EU-Kommission lobt neuen ICANN-Vertrag

EU-Kommissarin Viviane Reding begrüßt die vorige Woche geschlossene Vertragsvereinbarung zwischen dem US-Wirtschaftsministerium und ICANN. Bei Milton Mueller, Mitbegründer des Internet Governance Project, stößt sie hingegen auf Kritik.

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  • Monika Ermert

Die EU-Kommission hat heute die neue Vertragsvereinbarung zwischen dem US-Handelsministerium (Department of Commerce, DoC) und der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) gelobt. "Ich begrüße die erklärte Absicht der US-Regierung, ICANN mehr Autonomie zuzugestehen und die Regierungsaufsicht über das Tagesgeschäft der Netzverwaltung innerhalb der kommenden drei Jahre zu beenden", sagte die EU-Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien, Vivianne Reding. "Das ist ein sehr wichtiger Schritt in Richtung zu einer vollständigen Privatisierung, auf die die EU mit verschiedenen US-Regierungen seit 1998 hingearbeitet hat."

Die EU vertraue auf die technische Kompetenz und das "einzigartige" Modell der Beteiligung der verschiedenen Interessengruppen im ICANN-Prozess. "Wir denken, dass ICANN bestens geeignet ist, der internationalen Natur der Netzverwaltung bei der Organisation der zentralen Rootverwaltung Rechnung zu tragen", sagte Reding.

Mit dem Ende vergangener Woche vom DoC verkündeten neuen und nach Einschätzung der EU-Kommission leichthändigeren "Project Agreement" komme die US-Regierung expliziten Forderungen von Seiten der EU und anderen Partnern beim Weltgipfel der Informationsgesellschaft im November 2005 nach. Reding hatte anlässlich des Gipfels in Tunis gefordert, Regierungen sollten sich aus dem Tagesgeschäft der Netzverwaltung heraushalten, und später auch kritisiert, dass die US-Regierung sich etwa in Entscheidungen wie die zur Zulassung einer Rotlicht-Adresszone (.xxx) eingemischt habe.

Ganz so optimistisch wie Reding sehen andere Beobachter das "Project Agreement" allerdings nicht. Milton Mueller, Professor an der Universität von Syracuse und Mitbegründer des Internet Governance Project, sagte gegenüber heise online, die Vereinbarung scheine der weit verbreiteten Forderung der Öffentlichkeit nach mehr Unabhängigkeit ICANNs von der US-Regierung nachzukommen. Aber das sei nur Rhetorik. "Tatsächlich hat man dem alten Memorandum of Understanding lediglich neue Kleider verpasst." Mueller, dessen Initiative mit einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne dafür sorgte, dass die US-Verwaltung im Sommer Hunderte von Stellungnahmen in einer Anhörung zum ICANN-Vertrag erhielt, erkennt zwar das Bekenntnis zur vollständigen Privatisierung und zu mehr Transparenz im ICANN-Prozess an, dennoch enthalte das neue Dokument nicht weniger Vorschriften. Mindestens in einem Bereich, nämlich der Politik über Whois-Einträge, seien es mehr geworden.

Die US-Regierung bestehe im entsprechenden Passus auf "raschen, unbeschränkten und öffentlichen Zugang zu korrekten und vollständigen Whois-Informationen" und spezifiziere dabei sogar genau, welcher Datensatz über einen Domaininhaber verzeichnet und öffentlich zugänglich sein soll, erläutert Mueller weiter. "Die US-Regierung mischt sich mittels ihres Vertrags damit weiterhin in ICANNs Geschäft ein." Dass Reding diese Vorschriften unerwähnt lässt, sei verwunderlich, insbesondere da europäische Datenschützer sich immer wieder für Einschränkungen beim Whois-Zugriff eingesetzt hätten. (Monika Ermert) / (anw)