EU-Parlament für ein Verbot allgemeiner Überwachung

Mit großer Mehrheit haben sich die Parlamentarier bei der ersten Lesung der Datenschutzrichtlinie den Wünschen des Europarats und des US-Präsidenten Bush widersetzt.

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Von
  • Florian Rötzer

Das europäische Parlament hat gestern in erster Lesung die Änderungen für die von der EU-Kommission vorgeschlagene Richtlinie über die Verarbeitung persönlicher Daten und den Schutz der Privatsphäre im elektronischen Kommunikationssektor gebilligt. Dabei ging es zum einen um Spam und Cookies, zum anderen aber auch um die Speicherung von Verbindungsdaten. Zweck des neuen Gesetzes ist, die EU-Richtlinie 97/66/EC zu ersetzen, die dadurch im Wesentlichen aktualisiert und auf die neuen und künftigen Kommunikationstechniken und -dienste ausgeweitet werden soll.

Nach EU-Recht dürfen Verbindungsdaten bislang nur solange von den Providern gespeichert werden, wie dies für die technische Ausführung der Dienste und die Abrechnung erforderlich ist. Dann müssen sie gelöscht oder anonymisiert werden. Besonders nach den Anschlägen vom 11.9. wird von Sicherheitspolitikern, Geheimdiensten und Strafverfolgern eine längere Speicherung gefordert. Allerdings hatten die für Telekommunikation zuständigen Minister der Mitgliedsländer bereits während eines Treffens im Juni beschlossen, der Richtlinie eine Ergänzung anzufügen, die den Mitgliedsländern die Entscheidung überlassen würde, wie lange Netzbetreiber und Internetprovider die Kommunikationsdaten zum Zwecke der Strafverfolgung speichern müssen. Europäische Strafverfolger hatten im Rahmen von Enfopol gefordert, dass die Kommunikationsdaten aller Bürger über einen Zeitraum von mindestens sieben Jahren gespeichert werden sollen.

Die Abstimmung im Parlament stand auch unter dem Eindruck, dass US-Präsident George W. Bush sich zuvor an den belgischen Premierminister und derzeitigen EU-Präsidenten Guy Verhofstadt und an Romano Prodi, den Präsidenten der EU-Kommission, unter anderem mit der Bitte gewandt hatte, die Datenschutzrichtlinie so zu verändern, dass "die Speicherung von wichtigen Daten über eine angemessene Zeit" zur Strafverfolgung möglich werde.

Die Parlamentarierer ließen sich dadurch aber nicht beeindrucken und billigten mit überwältigender Mehrheit von 339 zu 92 Stimmen die vom Ausschuss für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten eingebrachten Änderungen und Ergänzungen. Die Änderungen haben vor allem das Ziel, das in der Menschenrechts-Charta der EU verankerte Recht auf Privatsphäre und Schutz der Kommunikation schärfer in der Richtlinie zur Geltung zu bringen. Insbesondere wurde noch einmal fixiert, dass Verbindungsdaten nur so lange gespeichert werden dürfen, wie dies zur technischen Durchführung des Dienstes und zur Abrechnung erforderlich ist. Festgehalten wird auch an dem Verbot einer allgemeinen Speicherung von Daten, die gegen die Menschenrechtskonvention der EU verstoße. Abhören und Speicherung der Daten sollen "ganz und gar eine Ausnahme" darstellen und nur auf einer klaren rechtlichen Basis und mit richterlicher Genehmigung erfolgen dürfen. Die Abgeordneten wollen den einzelnen Mitgliedsstaaten zwar eröffnen, Daten länger speichern zu können, wenn dies zum Schutz der nationalen Sicherheit, der Verteidigung, der Prävention oder der Strafverfolgung notwendig ist, aber nur wenn dies "angemessen, verhältnismäßig und unter zeitlicher Begrenzung" erfolgt.

Der Gesetzesentwurf müsste auch vom Ministerrat und von der Kommission gebilligt werden, was allerdings wenig wahrscheinlich ist. Die Kommission hat bereits für Ende November ein EU-Forum über Cyberkriminalität vorbereitet, bei dem über die Speicherung von Verbindungsdaten und die damit zusammenhängenden Probleme diskutiert werden soll.

Mehr in Telepolis: Diskussion über die Speicherung von Verbindungsdaten. (fr)