EU-Kommission setzt Expertengruppe zur Funkfrequenz-Vergabe ein

Der Schritt könnte das Pendel im Streit um das 700-MHz-Band, das bisher TV-Sender nutzen, noch etwas mehr in Richtung der Mobilfunknetzbetreiber ausschlagen lassen. Sie möchten den Bereich dringend für sich und damit das mobile Internet haben.

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  • dpa

Eine Expertengruppe soll im Auftrag der EU-Kommission Vorschläge zur Nutzung von Rundfunkfrequenzen erarbeiten, die künftig frei werden. Bis zum Juli solle ein Abschlussbericht vorliegen, kündigte die Brüsseler Behörde an. Die Arbeitsgruppe leitet der ehemalige Chef der Welthandelsorganisation Pascal Lamy. Er erwarte " eine schwierige Diskussionen", sagte er anlässlich der Mitteilung der Kommission.

Die EU-Kommissarin für Digitales, Neelie Kroes, erklärte zur Begründung des Schritts: "Die gegenwärtige Art der Frequenzzuteilung ist den Verbrauchergewohnheiten der Zukunft – die sich durch umfangreiche Nutzung audiovisueller Dienste über Breitband und IPTV auszeichnen werden – nicht gewachsen." Angesichts des rapide wachsenden Datenverkehrs im Internet solle die Zuteilung neuer Frequenzen helfen, Engpässe zu vermeiden.

Die EU-Kommission will gemeinsam mit den europäischen Staaten Leitlinien für die Vergabe der Frequenzen erarbeiten. Die Empfehlungen der Gruppe sollen dabei helfen. Es geht insbesondere um die Nutzung von Frequenzen aus dem UHF-Band von 470 bis 790 MHz. Diese Frequenzen werden in Europa bisher unter anderem für den analogen und digitalen Fernsehempfang genutzt.

Das dürfte ARD und ZDF aufhorchen lassen, denn die Fernsehsender sind bereits gegenüber der in Deutschland ansässigen Telekommunikationsbranche hinsichtlich des 700-MHz-Funkbands in die Defensive geraten. Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), zu dem unter anderem Mobilfunknetzbetreiber gehören, will das Funkspektrum als "zweite digitale Dividende" dem mobilen Internet zuzuschlagen.

Die Betreiber versprechen, dass die neuen Frequenzen reichlich Geschwindigkeitsstegerungen bringen werden und so auch in Randgebieten von aktuellen LTE-Funkzellen bis zu 50 MBit/s liefern können. Mit dem Breitbandausbauplan der Bundesregierung als Argument, drücken sie aufs Gaspedal und fordern eine Umstellung bis spätestens 2017. Freilich beanspruchen die gewinnorientierten Unternehmen das Funkspektrum nicht allein der Bundesregierung zu liebe – breitere Spektren lassen auch größere Einnahmen erwarten.

Die Fernsehsender, die den gesamten Bereich von 474 bis 786 MHz bewirtschaften (Frequenzzuteilung 225 der Bundesnetzagentur aus dem Jahr 2011), wollen hingegen von 2017 an DVB-T2 einführen, die Nachfolgetechnik des terrestrischen Überall-Fernsehens.

In Deutschland hatte sich Andreas Geiss, ein Vertreter der EU-Kommission, bereits Anfang November auf der Konferenz der Deutschen Breitbandinitiative auf die Seite der Mobilfunker geschlagen. Das 700-MHz-Band sei bereits in vielen Ländern weltweit für Breitbandkommunikation in Verwendung und Frankreich, Finnland und Großbritannien hätten sich bereits in diese Richtung bewegt, was eine europäische Rechtsharmonisierung unumgänglich mache. Die Brüsseler spielten daher bereits damals mit dem Gedanken, eine Frist zur Umwidmung der zweiten digitalen Dividende vorzugeben. Die Ernennung der neuen Expertengruppe kann man nun als weitere Weichenstellung in diese Richtung sehen. Für die Fernsehsender scheinen die Chancen zu schwinden, ihr kostenloses TV-Medium zu modernisieren. (dz)