EU-Kommission und Industrie verabschieden Charta "Film Online"

Das Regelwerk soll den kommerziellen Vertrieb von Videos über das Internet befördern, wobei auch die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen und der Einsatz technischer Schutzsysteme eine wichtige Rolle spielen.

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Viviane Reding, die für Informationsgesellschaft und Medien zuständige EU-Kommissarin, hat am Dienstag im Umfeld der Filmfestspiele in Cannes die Charta "Film Online" vorgestellt und formell verabschiedet. Sie wurde von Institutionen und Konzernen der Film- und Medienindustrie wie die BBC, Constantin Film, Time Warner oder Vivendi gemeinsam mit großen Zugangs- und Inhalteanbietern wie der France Telecom unter der Schirmherrschaft Redings entwickelt. Mit dem Strategiepapier wollen die Partner aus Industrie und Politik den kommerziellen Vertrieb von Videos über das Internet befördern. Die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen und der Einsatz technischer Schutzvorkehrungen sollen dabei eine wichtige Rolle spielen.

In der Charta verpflichten sich die Parteien, "alle erdenklichen Anstrengungen zu unternehmen, um die Piraterie zu bekämpfen", heißt es in der 12-seitigen Charta. Als "empfehlenswerte Praktiken" werden dabei Rücktrittsklauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Internetprovidern wie Tiscali in Deutschland aufgeführt. Die Anbieter behalten sich das Recht vor, den Vertrag auszusetzen oder zu beenden, wenn ein Gericht oder eine Behörde die Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums durch den Kunden festgestellt oder dieser anderweitig gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat.

Als beispielhaft angeführt wird der in Frankreich von Providern mit der Datenschutzbehörde praktizierte Aufbau eines abgestuften Reaktionssystems, in dem Netzanbieter bei auffälligem Download-Verhalten Warnhinweise an Kunden verschicken. Endstufe ist auch hier das Kappen der Internetverbindung, wenn sich Nutzer trotzdem weiter geschützte Werke aus Tauschbörsen saugen. Verdammt wird die P2P-Technologie aber nicht: Wie das Beispiel der mit Schwierigkeiten gestarteten Plattform in2movies von Warner Bros. Deutschland und arvato mobile zeige, könne Filesharing auch positive Effekte für die legale Online-Verteilung geschützter Inhalte mit sich bringen.

Lobend erwähnt das Papier ferner die Entscheidung des obersten österreichischen Gerichtshofes, wonach Internet-Diensteanbieter die Namen und Adressen Urheberrechtsverletzern offen legen müssen. Die Industrievertreter begrüßen zudem den Oktober 2005 getroffenen Beschluss der schwedischen Datenschutzbehörde, dem Amt für Pirateriebekämpfung, die Erlaubnis zur Verarbeitung IP-Nummern zu gewähren, damit dieses die Polizei informieren und Verfahren bei besonders schweren Urheberrechtsverletzungen einleiten kann. So könnten die Rechtehalter besser zivilrechtlich gegen Urheberrechtsverletzer vorgehen.

Die Charta hält als Ziel die Förderung von Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) fest, die "sicher, kostengünstig, zuverlässig und vollständig kompatibel sind und im Idealfall auf offenen Standards beruhen sowie auf mehreren Plattformen und Geräten laufen".

Generell sind die Unterzeichner der Charta davon überzeugt, dass Online-Videodienste eine "gewaltige Chance" für eine weitere Verbreitung europäischer Filme bieten und den Breitbandaufbau in Europa stark vorantreiben werden." Ein breites Online-Angebot biete auch Möglichkeiten, die hohen Produktionskosten zu finanzieren.

Kritik an den Absprachen kommt von der europäischen Verbraucherschutzorganisation BEUC: Sie beklagt insbesondere, zum "Runden Tisch" für die Erarbeitung des Dokuments nicht eingeladen worden zu sein und hält eine Reihe der zur Verfolgung von Rechtsverletzern vorgestellten Praktiken für unverhältnismäßig. Ins gleiche Horn stößt die europäische Providervereinigung EuroISPA. Die "Best Practice"-Beispiele sind ihrer Ansicht nach größtenteils noch nicht ausgereift und nur auf einzelne Mitgliedsstaaten anwendbar. Bei der DRM-Klausel vermisst sie zudem eine Festsschreibung, dass die Systeme auch kosteneffektiv und interoperabel sein müssten. Die Zugangsanbieter monieren ferner, dass "Film Online" trotz teilweise falscher Weichenstellungen zugleich Referenzpunkt für die umfassendere Kommissionsinitiative "Content Online" sein soll. (Stefan Krempl) / (anw)