EU-Kommission will zentralisierte Datenbank für Fingerabdrücke

Die Brüsseler Behörde will biometrische Merkmale aus Pässen und im Rahmen der Strafverfolgung gesammelte Fingerabdrücke in einer Superdatei speichern, doch EU-Parlamentarier protestieren gegen die "Big Brother"-Initiative.

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Die EU-Kommission will biometrische Merkmale aus der neuen Generation der Reisepässe und anderweitig im Rahmen der Strafverfolgung und Grenzkontrolle gesammelte Körperdaten in einer übergeordneten Superdatei speichern. Den heftig umstrittenen Plan hat die Brüsseler Behörde in ihrer 25-seitigen jährlichen Strategieplanung für 2008" (PDF-Datei) vergraben. Dort führt sie kurz und knapp im Kapitel "Sicherheit und Freiheit" die "Schaffung einer zentralisierten Datenbank für Fingerabdrücke" als eine der geplanten "Schlüsselaktionen für 2008" auf. Das Vorhaben steht unter dem nahe liegenden Stichpunkt "Kampf gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus".

Erst Mitte Februar hatten sich die Justiz- und Innenminister der EU bei ihrem Ratstreffen in Brüssel auf die Überführung des maßgeblich von Deutschland ausgearbeiteten Vertrags von Prüm (PDF-Datei) in den Rechtsrahmen der Gemeinschaft geeinigt. Das zunächst 2005 von Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Österreich und Spanien getroffene Übereinkommen soll eine vertiefte Phase der grenzüberschreitenden Bekämpfung des Terrorismus, der Kriminalität und der illegalen Migration begründen. Dazu sollen etwa DNA-, Fingerabdruck- und Fahrzeugregisterdaten elektronisch einfacher ausgetauscht und die entsprechenden Datenbanken der Mitgliedsstaaten vernetzt werden können.

Datenschützer und liberale Politiker sahen schon damals das Prümer Übereinkommen sehr skeptisch und warnten vor einer "Superdatenbank" der EU-Sicherheitsbehörden durch den Dateiverbund. Sie beklagten unter anderem, dass der Vertrag einen ungehinderten Datenaustausch der Mitgliedsstaaten mit Drittstaaten wie den USA zulasse. Der EU-Kommission gehen die Pläne trotzdem nicht weit genug. Sie will Nägel mit Köpfen machen und alle handhabbaren Fingerabdruckdaten direkt zentral speichern, um den Ermittlern eine "virtuelle" Zusammenführung der sensiblen Informationen zu ersparen.

Im EU-Parlament stößt das neue Anti-Terrorvorhaben aber auf heftige Proteste. Bei Sarah Ludford etwa, einer britischen Liberalen, sind angesichts des "Euro Big Brother"-Projekts die Alarmglocken angegangen. Die Kommission übernehme sich damit und spiele verantwortungslos EU-Skeptikern in die Arme, beklagte sie gegenüber der britischen Times, die am gestrigen Freitag über die Initiative aus Brüssel berichtete. "Natürlich wollen wir Kriminalität und Terrorismus bekämpfen, aber die individuelle Privatsphäre muss geschützt bleiben", forderte die Baroness. Sie interessiert zunächst angesichts der sich noch im Ankündigungsstatus befindlichen Pläne, wer auf die Datenbank zugreifen können soll und für was die gespeicherten Informationen genutzt werden könnten. Vertretern von britischen Bürgerrechtsorganisationen wie Open Europe oder Liberty zeigten sich ebenfalls besorgt angesichts des Vorhabens.

Ein Sprecher von Justizkommissar Franco Frattini ließ derweil keinen Zweifel daran, dass das Projekt Priorität in Brüssel genießt und "mit Sicherheit verfolgt wird." Es gehe um ein sehr wichtiges, wenn nicht sogar unersetzbares Werkzeug im Kampf gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und Terrorismus. Material für die Mega-Datei zu finden, wird der Kommission nicht schwer fallen. Seit 2003 etwa werden Fingerabdrücke von Asylbewerbern bereits im Eurodac-System gespeichert. Schwerpunktmäßig will Brüssel zudem in den kommenden beiden Jahren am Schengen Informationssystem II (SIS II) arbeiten. Mit dem umstrittenen Ausbau der riesigen Fahndungsdatenbank zur Grenzüberwachung sollen auch biometrische Daten wie Fingerabdrücke und Gesichtsbilder erfasst werden. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft setzt sich zudem für die rasche Einführung des Visa-Informationssystems (VIS) ein, mit dem die Daten von Visumantragstellern einschließlich Fingerabdrücken und Lichtbildern gespeichert und verglichen werden können sollen.

Wie der EU-Rat in der aktuellen Auflage des EU-Aktionsplans zur Terrorismusbekämpfung (PDF-Datei) hinweist, haben ferner inzwischen 18 von 27 Mitgliedsstaaten und drei assoziierte Länder angefangen, biometrische Pässe mit Gesichtsbildern auszugeben. Als Vorreiter bei der Aufnahme auch von Fingerabdrücken in die Ausweisdokumente will sich Deutschland präsentieren. Die britische Regierung plant darüber hinaus, Kindern schon von 11 Jahren an Fingerabdrücke abzunehmen und zu speichern.

Mit dem Thema befasst sich auch der telepolis-Artikel EU plant zentrale Datenbank für Fingerabdrücke.

(Stefan Krempl) / (jo)