Krankenkassen sollen für Erstbefüllung der elektronischen Patientenakte sorgen

Auf die Verpflichtung zur Erstbefüllung der E-Patientenakte reagierten die Krankenkassen gemischt. Grund dafür sind die Kosten und die Entscheidungshoheit.

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Zettelstapel

Der Aufwand zur ersten Befüllung der elektronischen Patientenakte wird groß sein.

(Bild: Moobin/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
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Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat in dieser Woche den Entwurf des "Gesetzes zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens", kurz Digitalgesetz (DigiG) an die Verbände im Gesundheitswesen geschickt. Dieser verpflichtet gesetzliche Krankenkassen, die elektronische Patientenakte (ePA) zu befüllen, die künftig alle automatisch bekommen sollen – außer er oder sie widerspricht. Ziel ist eine "vollumfängliche, weitestgehend automatisiert laufende Befüllung der ePA mit strukturierten Daten". Krankenkassen müssen laut Entwurf ältere Papierdokumente von Versicherten scannen und in die ePA übertragen und damit künftig für eine Erstbefüllung sorgen.

Der Verband der Ersatzkassen (vdek) bewertet es positiv, dass die Leistungserbringer die Patientenakte größtenteils automatisiert mit strukturierten Daten befüllen sollen. "Das ist der richtige Weg, um den Versicherten den Mehrwert der ePA aufzuzeigen und diese in die flächendeckende Anwendung zu bringen", sagte Jörg Meyers-Middendorf, Vertreter des vdek-Vorstands.

Die Techniker Krankenkasse hält es für entscheidend, dass die Änderungen schnell umgesetzt werden. Damit die Patientenakte sinnvoll genutzt werden könne, dürfe sie nicht leer bleiben. "Deshalb müssen alle Akteure im Gesundheitswesen dazu verpflichtet sein, ihre Daten für Patientinnen und Patienten einzuspielen", forderte TK-Chef Jens Baas.

AOK hält Pläne für irritierend

Die AOK-Gemeinschaft hingegen hält die Pläne für eine Erstbefüllung für "irritierend". Der Aufwand stehe in keinem Verhältnis zum Nutzen für die Versicherten, kritisiert sie. Die Befüllung der ePA sollte nicht den Krankenkassen überlassen werden, sondern in der Hand der Patienten und behandelnden Ärzte liegen. "Sie können am besten beurteilen, welche Daten und Befunde in der Akte gespeichert werden sollten", betont Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes.

Laut Gesetzentwurf soll den Krankenkassen in den ersten drei Jahren der ePA-Einführung Kosten in Höhe von etwa 789 Millionen Euro für die Einrichtung der ePA entstehen. Für die Erstbefüllung rechnet der Gesetzgeber mit einem Aufwand von insgesamt 440 Millionen Euro in den Jahren 2025 und 2026. Dabei soll die Erstbefüllung mit medizinischen Behandlungsdaten aus den Praxis- und Klinikverwaltungssystemen "möglichst aufwandsarm und in weiten Teilen auch automatisiert erfolgen". Dies soll vergütet werden und mittelbar die Kosten für die Kassen reduzieren. Ärzte befürchten ebenfalls einen Mehraufwand durch die Opt-out-ePA – unter anderem, da oft viel Zeit investiert werden müsse, um Patienten die ePA zu erklären.

Des Weiteren rechnet das BMG mit jährlich rund 887 Millionen Euro für die Befüllung der ePA, wobei das Ministerium von 300 Millionen Behandlungsfällen jedes Jahr ausgeht. Die Kosten bei den Herstellern der medizinischen IT-Systeme für die Umsetzung ist aktuell nicht näher bezifferbar. Der Umbau der aktuellen ePA zu einer Opt-out-Anwendung, mit der Versicherte dem Anlegen einer ePA widersprechen können, soll die Krankenkassen jährlich 114 Millionen Euro kosten. Für das Opt-out-Verfahren sind jährlich etwa 5 Millionen Euro vorgesehen. Erhebliche Einsparpotenziale erhofft sich das Bundesgesundheitsministerium durch eine verbesserte Arzneimitteltherapiesicherheit sowie weniger Doppeluntersuchungen durch die flächendeckend genutzte ePA.

Als erste ePA-Anwendung soll der elektronische Medikationsplan (EMP) Ärzten einen Überblick über alle dem Patienten verordneten Medikamente ermöglichen. In der Medikationsliste in der Patientenakte werden alle verordneten Medikamente an einem Ort zusammengeführt. So sollen Wechselwirkungen schneller erkannt und vermieden werden können. Es ist vorgesehen, dass Ärzte den Medikationsplan in der ePA verpflichtend ausstellen, wobei dieser von den Apotheken verpflichtend aktualisiert werden soll. Voraussetzung dafür ist auch hier, dass die Patientinnen und Patienten dem nicht aktiv widersprochen haben. Als weitere ePA-Anwendungen sollen die Elektronische Patientenkurzakte (ePKA) und die Labordaten-Befunde folgen. Die Bundesregierung will mit dem Digitalgesetz die Digitalisierung des Gesundheitswesens beschleunigen. Die Verbände haben bis zum 2. August Zeit, ihre Meinung dazu abzugeben.

(mack)