EU-Finanzkommissarin: "Digitaler Euro muss betrugs- und idiotensicher sein"

Datenschutz werde "ganz zentral sein" beim geplanten digitalen Euro, versicherte EU-Kommissarin McGuinness auf einer Konferenz. Anonym bleibt aber nur Bargeld.

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(Bild: peterschreiber.media/Shutterstock.com)

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Ein digitaler Euro muss vor allem einen Mehrwert für die Bürger haben. Dies betonte EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness bei einer Konferenz der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB). Die geplante digitale europäische Zentralbankwährung sollte daher eine Alternative und Ergänzung zu Bargeld darstellen, dieses aber auf keinen Fall abschaffen.

Eine Kernfrage der Tagung in Brüssel war, wie die Privatsphäre der Nutzer bei einem digitalen Euro geschützt, zugleich aber Kriminalität verhindert werden könnte. "Der Datenschutz wird ganz zentral sein", gelobte McGuinness. Sie teile viele der Bedenken der Bürger bei diesem Aspekt. Es mache auch ihr Angst, wenn eine Big-Brother-Instanz alle Zahlungsvorgänge verfolgen und auswerten könnte. Auch wenn viele Leute nach den Erfahrungen während der Corona-Pandemie kein Geld mehr in der Tasche mit sich herumtragen wollten, dürfte andererseits das Bedürfnis wieder wachsen, die Kontrolle über die eigenen personenbezogenen Daten zu behalten.

Zugleich unterstrich McGuinness, dass der Digitaleuro eine "saubere Sache" sein müsse und die Initiative nicht Tür und Tor öffnen dürfe für krumme Geschäfte: "Wenn es irgendwo ein Schlupfloch für Geldwäsche gibt, haben wir die Menschen hängen gelassen." Es gelte daher genau zu überlegen, wie das Verfahren ausgestaltet werde.

Das Drängeln etwa der deutschen Industrie wies McGuinness mit dem Hinweis zurück, diese sollte sich vielmehr Sorgen machen, wenn es zu schnell gehe. Da die Technologie auch versagen könnte und Cyberangriffe zunähmen, sei es entscheidend, "Vertrauen in das System" zu schaffen: Dieses müsse betrugs- und fälschungssicher sein. Auf jeden Fall seien ferner Zahlungen auch offline zu ermöglichen.

Für nötig hält die 63-Jährige die Initiative grundsätzlich, um einen Ersatz für Bargeld in petto zu haben, sollte sich der Trend zu Kartenzahlungen fortsetzen. Für diesen Fall brauche die EU einen zukunftssicheren Ansatz auf digitaler Ebene. Zudem prüften bereits über 100 Länder die Einführung digitaler Zentralbankwährungen. Gutachter warnten jüngst vor einer "Welt ohne Bargeld". Wie in Schweden könnte auf diesem Gebiet eine Grundversorgung nötig werden.

Bisher sei Geld immer ein öffentliches Gut gewesen, gab die Kommissarin zu bedenken. Derzeit drohe es immer weiter privatisiert zu werden, wodurch Staat, Gesellschaft und Wirtschaft abhängig würden von einzelnen Unternehmen. Wichtig sei es so auch, mit dem Vorhaben die strategische Autonomie Europas zu stärken.

Unabdingbar ist laut McGuinness ferner ein möglichst breiter Zugang zu dem vorgesehenen Zahlungsmittel. Schon jetzt gebe es in der EU ein Recht auf ein Basis-Bankkonto, das gratis ist. Es müsse noch geklärt werden, welche zusätzlichen Dienstleistungen künftig darunter fallen. Wenn der Digitaleuro breit genutzt werden solle, komme es auch auf das Ausgabemodell an. Denkbar sei daher eine Pflicht für Geschäftsbanken, das künftige Zahlungsmittel in Umlauf zu bringen.

Konkret kündigte die Kommissarin einen Gesetzesvorschlag für das 2. Quartal 2023 an, auf dessen Basis die EZB Pilotprojekte starten könnte. Der Entwurf werde sich auf Artikel 133 des Vertrags der Europäischen Gemeinschaft zur gemeinsamen Handelspolitik stützen.

Das Bargeldlose "wird den Leuten ein bisschen aufgezwungen", meinte Monique Goyens aus dem Vorstand der europäischen Verbraucherschutz-Dachorganisation Beuc. Den Bürger müsse es aber möglich sein, zu bezahlen, "ohne Spuren zu hinterlassen". Sie forderte, dass etwa Überweisungen nur zwischen Zahler und Empfänger validiert werden dürften, ohne dass eine Drittpartei dazukomme. Extern überprüft werden dürften nur "verdächtige Transaktionen". Zugleich verwies Goyens auf den Aspekt, dass das Geld weg sei, wenn der Zugang zur eigenen E-Wallet verloren gehe. Dies müsse allen Nutzern vorab klar sein.

Als wichtige Grundlage nannte der EU-Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiórowski die Berücksichtigung von Privacy by Design, also den Einbau von Datenschutz direkt in die Technik. Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) habe bereits verlangt, dass der digitale Euro so anonym wie Bargeld sein sollte. Dies dürfte zwar nicht zu 100 Prozent erreichbar sein. Auf jeden Fall sei eine Einschränkung der Nachverfolgbarkeit auf klar definierte zulässige Zwecke etwa zur Geldwäschebekämpfung nötig. Wo jemand einen Kaffee trinke oder wohin eine Person reise, sei dafür nicht relevant.

Je zentralisierter das System sei, desto mehr Daten könnten nachverfolgt und weiterverarbeitet werden, machte Wiewiórowski prinzipiell deutlich. Würden solche Datenlager angelegt, "schreit das nach Missbrauch". Auch eine Ausgabe des Digitaleuro über Privat- und Geschäftsbanken würde das System viel komplexer machen, das aus Datenschutzsicht wohl "nie ganz perfekt" sein werde.

Funktionen wie Anonymität und Portabilität machten den Digitaleuro auch attraktiv für Kriminelle, warnte Violaine Clerc, geschäftsführende Leiterin der Financial Action Task Force (FATF). Die zwischenstaatliche Institution entwickelt Standards zur Bekämpfung etwa von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Zu den Grundrechten zähle nicht nur der Anspruch auf Privatheit, sondern auch der Schutz vor Kriminalität. Die in der EU seit Jahren immer weiter verschärften Regeln gegen Geldwäsche und Terrorismus, unter die mittlerweile auch kleinste Summen fallen, gälten so für Digitalwährungen genauso wie für Bargeld.

Für Clerc kommt es daher darauf an, die Nachverfolgbarkeit der Transaktion zu optimieren, ohne die Privatsphäre auszuhebeln. Die Anonymität sollte da aufgehoben werden, wo ein gewisses Risiko bestehe. Die zuständigen Behörden dürften zudem nur Zugriff auf zusätzlich technisch geschützte Daten bekommen, wenn sie diese für ihre Arbeit benötigten. Für die Rückverfolgbarkeit komme etwa eine digitale ID in Frage.

Ein digitaler Euro "darf kein Selbstzweck sein", mahnte Margherita Della Valle, Finanzchefin von Vodafone tragbare Geschäftsmodelle an. Sie erinnerte daran, dass sich aktuell nur 45 Prozent der EU-Bürger als digital kompetent bezeichneten. Wenn die Digitalwährung heute käme, wäre so wohl die Hälfte der Bevölkerung ausgegrenzt. Zudem sei die richtige digitale Infrastruktur nötig, sodass die Politik etwa Investitionen in 5G und den Breitbandausbau ankurbeln müsse.

James von Moltke, Finanzvorstand der Deutschen Bank, versicherte, dass die Branche einen digitalen Euro grundsätzlich unterstütze. Es müssten aber etwa noch Haftungsfragen geklärt werden. Großkunden liege daran, jede Transaktion etwa mit Rechnungen, der Lieferkette, Inventarfragen und so mit einem möglichst umfassenden Datenset zusammenzubringen. Zuvor hatten Vertreter von Geschäftsbanken befürchtet, durch das Vorhaben ausgebootet zu werden.

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Von dem Versprechen einer "hundertprozentigen Transparenz" von programmierbaren, mit Zusatzfunktionen ausstattbarem Geld schwärmte John Calian, Geschäftsführer des österreichischen Startups Riddle & Code. Darüber lasse sich alles verfolgen, was über Steuereinnahmen reinkommt und für was es ausgegeben wird. Er warb daher dafür, dass der Digitaleuro einfach umwandelbar sein sollte in Tokens, auf denen Kryptowährungen wie Bitcoin beruhen. Da im Software-Business Projekte ständig neu aufgesetzt werden könnten, sollte die EZB "einfach loslegen".

(axk)