EU: Besorgnis erregender Rückstand Europas im Internet

EU-Kommissar Erkki Liikanen beklagt den Rückstand Europas gegenüber den USA bei der Nutzung des Internet und von E-Commerce und ruft zu schnellem Handeln auf.

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Von
  • Jürgen Kuri

EU-Kommissar Erkki Liikanen, zuständig für die Generaldirektionen "Unternehmen" und "Informationsgesellschaft" bei der EU-Kommission, beklagt den Rückstand Europas gegenüber den USA bei der Nutzung des Internet und von E-Commerce. "Die europäische Wirtschaft ist größer als die der USA und hat sogar mehr Konsumenten. Es ist Besorgnis erregend, dass Europa sich nicht sogar schneller [als die USA] auf E-Commerce stürzt, da das Internet und elektronischer Handel tief greifende Einflüsse auf nahezu alle Sektoren der Wirtschaft haben und alle Merkmale des Wettbewerbs dramatisch ändern wird", erklärte das finnische Kommissionsmitglied in einer Rede am Mittwoch dieser Woche.

Zwar stehe E-Commerce inzwischen zunehmend auf der Agenda der Unternehmen. Trotzdem hätten selbst große Konzerne immer noch zu viele Vorbehalte gegen das Internet, vor allem auf Grund von Befürchtungen über fehlende interne Akzeptanz, durch ein Management mit zu geringer Aufmerksamkeit für das Internet und wegen der schwierigen Integration von Internet-Techniken mit firmeninternen Systemen. Kleinere Firmen, besonders Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitern, seien darüber hinaus noch viel misstrauischer gegenüber dem Internet. Zudem zögen gerade kleine Firmen nur wenig Nutzen aus der globalen Natur des Netzes: 90 Prozent des E-Commerce, den sie überhaupt abwickeln, würden sich immer noch innerhalb nationaler Grenzen bewegen.

Liikanen, der schon vor einigen Tagen die zu hohen Preise für den Internet-Zugang in Europa beklagt hatte, sieht dagegen positive Signale auf der anderen Seite der ökonomischen Gleichung. Die Haltung der Konsumenten zum Internet werde sich unter Umständen zu Europas Gunsten ändern. Liikanen geht davon aus, dass es momentan in Europa rund 50 Millionen Internet-Nutzer gibt. "Aber wenn das Internet mobil wird, könnte dies bis 2003 schon auf 170 bis 220 Millionen wachsen", prognostizierte der EU-Kommissar. Und dies vor allem, da zu dieser Zeit rund zwei Drittel aller Europäer mit einem Handy ausgestattet seien, von denen wiederum 85 Prozent das Surfen im Internet ermöglichten.

Immerhin sei sich die EU-Kommission bewusst, dass Internet und E-Commerce einen einheitlichen Ansatz erfordern, um die rechtlichen Bedingungen und Selbstregulierung voranzubringen. Außerdem sei billiger Zugang zu schnelleren Netzwerken und zu besseren Techniken notwendig. Beachtung verdient laut Liikanen auch die Förderung ökonomischer und sozialer Entwicklungen, darunter die Herausbildung der notwendigen Fähigkeiten in der Bevölkerung für die Informationsgesellschaft.

Liikanen jedenfalls sieht die Unternehmen und die Politik, auch die EU-Kommission, vor hohen Anforderungen: "Wir sind an einem Wendepunkt in der Wirtschaftsgeschichte. Der Umgang mit den Veränderungen erfordert, dass wir alle Ressourcen und Einsichten aus Wirtschaft, Politik, Forschung und Technologie zusammenbringen." Einen fast schon dramatischer Appell richtete er daher an Politik und Wirtschaft: "Europa steht mitten in einer ökonomischen Revolution. Jetzt ist die Zeit, sowohl den privaten wie den öffentlichen Sektor in Europa zum Handeln aufzurufen. Wir müssen an einer starken, europäischen E-Ökonomie arbeiten, die alle elektronischen Dienstleistungen zum Wohle aller umsetzt." (jk)