EU-Gesundheitsdatenraum: Patientenakte für alle, Opt-out bei Sekundärdaten

Mit dem EU-Gesundheitsdatenraum sollen Bürger eine europäische, elektronische Patientenakte erhalten. Für Sekundärdaten-Weitergabe ist ein Opt-out geplant.

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Patientendaten im Europäischen Gesundheitsdatenraum

(Bild: PopTika/Shutterstock.com)

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Im EU-Parlament haben der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) und der für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) ihren Standpunkt festgelegt, um die Übermittlung von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken zu verbessern. Damit sollen künftig aggregierte Gesundheitsdaten, unter anderem zu Krankheitserregern und genetischen Daten, aber auch aus öffentlichen Gesundheitsregistern zugänglich gemacht werden. Die Abgeordneten nahmen den Entwurf mit 95 Ja-Stimmen, 18 Nein-Stimmen und 10 Enthaltungen an, wie aus einer Pressemitteilung des Parlaments hervorgeht. Zu angenommen Änderungs- und Kompromissvorschlägen gehört beispielsweise, dass Patienten der Weitergabe von Sekundärdaten widersprechen können.

Primärdaten und Sekundärdaten

Zu Primärdaten zählen Informationen, die direkt von Patienten stammen, wie ihre persönlichen Angaben, medizinische Vorgeschichte, Symptome, Labortests oder andere direkt von Gesundheitsdienstleistern erfasste Informationen.

Zu Sekundärdaten beziehungsweise Routinedaten gehören beispielsweise Abrechnungsdaten, Zusammenfassungen von Patientendaten, statistische Analysen oder Berichte über bestimmte Gesundheitsmuster, die auch in der Gesundheitspolitik genutzt werden.

Mit dem Gesetz sollen relevante Daten wie elektronische Rezepte, Bilddaten und Laborergebnisse über die verschiedenen Gesundheitssysteme der EU hinweg im Sinne der Primärdatennutzung portierbar werden. Dazu sollen alle Bürger eine europäische, elektronische Patientenakte erhalten. Das soll einen grenzüberschreitenden Austausch von Rezept- und Bilddaten sowie Labortests ermöglichen. Alle Ärzte werden dadurch verpflichtet, Daten aus der Behandlung ihrer Patienten in den EHDS zu übermitteln.

Für bestimmte Daten ist ein Opt-in vorgesehen, darunter fallen Gendaten und Daten aus Biobanken, aber auch von Daten aus Wellness-Anwendungen. Demnach müssen Versicherte erst zustimmen, wenn Daten oder ein Teil ihrer Gesundheitsdaten weitergegeben werden sollen. Eine Aufklärung der Versicherten ist ebenfalls erforderlich. "Der EHDS wird die Bürgerinnen und Bürger stärken, indem er die Gesundheitsversorgung auf nationaler und grenzüberschreitender Ebene verbessert und den verantwortungsvollen Austausch von Gesundheitsdaten erleichtert und so Forschung und Innovation in der EU fördert", sagt Tomislav Sokol, Berichterstatter im EU-Parlament.

Jedes Land soll auf Grundlage der MyHealth@EU-Plattform nationale Kontaktstellen für den Zugang zu Gesundheitsdaten einrichten, hierzulande etwa beim Bundesinstitut für Arzneimitteln und Medizinprodukte. Auf diese Weise sollen große Datenmengen zur Verfügung stehen – vor allem für Forschungszwecke und das Trainieren von KI-Modellen.

Laut dem Europaabgeordneten Patrick Breyer (Piratenpartei) und Schattenberichterstatter der Grünen, bedeutet die verpflichtende Patientenakte das Ende des Arztgeheimnisses und entmündige den Bürger. "Die von der EU geplante Zwangs-elektronische Patientenakte mit europaweiter Zugriffsmöglichkeit zieht unverantwortliche Risiken des Diebstahls, Hacks oder Verlustes persönlichster Behandlungsdaten nach sich und droht, Patienten jeder Kontrolle über die Sammlung ihrer Krankheiten und Störungen zu berauben", kritisiert Breyer.

"Eine zentrale Datenspeicherung weckt Begehrlichkeiten in verschiedenste Richtungen", meint Anja Hirschel, Spitzenkandidatin der Piratenpartei für die Europawahl 2024. Mitte Dezember ist eine weitere Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments vorgesehen. Das EU-Parlament müsste für den EHDS einem Verhandlungsmandat zustimmen. Sollte die Patientenkurzakte gesetzlich in der EU verankert werden, droht auch für die 2025 geplante elektronische Patientenakte, das Widerspruchsrecht zu entfallen.

(mack)