EU-Gremien streiten über Vergabe von Online-Musikrechten

Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hat die EU-Kommission für ihren Alleingang bei ihren Vorgaben zur Lizenzierung von Urheberrechten für Musikdienste und den Folgen für Verwertungsgesellschaften scharf kritisiert.

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Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hat die EU-Kommission für ihren Alleingang bei der Aufstellung von EU-weiten Vorgaben zur Lizenzierung von Urheberrechten für Online-Musikdienste scharf kritisiert. Die entsprechende Empfehlung der Brüsseler Behörde im Jahr 2005 "hat dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten die Möglichkeit genommen, ihr Fachwissen in den Prozess der Änderung einzubringen", monieren die Fachpolitiker in einem mit großer Mehrheit angenommen Bericht (PDF-Datei) der ungarischen Sozialistin Katalin Lévai. Dabei werde der unabgesprochene Vorstoß der Kommission "beträchtliche Auswirkungen auf den künftigen Wettbewerb in diesem Bereich und auf die kulturelle Vielfalt in Europa haben". Das Thema sei zu wichtig, als dass die Volksvertretung nicht förmlich eingebunden werden müsste.

Die Kommission will mit in ihrem Kommuniqué Rechteinhabern und gewerblichen Nutzern urheberrechtlich geschützter Werke die Möglichkeit geben, sich für ein Lizenzierungsmodell ihrer Wahl zu entscheiden. So sollten etwa territoriale Beschränkungen und den Kundenkreis eingrenzende Bestimmungen in bestehenden Lizenzverträgen mit Verwertungsgesellschaften aufgehoben werden. Rechteinhabern, die keine solchen Verträge abschließen wollen, können ihr Repertoire der EU-weiten Direktlizenzierung zugänglich machen. Insbesondere wollte die Brüsseler Behörde so den Wettbewerb zwischen den Verwertungsgesellschaften ankurbeln und den Markt für digitale Musik beflügeln.

Das Instrument der "Empfehlung" hat für die Kommission gegenüber weiter gehenden gesetzgeberischen Initiativen wie Richtlinien den Vorteil, dass Absprachen mit dem Parlament nicht erforderlich sind. Die Brüsseler Behörde liebäugelt deswegen gerade im heftig umstrittenen Feld der Urheberrechtspolitik verstärkt mit derlei Maßnahmen. Sie sind zwar nicht bindend für die Mitgliedsstaaten und die betroffenen Organisationen, dennoch soll von ihnen etwa auch die Rechtsprechung beeinflusst werden. Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy meinte Ende November, dass die Empfehlung für den Musikmarkt einen positiven Effekt habe und Songs für den digitalen Vertrieb einfacher freigegeben würden.

Der Rechtsausschuss der EU-Volksvertretung weist dagegen darauf hin, dass gemäß der Kritik von kleineren Verwertungsgesellschaften und Rechteinhaber die größeren Verleger die Empfehlung als ein klares Signal gewertet hätten, um das von ihnen kontrollierte so genannte "internationale Repertoire" aus dem Netz nationaler kollektiver Verwertungsgesellschaften herauszunehmen und es in die Hände einer oder sehr weniger großer Verwertungsgesellschaften mit einem ausschließlichen Mandat zur EU-weiten Rechtevertretung zu geben. Dies laufe dem Ziel der Empfehlung zuwider. In der Praxis komme es zu einem Oligopol mit konzentrierter Marktmacht in den Händen einiger weniger großer Rechteinhaber und einer entsprechenden Anzahl großer Verwertungsgesellschaften. Dies stelle "eine ernste Gefahr für eine gesunde und lebhafte kulturelle Vielfalt in Europa dar". Die Entfernung des internationalen Repertoires aus dem Netz der nationalen Gemeinschaften von Urhebervertretern werde wahrscheinlich dazu führen, "dass viele nationale Verwertungsgesellschaften ihre Tätigkeit einstellen", was wiederum "den lokalen und Minderheitenrepertoires" schade.

Geht es nach den Fachpolitikern, soll die Kommission aufgefordert werden, baldmöglichst nach eingehender Konsultation aller betroffenen Parteien einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Online-Lizenzierung im Musiksektor vorzulegen. Dabei sollen die Besonderheiten des digitalen Zeitalters und die Notwendigkeit berücksichtigt werden, "die europäische kulturelle Vielfalt, kleine Beteiligte und lokale Repertoires zu schützen". Konkret sollte der Gesetzesvorstoß unter anderem "nur fairen und kontrollierten Wettbewerb ohne territoriale Beschränkungen, aber mit den notwendigen und geeigneten qualitativen Kriterien für die kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten zulassen." Die Parlamentarier wollen ferner "die Möglichkeit von Rechteinhabern fördern, EU-weit eine neue Generation von Modellen für Sammellizenzen für Musik für Online-Zwecke zu entwickeln".

Die "kulturelle und soziale Rolle der Verwertungsgesellschaften" wollen die Abgeordneten erhalten wissen. Dabei sei sicherzustellen, dass diese "bei der Verwaltung der Mittel der Rechteinhaber und bei der Erbringung von Dienstleistungen für Rechtenutzer und Rechteinhaber möglichst effizient vorgehen." Mindeststandards für die Organisationsstrukturen, die Transparenz, die Rechenschaftspflicht und die Rechtsmittel der Urhebergemeinschaften sollten festgelegt werden. Als "beste Garantie" für mehr Wachstum beim legalen Online-Musikvertrieb sieht der Rechtsausschuss die Einführung eines Systems, "in dem sich die Einnahmen der Urheber nach den Quoten desjenigen Landes richten, in dem der Verbraucher ein bestimmtes Musikstück kauft". Die Anwendung des Tarifs des "Bestimmungslandes" führe zu einem Wettbewerb, "der sich auf die Effizienz der von den Verwertungsgesellschaften angebotenen Dienstleistungen gründet". Ein Wettlauf um die Minimierung der Nutzungsgebühren, die den Rechteinhabern gezahlt werden, werde ausgeschlossen.

In einer ersten Reaktion begrüßte Eva Lichtenberger, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im EU-Parlament, das Votum. Die Abgeordneten hätten "klargestellt, dass Musik und die Rechte an ihr kein Handelsgut wie jedes andere sind." Die Praktiken der Lizenzvergabe durch die Verwertungsgesellschaften bedürften dringend einer Anpassung an die neuen Nutzungsarten der Musik im digitalen Zeitalter unter Beibehaltung eines hohen Schutzniveaus für die Rechteinhaber. Es bleibe zu hoffen, dass die Kommission eine klare Regelung im Geiste dieses Textes schaffe. (Stefan Krempl) / (jk)