EU-Generalanwalt: YouTube & Co. haften nicht direkt für rechtswidrige Uploads

Betreiber von Plattformen wie YouTube und uploaded.net geben hochgeladene urheberrechtlich geschützte Werke nicht selbst öffentlich wieder, meint der Jurist.

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15 Jahre Youtube

(Bild: dpa, Carsten Rehder/dpa)

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Der Einsatz der umstrittenen Upload-Filter ist nach dem noch geltendem EU-Recht nicht verbindlich. Betreiber von Online-Plattformen wie YouTube und uploaded.net haften aktuell nicht unmittelbar für das rechtswidrige Hochladen urheberrechtlich geschützter Werke durch Nutzer. Diese Ansicht vertritt der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH), Henrik Saugmandsgaard Øe, in seinen am Donnerstag veröffentlichten Schlussanträgen in zwei miteinander verbundenen Fällen, die der Bundesgerichtshof (BGH) vorgelegt hatte.

Der Jurist begründet sein Plädoyer damit, dass Unternehmen wie YouTube und das hinter uploaded.net stehende Cyando laut der noch geltenden Urheberrechtsrichtlinie aus dem Jahr 2000 grundsätzlich selbst keine "öffentliche Wiedergabe“ vornähmen. Ihre Rolle sei die eines Vermittlers. Die "Primärhaftung" treffe so in der Regel allein die Nutzer.

Saugmandsgaard Øe weist darauf hin, dass das Einstellen einer Datei auf einem Portal wie YouTube weitgehend automatisch erfolge. Der Betreiber wähle die veröffentlichten Inhalte weder aus, noch bestimme er sie auf andere Weise. Daran ändere auch eine gegebenenfalls automatisiert erfolgende vorherige Kontrolle nichts, solange ein solcher Filtereinsatz sich auf rechtswidrige Inhalte beschränke und nicht den Willen des Betreibers widerspiegele, bestimmte Inhalte öffentlich wiederzugeben und andere auszusortieren. YouTube setzt für diesen Zweck die Lösung ContentID ein.

Darüber hinausgehende Haftungsbestimmungen, die im Allgemeinen die Kenntnis der Rechtswidrigkeit voraussetzten, fallen dem Dänen zufolge unter das Recht der Mitgliedstaaten. Zudem könnten Plattformbetreiber für die Dateien, die sie im Auftrag ihrer Nutzer speicherten, in den Genuss noch bestehender Haftungsprivilegien kommen, sofern sie bei einem Upload keine "aktive Rolle" gespielt haben. Sonst bestehe die Gefahr, dass sich die Dienstleister zu Schiedsrichtern über die Rechtmäßigkeit von Online-Inhalten aufschwängen und Inhalte "übervorsorglich" entfernten.

Unabhängig von der Haftungsfrage stehe es Rechteinhaber aber frei, gegen die Betreiber gerichtliche Anordnungen etwa für Websperren zu erwirken, erläutert der Jurist weiter. Dafür müssten sie keinen Wiederholungsfall abwarten und den Vermittlern kein Fehlverhalten nachweisen. Der EuGH hatte dazu vor kurzem entschieden, dass YouTube in solchen Fällen nur die Postadresse von Nutzern herausgeben muss.

In dem einen vom EuGH behandelten Streit C-682/18 verklagte ein Musikproduzent YouTube und die Mutterfirma Google, nachdem Videos mit Musik der Sängerin Sarah Brightman eingestellt worden waren. Das Landgericht Hamburg hatte YouTube zunächst zum Sperren verdonnert, das Oberlandesgericht hingegen meinte, der Betreiber müsse nicht aktiv prüfen. In der zweiten Rechtssache C-683/18 geht die Verlagsgruppe Elsevier gegen Cyando wegen 2013 erfolgter Uploads verschiedener Werke auf der umstrittenen Sharehosting-Plattform vor deutschen Gerichten vor.

Die Empfehlungen des Generalanwalts sind für den Gerichtshof nicht bindend. Oft folgen ihnen die Luxemburger Richter aber, die in beiden Verfahren nun weiter beraten. Mit der im vorigen Jahr verabschiedeten EU-Urheberrechtsreform dürfte das zu erwartende Urteil aber nicht lang wirken: damit hat der Gesetzgeber für Betreiber von Portalen mit nutzergenerierten Inhalten neue spezifische Haftungsregeln eingeführt. Die Vorgaben müssen bis Juni 2021 in nationales Recht umgesetzt werden.

Der Bundesverband Musikindustrie (BVMI) sieht in den Ausführungen des Generalanwalts "nur einen weiteren Beleg dafür, wie dringend die EU-Urheberrechtsrichtlinie gebraucht" werde. "Die Einschätzung des Generalanwalts wirkt fast wie aus der Zeit gefallen", meint BVMI-Chef Florian Drücke. "Im Jahr 2020 sind wir doch gesellschaftlich bei der Haftung von Online-Plattformen bereits wesentlich weiter." Es sei jetzt zentral, dass die Richtlinie auch in Deutschland wortgetreu umgesetzt werde. "Um es noch einmal deutlich zu machen: Eine Plattform verdient mit Inhalten Dritter sehr viel Geld und wird hier trotzdem als technisch und inhaltlich neutral erklärt?", fragt Drücke und nennt das "eine seltsame Einschätzung".

(vbr)