EU-Gesundheitsdatenraum: Dokumentationsaufwand nicht unterschätzen

Für eine gute Forschungsplattform fehle laut Thomas Kaiser, dem Leiter der Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, vor allem Personal.

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(Bild: bixstock/Shutterstock.com)

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Aktuell wird der elektronische Gesundheitsdatenraum (EHDS) stark diskutiert. Es gibt noch einige Unklarheiten, die den Datenschutz und die Umsetzung betreffen. Kritiker befürchten mögliche Leaks der großen Datenpools. Bisher fehle für eine gute Forschungsplattform laut dem Leiter der Stiftung für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Thomas Kaiser, jedoch vor allem das Personal –, selbst wenn das Geld da wäre. Die elektronische Patientenakte (ePA) könne für die Forschung zwar sinnvoll sein, Geld alleine könne das allerdings nicht richten.

Der EHDS wäre eine "sehr kluge Sache", wenn man ihn richtig umsetzen könnte, sagte Kaiser in einem Interview mit der Ärztezeitung. Wenn man allerdings nicht sicherstellen könnte, dass die ePA mit strukturierten und richtigen Daten befüllt werde, bekomme man "nichts weiter als einen Riesenaufwand für völlig unsichere Erkenntnisse". Insgesamt sei eine gute Forschungsstruktur mit Registern notwendig, der Datenraum alleine nicht ausreichend.

Künftig sollen auch Pharmafirmen mit dem geplanten Gesundheitsdatennutzungsgesetz auch in Deutschland Zugriff auf die Daten erhalten, um etwa Längsschnittstudien durchführen zu können. Das Argument von Vertretern von Zulassungsbehörden wie dem Paul-Ehrlich-Institut, dass "man [...] der Pharmaindustrie finanziell nicht zu viel zumuten [dürfe], um Evidenz zu generieren", sieht er aufgrund der hohen Gewinne, die sie erzielen, kritisch. Jedoch habe Kaiser, solange die Forschung wirklich "zu einer deutlichen Versorgungsverbesserung" führe, nichts dagegen. Teilen würde er die Daten aber nur mit denjenigen, "die im Gegenzug auch ihre Daten zur Forschung freigeben".

Er sehe es problematisch, dass Firmen ihre Daten mit dem Argument des Geschäftsgeheimnisses anschließend nicht zur Verfügung stellen wollen. Dies sei teilweise sogar bei öffentlich geförderten klinischen Studien der Fall – "obwohl es teils sehr klare Vorgaben zur Publikation gibt". Seiner Ansicht nach brauche es bei der fehlenden Publikation von Studiendaten knallharte Sanktionen. "Ich kann doch nicht erst Fördergelder beantragen und später argumentieren, die Forscher waren im Urlaub oder haben die Klinik verlassen". Schließlich wollen die Patienten mit ihrer Einwilligung in die Studien die Versorgung verbessern. Es sei inakzeptabel, dass die Forscher ihre Daten anschließend nicht veröffentlichen.

Darüber hinaus sehen Ärzteverbände durch den EHDS das Arzt-Patientengeheimnis gefährdet. Auch der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Stephan Hofmeister, warnte kürzlich davor, dass es vermutlich Interessen Dritter an den Datenschätzen geben werde. Kaisers Ansicht nach liegen die Befürchtungen vor allem darin, ob mit den Daten verantwortungsbewusst umgegangen werde. Eine weitere Sorge der Ärzte ist – neben der möglichen fehlenden Interoperabilität – zudem, dass auf sie noch mehr Dokumentationsaufwand zukomme. Das dürfe Kaisers Ansicht nicht der Fall sein.

In der "Bereitstellung der persönlichen medizinischen Informationen für die Behandlung vor Ort" sehe Kaiser einen weiteren wichtigen Zweck der ePA. Laut Professor Ulf Müller-Ladner, dem Vorsitzenden der deutschen Gesellschaft für innere Medizin, ist und bleibe die Diagnostik Aufgabe des Arztes auf Grundlage der Symptome, die der kranke Mensch bietet. Das hatte er gegenüber der Ärztezeitung gesagt.

Aktuell hätten wir Müller-Ladner zufolge Problem, dass wir "zwar buchstäblich jede Zelle und viele molekulare Prozesse abbilden, verfügen aber noch nicht über die (künstliche) Intelligenz und Rechnerleistung, um daraus gesicherte diagnostische Aussagen abzuleiten". Das werde wohl noch eine Weile so bleibe. Für eine saubere Diagnostik bleibe das Tasten, Fühlen und das Hören die Grundlage für eine saubere Diagnostik.

(mack)