euro

Für die elektronische Gesetzesverkündung gab das Innenministerium bis zum Start Anfang 2023 knapp 1,2 Millionen Euro aus. Aktivisten enttäuscht das Portal.

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(Bild: Maksim Kabakou/Shutterstock.com)

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Die Freude war groß bei Bundesjustizminister Marco Buschmann am 4. Januar, als sich der FDP-Politiker auf Twitter an seinen Kollegen im Arbeitsministerium, Hubertus Heil (SPD) wandte: "Jetzt haben wir mal zusammen Rechtsgeschichte geschrieben: Eine Verordnung aus Deinem Haus ist die erste Rechtsnorm, die unser Staat digital auf der neuen Plattform verkündet hat!" Gemeint ist das Portal www.recht.bund.de, auf dem Gesetze und Rechtsverordnungen seit Anfang 2023 rein elektronisch im Internet verkündet werden. Damit wird das gedruckte Bundesgesetzblatt (BGBl) abgelöst, auf dem im unentgeltlichen "Bürgerzugang" ein Kopieren, Ausdrucken und Speichern nicht möglich war.

Das neue Rechtsportal erlaubt es dagegen kostenfrei, Dateien aus dem digitalen Gesetzblatt herunterzuladen, auszudrucken oder über einen Link zu teilen. Trotzdem reagierten Nutzer überwiegend enttäuscht auf das Angebot, das sie teils sogar als "Satire" bezeichneten. Es handle sich auf den ersten Blick um eine schlichte Webseite mit einem eingebettetem PDF-Viewer und Rechtsnormen, die verpackt als ZIP-Datei downloadbar seien. Ein Grund der Enttäuschung: Die Open Knowledge Foundation stellte über OffeneGesetze.de bereits seit Ende 2018 sämtliche Bundesgesetzblätter frei und durchsuchbar als offene Daten bereit. Diese Plattform wird seit der Inbetriebnahme des Rechtsportals des Bundes nicht mehr gepflegt.

Ein Aktivist fragte beim Bundesinnenministerium (BMI), das für die Umsetzung von recht.bund.de und die Verwaltungsdigitalisierung zuständig ist, nach den bisherigen Kosten des Projekts. Die Einführung schlug laut der jetzt verfügbaren Antwort nebst Einführung der Verkündung, Planung und Erstellung bis Ende 2022 mit 1,195 Millionen Euro zu Buche. Dem Verwaltungsexperten Markus Drenger stieß die Summe übel auf: "1,2 Millionen Euro für ein CMS, auf dem PDFs veröffentlicht werden", twitterte er und sprach den Bundesrechnungshof direkt mit an. "Das hätte es wohl auch für vierstellige Beträge gegeben." Das BMI konnte auf Nachfrage von Netzpolitik.org den Betrag zunächst nicht in technische und verwaltungsseitige Ausgaben aufschlüsseln. Die Maßnahme realisiere prinzipiell "Schnittstellen über mehrere Verfassungsorgane, Ministerien und weitere Anwendungen".

Aus einem von der Transparenzinitiative FragDenStaat im Rahmen eines mehrjährigen Rechtsstreits herausgeklagten Vertrag geht zudem hervor, dass die Bundesregierung den Bundesanzeiger-Verlag 2006 für nur knapp 1,1 Millionen Euro DuMont überließ. Ein Schnäppchen, wenn man bedenkt, dass die Gesetzesverkündung laut Netzpolitik.org in den Jahren vor dem Verkauf dem Staat jeweils 4,2 Millionen Euro Gewinn in die Kassen spülte. Was DuMont in Folge damit einnahm, ist noch nicht bekannt. Allein für eine Kopier-, Druck- und Sucherlaubnis verlangte das Medienhaus jährlich 100 Euro.

Die Weiterentwicklung von recht.bund.de wird laut BMI bis 2026 allein im Bereich Betriebskosten für den Dienstleister Informationstechnikzentrum (ITZ) Bund weitere 10,895 Millionen Euro verschlingen. Dafür sollen dann auch die vorgeschalteten Verwaltungsausläufe wie "Gegenzeichnung und Ausfertigung" digitalisiert und eingebettet werden. In diesem Kontext wird dem Innenressort zufolge ferner die Thematik XML aufgegriffen, sodass die Veröffentlichung auf der Plattform dann in LegalDocML.de als einem "gängigen maschinenlesbaren, automatisiert auswert- und verarbeitbaren strukturieren Dateiformat" erfolge. Die Regierung hat den Dokumentenstandard mitentwickelt, um eine "digitale und medienbruchfreie Rechtssetzung" zu fördern.

(olb)