E-Rezept: Apotheken-Verband schreibt Brandbrief ans Gesundheitsministerium
Bald soll das E-Rezept deutschlandweit zum Einsatz kommen, doch es funktioniert noch nicht zuverlässig. Die Apotheker legen ihre Finger in die Wunden.
Anders als erwartet wird das E-Rezept im Januar wohl doch nicht "flächendeckend" ausgerollt, wie auch ein jetzt bekannt gewordener Brandbrief der Deutsche Apothekerverband (DAV) zeigt. In dem Brief, der sich an Susanne Ozegowski richtet, die beim Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Abteilung Digitalisierung und Innovation leitet, fordert die stellvertretende ABDA-Vorsitzende, Claudia Korf, Nachbesserungen. Ansonsten sehen die Apotheker die flächendeckende Einführung des E-Rezepts gefährdet.
Bemängelt werden zentrale Baustellen der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Zwar sind Apotheken bereits seit Herbst 2022 für das E-Rezept gewappnet, allerdings sieht der ABDA "noch einige Unklarheiten und Unsicherheiten im System". Diese werden mit dem Brief thematisiert, wie ABDA-Sprecher Benjamin Rohrer gegenüber heise online erläutert: "Wir würden es sehr begrüßen, wenn die Gematik und das BMG sich weiterhin eng mit der Apothekerschaft austauschen, damit diese noch offenen Punkte bald geklärt werden können".
Die Apotheken haben sich laut dem der Deutschen Apotheker Zeitung vorliegenden Brief "immer aktiv in die Einführung des neuen Verordnungssystems eingebracht und beispielsweise sehr früh Modellprojekte ermöglicht." In dem Brief an Ozegowski fordert Korf eine bessere Datenqualität der E-Rezepte. Demnach ließen die FHIR-Verordnungsprofile weiterhin zu viel Interpretationsspielraum. Auch der Einsatz von Freitextfeldern müsse minimiert werden. Derzeit würden viele Ärzte das Feld auch für nicht vorgesehene Angaben nutzen. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) hat bereits zuvor gefordert, bei den Gesprächen zur technischen Konzeption des E-Rezepts "mindestens ins Benehmen" gesetzt zu werden. Es sei inakzeptabel, dass Apotheker beim E-Rezept kein Mitspracherecht haben.
Mehr E-Rezepte, mehr Ausfälle
Ein weiterer großer Kritikpunkt betrifft die Verfügbarkeit technischer Dienste und deren Support. Immer wieder komme es zu Ausfällen der Telematikinfrastruktur (TI). Schon vor Monaten haben Experten bemängelt, dass es beim E-Rezept keine Volllasttests gegeben hat. Mit steigender Zahl der täglich ausgestellten und eingelösten E-Rezepte zeigten sich laut Korf "leider auch häufigere Ausfälle zentraler Komponenten." Besonders betroffen seien aktuell Dienste für das Versichertenstammdatenmanagement, die allerdings für den Einlöseweg über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) notwendig sind.
Während in Arzt- und Zahnarztpraxen bei einem TI-Ausfall schnell auf das Muster 16 [Anm. d. Red.: das klassische rosafarbene Rezept] als Ersatzverfahren ausgewichen werden kann, sei das in der Apotheke nicht ohne weiteres möglich. Daher fehlten nach wie vor ein "alternatives Ersatzverfahren, welches auch in der Apotheke greift". Es müsse "mit höchster Priorität" sichergestellt werden, dass alle für das E-Rezept relevanten Dienste funktionieren. Sonst drohe ein Mangel an Akzeptanz. Auch Support-Hotlines, gerade bei Software-Patches, müssten sich zudem an den Öffnungszeiten der Apotheken orientieren. Erst kürzlich berichtete Apotheke Adhoc von einem E-Rezept, dessen Token Rezeptdaten anderer Patienten offenbarte.
Bessere Information bei TI-Ausfällen
Außerdem fordert Korf ein besseres Informationsmanagement bei (Teil-)Ausfällen der Telematikinfrastruktur. Demnach sollten alle Beteiligten, auch die Versicherten, schneller und adressatengerecht über die Ausfälle informiert werden. Dazu seien auch "Meldeketten und Kommunikationsstrukturen zwischen Betreibern der Dienste der TI und den Primärsystemherstellern" notwendig. Zudem fordert sie den "Aufbau eines Notfall- & Krisenmanagements" zwischen den Beteiligten.
Auch die Retaxationsmöglichkeiten der Krankenkassen müssten dem Brief zufolge eingeschränkt werden. Bei einer Retaxation prüfen die Krankenkassen die Abrechnungen für Arzneimittel. Die Abrechnungen der Apotheken lassen sich so im Nachhinein prüfen, und wenn Fehler festgestellt werden, müssen Apotheken bereits erhaltene Beträge zurückzahlen. Demnach könnten Krankenkassen auch Jahre später noch Retaxationen machen, was zur Folge habe, dass Fehler zunächst nicht gemeldet werden. Später ließen sich die Kosten dann drücken. "Um diese unverhältnismäßige Gefahr für die Apotheken abzumildern, wäre eine maximale Frist zur Retaxation von einem Monat ein probates Mittel", so Korf.
Referenzvalidator lässt auch Wünsche offen
Der alternative Referenzvalidator, der E-Rezepte auf formale Fehler prüfen soll, bevor sie in den E-Rezept-Fachdienst der Gematik gelangen, sei ebenfalls nicht so gut wie der vom Deutschen Apothekerverband selbst entwickelte Referenzvalidator. Bisher habe die für die Digitalisierung des Gesundheitswesens zuständige Gematik keine Anpassungen am Referenzvalidator vorgenommen. Daher bitten die Apothekerverbände das Gesundheitsministerium "um Unterstützung, die Gematik aktiv mit der Anpassung der Validierung des E-Rezept-Fachdienstes an den Referenzvalidator zu beauftragen".
(mack)