ETech: Die Politik der Creative-Commons-Lizenzen

Lawrence Lessig will, dass nicht Tauschbörsen, sondern Remixe im Zentrum der Diskussion um Urheberrechte im Internet stehen.

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Von
  • Janko Röttgers

Lawrence Lessig, Stanforder Jura-Professor und Vordenker eines neuen Umgangs mit geistigen Eigentum, nutzte seine Keynote im Rahmen der O'Reilly Emerging Technology-Konferenz, um Technologie-Entwickler zu politischen Aktivismus aufzurufen. Ein erster Schritt dafür sei es, in den Dialog mit Politikern zu treten. Dafür sei es auch wichtig, die eigenen Glaubensgrundsätze zu überprüfen. Lessig, der gerade die Überarbeitung seines 1999 erschienenen Buchs Code and Other Laws of Cyberspace in einem öffentlichen Wiki startete, meinte wörtlich: "Bei dieser Auseinandersetzung geht es nicht darum, umsonst und gegen den Willen der Urheber Zugang zu Werken zu erlangen." Statt dessen sollte man für ein Recht auf freies Remixen eintreten -- also die Möglichkeit, sich für eigene Kreationen bei anderen Werken zu bedienen, ohne dafür einen Anwalt engagieren zu müssen. Wichtig sei auch, Politikern klar zu machen, dass man nicht gegen Urheberrechte an sich sei. "Wir wollen ihnen beibringen, es zu verändern -- und nicht, es zu beseitigen", betonte Lessig.

Lessig zeigte sich zudem überzeugt, Urheberrechts-Reformer bräuchten bessere Lobby-Arbeit. Als ein erstes gutes Beispiel bezeichnete er die US-Gruppe iPac, die Technologie-freundliche Politiker in ihrem Wahlkampf unterstützen will. Doch das allein sei nicht genug. Nach Lessigs Auffassung sollten Politiker mit innovationsfeindlichen Urheberrechtsvorstellungen gezielt über Kampagnen angegriffen werden. "Nehmt euch Leute vor, die es einfach nicht verstehen. Bringt ihnen Niederlagen bei", forderte er vom anwesenden Fachpublikum. "Wir müssen das Gesetz verändern -- sonst werden sie eure Technologie zerstören."

In einem anschließenden Gespräch mit Cory Doctorow erklärte Lessig, wie seine Creative-Commons-Organisation in den Widerstand gegen Urheberrechts-Maximalismus passt. Dabei widersprach er energisch der Idee, mittels Creative Commons eine heile Parallelwelt frei zu nutzender Inhalte zu schaffen und danach die Welt Hollywoods zu ignorieren. "Es geht bei Creative Commons nicht nur um die Inhalte", erklärte Lessig, "sondern auch darum, Druck auf das klassische Urheberrechtsmodell auszuüben." Für Creative Commons sei es allerdings ein großes Problem, dass die Lizenzen auf dem derzeitigen Urheberrechtssystem aufbauen -- und damit Forderungen nach liberalen Urheberrechten bisweilen sogar widersprechen. Anders gesagt: Wenn Musiker das Recht haben sollten, Songs ohne die Erlaubnis der Urheber zu remixen -- warum braucht es dann eine Sampling-Lizenz? "Damit kämpfen wird seit unseren Anfängen", meinte Lessig.

Doch Creative Commons sei nicht zuletzt auch eine Antwort auf die Strategien der Content-Industrien mit ihren Klagen gegen Tauschbörsen-Nutzer und kreative Remixer. "Wenn das Web 2001 immer noch das gewesen wär, was es 1996 war, dann bräuchten wir Creative Commons nicht", betonte Lessig. Liberale Nutzungslizenzen seien aber eben auch ein politisches Signal, das es einen Mittelweg zwischen Piraterie und Hollywood gebe. "Man könnte sagen, dass Creative Commons ein Schritt in die falsche Richtung ist", meinte Lessig. "Aber wenn es eine große Zahl von Leuten davon überzeugt, dass der Extremismus dieser Debatte falsch ist, dann bringt es uns in die richtige Richtung."

Zur Emerging Technology Conference siehe auch:

(Janko Röttgers) / (jk)