EU-Kommission kritisiert exzessive Fehlentwicklungen in Spanien

Das Land wird mit Slowenien gleichgesetzt, von dem ebenfalls Gefahren für die Gemeinschaftswährung ausgingen

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Die spanische Regierung hat am Mittwoch erneut eine kalte Dusche erhalten. Denn wie von Slowenien hat die EU-Kommission auch von Spanien dringende Korrekturen am wirtschaftspolitischen Kurs verlangt. EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn machte in beiden Ländern exzessive wirtschaftliche Fehlentwicklungen aus, die Gefahren für die Gemeinschaftswährung bergen. "Starkes politisches Handeln ist dringend nötig", sagte er. Beiden Staaten drohen hohe Strafzahlungen, wenn sie bis zum Monatsende keine glaubwürdigen Pläne zur Korrektur vorlegen.

Die Kritik geht auf eine Untersuchung in 13 Ländern zurück, die Rehn vorgestellt hat. Besondere Gefahren für den Euro gehen vom viertgrößten Euroland Spanien aus. Das kleine Slowenien kann mit nur zwei Millionen Einwohnern keine ernsthafte Bedrohung darstellen, weshalb auf "Ansteckungsgefahren" für andere Länder abgehoben wurde, die sich wegen einem "düsteren Konjunkturausblick" vergrößert hätten.

Die EU-Kommission teilt den Optimismus der konservativen spanischen Regierung nicht. Erst am Dienstag hatte Wirtschaftsminister Luis de Guindos erklärt, am Jahresende werde es zu einer Erholung kommen. 2014 soll die Wirtschaft wieder wachsen und sich die Lage am Arbeitsmarkt verbessern, prognostiziert er. Als Beleg führte er an, dass die Wirtschaft im ersten Quartal mit etwa 0,6 Prozent weniger geschrumpft sei als mit 0,8 Prozent im Vorquartal. Dabei war dies eher eine Enttäuschung. Denn Ostern fiel in dieses Quartal, in dem viele Touristen das Urlaubsland besuchen.

Brüssel hat viel Wasser in den Wein geschüttet, den die Konservativen den Spaniern einschenken wollen. Die EU-Kommission erwartet, dass die Wirtschaft auch 2014 weiter schrumpft. Auch den von der Regierung beteuerten Reformeifer hält Brüssel für "ungenügend". Das Reformprogramm sei "unvollständig". Sogar verabschiedete Reformen entfalteten ihre Wirkung nicht voll, "weil es Verzögerungen bei der Umsetzung" gäbe. Das Ergebnis sei eine "ungenügende ökonomische Anpassung". Das führe dazu, dass "ein großer Teil der Last auf die Arbeitslosigkeit zurückschlägt". Die Arbeitslosigkeit ist in Spanien schon auf mehr als 26 Prozent gestiegen ist. 56 Prozent aller jungen Menschen sind arbeitslos, nur Griechenland steht noch etwas schlechter da. Rehn forderte "durchgreifende Maßnahmen" zur Schaffung von Wachstum und Arbeitsplätzen.

Doch Spanien fiel auch an weiteren Punkten durch. Die Studie kritisiert die "hohe Innen- und Außenverschuldung". Brüssel missfällt, dass Spanien 2012 das Defizitziel erneut verpasste, obwohl es in zwei Schritten von 4,4 auf sogar 6,3 Prozent angepasst wurde. Erwischt wurde Spanien von der Europäischen Statistikbehörde sogar beim Schummeln. Madrid hatte ein Defizit von 6,7 Prozent angegeben, doch Eurostat setzt es auf sieben Prozent herauf. Spanien hatte Steuerrückzahlungen in den Januar hinausgezögert, um das Haushaltsdefizit 2012 zu schönen. Eine herbeifabulierte angebliche Änderung der Berechnungsgrundlage hatte Eurostat zurückgewiesen, die von der Regierung als Begründung genannt wurde.

Hohe Verschuldung der Haushalte und Unternehmen

Als Problem wird nicht nur die stark steigende Staatsverschuldung gesehen, sondern auch auf die hohe Verschuldung der Haushalten und Unternehmen hingewiesen, womit die Konjunktur zusätzlich belastet werde. Auch Risiken für die finanzielle Stabilität bestünden weiter, denn mit steigender Arbeitslosigkeit werden immer neu Kredite faul. Nach Angaben der spanischen Zentralbank hat die Kreditausfallquote zuletzt mit elf Prozent einen neuen Rekordwert erreicht. Das Bankensystem wurde schon bisher mit 41 Milliarden Euro aus dem europäischen Rettungsfonds gestützt.

Probleme sieht die EU-Kommission aber auch an einer zu geringen Exportquote, dem Rentensystem und bei internationalen Investitionen in Spanien. Brüssel fordert erneut eine unabhängige Finanzaufsicht. Dass die bisherige Aufsicht der Zentralbank versagt hat, wurde deutlich, als mit Bankia 2012 auch die viertgrößte Bank verstaatlicht und mit bisher etwa 20 Milliarden Euro gestützt werden musste.

Gefordert wird aber auch weiter eine Reform im Bereich der Stromversorgung. EU Energiekommissar Günther Oettinger hält die Tarifpolitik für "ineffizient". Eine "unzureichende Konkurrenz" und eine "exzessive Vergütung" für abgeschriebene Anlagen "wie Atom- und Wasserkraftwerke" führe zu überhöhten Preisen für die Verbraucher, kritisierte Oettinger 2012 in einem Strategiepapier. Er empfahl, den Ausbau von erneuerbaren Energien, um die extreme Energieabhängigkeit zu verringern. Das Sonnen-, Wind- und Wellenland muss überdurchschnittlich viel Energie teuer importieren, die im Land produziert werden könnte.