EMI-Chef erwartet Wachstum der Musikbranche vom Boom digitaler Musik

"In zehn Jahren ist die CD tot", ergänzte der Chef der Musiksparte bei Yahoo. "Jetzt redet man endlich darüber, wie die CD ersetzt werden kann."

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  • dpa

Der derzeitige Boom bei digitaler, online oder mobil vertriebener Musik wird nach Einschätzung führender Branchenvertreter die seit Jahren unter Umsatzverlusten leidende Musikindustrie bald wieder wachsen lassen. "Das Wachstum der digitalen Musik wird schneller sein als die Verluste im CD-Geschäft. Der Markt insgesamt wird wieder größer", sagte der Chef des britischen Plattenriesen EMI, Eric Nicoli, am Rande der Musik-Internet-Konferenz Midemnet in Cannes, die der internationalen Musikmesse Midem (22. bis 26. Januar) vorgeschaltet ist. Nicoli bestätigte die Prognose, dass bis zum Jahr 2010 der Umsatz mit Musik aus dem Internet oder für das Mobiltelefon auf ein Viertel des Gesamtumsatzes der Plattenfirmen steigen könnte. Im vergangenen Jahr machten die Plattenfirmen mit digitaler Musik weltweit einen Umsatz von etwa 1,1 Milliarden Dollar; das entspricht einem Gesamtmarktanteil von bis zu sechs Prozent – eine Verdreifachung zum Vorjahr.

Dave Goldberg, verantwortlich für den Musiksektor beim US-Internetdienst Yahoo, sieht im digitalen Vertrieb von Musik die einzige Zukunft. "In zehn Jahren ist die CD tot", sagte er der dpa. Auch die Musikindustrie habe dies erkannt. "Jetzt redet man endlich darüber, wie die CD ersetzt werden kann. Vor zwei bis drei Jahren haben die meisten noch versucht, die CD gegen digitale Musik zu verteidigen."

Der späte Einstieg in den digitalen Markt und das massenhafte illegalen Kopien und das nicht lizenzierte Tauschen von Musikdateien hat der Branche nach Ansicht ihrer führenden Köpfe große Einbußen gebracht. Seit Ende der 90er Jahre verloren die Plattenfirmen weltweit mehr als 20 Prozent ihres Umsatzes, in Deutschland waren es sogar über 40 Prozent. Mit Musikdownload-Shops wie iTunes von Apple oder auch Musik- Abonnementservices wie Napster habe die Branche erst in den vergangenen zwei Jahren angefangen, das illegale Geschäft in ein legales umzuwandeln, sagte Nicoli: "Wir stehen noch ganz am Anfang."

Seit August 2005 betreibt auch Yahoo Music einen Abodienst – allerdings vorerst nur in den USA. Eine Ausweitung auf Europa sei geplant, sagte Goldberg. Einen Zeitplan nannte er jedoch nicht. Nach Ansicht von Goldberg sind die Abodienste die Zukunft des Musikhörens – dabei hat ein Anwender vollen Zugriff auf den gesamten Musikkatalog eines Anbieters, solange das Abo läuft; wird es beendet, sind auch alle heruntergeladenen Musikdateien nicht mehr nutzbar. "Kein Mensch wird langfristig für jeden einzelnen Download zahlen wollen", meinte Goldberg Die Zahl der Abokunden stieg nach Angaben des Phonoverbandes IFPI binnen Jahresfrist weltweit von 1,5 auf 2,8 Millionen; die Zahl der heruntergeladenen Songs stieg von 156 auf 419 Millionen.

Legale Tauschbörsen sind nach Aussagen von Vertretern der Industrie auf der Midemnetz eine weitere Möglichkeit, digitale Musik an den Hörer zu bringen. Dabei können Musikfans Lieder gegen Gebühr herunterladen und eigene, legal gekaufte Stücke einer großen Gemeinschaft zur Verfügung stellen. Von solchen Musikgemeinschaften, die sich auch Empfehlungen geben und so kostenlos Werbung machen, erhoffen sich Plattenfirmen wie EMI einen großen Marketingeffekt. Der Musikkonzern hat gerade einen Lizenzvertrag mit dem Entertainmentdienst arvato mobile für dessen Tauschbörsenmodul geschlossen. Mit diesem Geschäftsmodell wenden sich die beiden Firmen allerdings nicht direkt an Websurfer, sondern suchen dafür als Partner Internetservices oder Webmusikdienste. (dpa) / (jk)