EU-Kommission: Nationale Sicherheit ist kein Blankoscheck für Spyware

Späte Ansage aus Brüssel: EU-Regierungen, die Spähsoftware wie Pegasus einsetzen wollen, dürfen Grundrechte wie den Schutz der Privatsphäre nicht aushebeln.

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(Bild: Stokkete/Shutterstock.com)

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Das EU-Parlament verurteilte im Mai 2023 in einem Untersuchungsbericht "aufs Schärfste den Einsatz von Spähsoftware durch die Regierungen der Mitgliedstaaten", um etwa "Kritiker und die Zivilgesellschaft zu überwachen, zu erpressen, einzuschüchtern, zu manipulieren und zu diskreditieren". Die Abgeordneten forderten nach Skandalen um die Staatstrojaner Pegasus, Predator, FinFisher & Co. etwa in Ungarn, Polen und Spanien eine Kehrtwende und klare Auflagen. EU-Justizkommissar Didier Reynders versprach, eine Gesetzesinitiative vorzulegen. Trotzdem tat sich mehr als ein Jahr lang – nichts. Jetzt will die Kommission zumindest mit einer Mitteilung auf die Forderungen des Parlaments reagieren.

Die Brüsseler Regierungsinstitution plant den Mitgliedsstaaten damit ans Herz zu legen, die nationale Sicherheit nicht als Blankoscheck für den Einsatz von Spyware zu missbrauchen. Dies berichtet Politico unter Verweis auf einen Entwurf für die Antwort auf den Parlamentsbericht, die nach langen Verzögerungen zeitnah veröffentlicht werden solle. Regierungen, die Überwachungssoftware wie Pegasus der NSO Group verwenden wollen, können demnach "ihre Verantwortung nicht auf eine Weise wahrnehmen, die die Wirksamkeit des EU-Rechts" in Bezug auf Datenschutz und die Privatsphäre untergräbt.

Ganz will die Kommission Spähsoftware nicht untersagen. "Unter entsprechenden Bedingungen und Sicherheitsvorkehrungen" könne deren Einsatz "durch nationale Sicherheits- oder Strafverfolgungsbehörden dem Schutz wichtiger Ziele von allgemeinem öffentlichen Interesse in einer demokratischen Gesellschaft dienen", heißt es laut Politico in dem Dokument. Die unsachgemäße Nutzung solcher Programme sei aber imstande, "das ordnungsgemäße Funktionieren demokratischer Prozesse zu untergraben oder sogar zu zerstören" – und zwar "unter dem Deckmantel ihrer Verteidigung". Eine strenge Kontrolle sei daher nötig. Die bloße Tatsache, dass die nationale Sicherheit auf dem Spiel stehen könnte, fege das EU-Recht nicht hinweg. Das vielfach gebrauchte Argument erlaube auch kein einseitiges Handeln von Mitgliedsstaaten.

Die Kommission bringt laut dem Bericht "Mindestgarantien und -bedingungen" ins Spiel, die "unabhängig vom Zweck der Überwachung" umgesetzt werden sollten. So müsse etwa vorab eine Genehmigung von einem Gericht oder einer unabhängigen Stelle eingeholt werden. Journalisten dürften keine Ziele von Spyware werden. Gegen solche Auflagen wehrten sich die EU-Staaten im Streit über das Medienfreiheitsgesetz, das dazu daher nur einen Formelkompromiss enthält.

Dazu kommen soll dem Entwurf zufolge eine Benachrichtigungspflicht, sobald die angeführte Bedrohung vorbei ist. Die Verwendung von Spähsoftware müsse auf den Kampf gegen schwere Straftaten wie sexuellen Kindesmissbrauch, Mord, Geldwäsche, Drogenhandel und Korruption beschränkt werden, heißt es. Hierzulande darf die Polizei Staatstrojaner auch gegen Alltagskriminalität in Stellung bringen. US-Präsident Joe Biden erließ 2023 eine Anordnung, um den operativen Einsatz von Pegasus & Co. durch viele US-Behörden einzuschränken. So weit will die Kommission offenbar nicht gehen.

(olb)