EU-Patent zur Druckvorlagenerstellung verunsichert Web-to-Print-Branche

Das Düsseldorfer Landgericht hat zwei deutsche Online-Druckereien für schuldig befunden, ein EU-Patent der auf den Bermudas niedergelassenen Firma VistPrint verletzt zu haben -­ eine Nichtigkeitsklage läuft inzwischen.

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Der offensive Einsatz eines EU-Patents zur Erstellung von Druckvorlagen mit Hilfe "computerimplementierter" Methoden durch die Firma VistaPrint Technologies sorgt derzeit in der Web-to-Print-Branche für Aufruhr. Das Landgericht Düsseldorf hat unlängst die beiden deutschen Online-Druckereien Print 24 GmbH und Unitedprint.com der Verletzung des vom Europäischen Patentamt (EPA) unter der Nummer 0852359 verliehenen gewerblichen Schutzrechts für schuldig befunden. Die beiden Unternehmen sind gehalten, die betreffenden patentierten Methoden und Systeme sowie die damit bearbeiteten Daten nicht mehr zu nutzen. Darüber hinaus werden sie zu Schadenersatz für die bereits begangene Patentrechtsverletzung verpflichtet.

Das patentierte Verfahren wird von VistaPrint selbst als Ausgangsbasis für die Einführung eines "durchschlagenden Geschäftsmodells" bezeichnet. Das etwa 1.000 Mitarbeiter beschäftigende Unternehmen mit Stammsitz auf den Bermudas will das Patent und vergleichbare internationale Schutzrechte nur noch als Blockade gegen Wettbewerber nutzen. Es beabsichtigt nach eigenen Angaben, weitere Klagen im Rahmen einer "breit angelegten, beständigen und langwierigen Serie an Patentrechtsprozessen" anzustrengen. "VistaPrint wird sein hart verdientes intellektuelles Eigentum, das von großer strategischer Bedeutung ist, verteidigen", erklärte der Geschäftsführer der Firma, Robert Keane, nach dem gewonnenen Prozess. Eine Lizenzvergabe der patentierten Technologie an Konkurrenten sei nicht geplant. In den USA hat VistaPrint auf Basis vergleichbarer US-Patente bereits mindestens eine weitere Klage mit Unterlassungsaufforderung gegen 123Print und Drawing Board angestrengt.

Das Säbelrasseln mit den Schutzansprüchen kommt in dem betroffenen Wirtschaftszweig nicht gut an. Laut dem Rechtsanwalt Frank Stange von der Kanzlei PKL Keller Spies in Dresden ist daher bereits Nichtigkeitsklage gegen das umstrittene Patent erhoben worden. Das Bundespatentgericht soll damit nun die erhobenen Ansprüche prüfen, wie der Fachdienst beyond print berichtet.

Den europäischen Schutzanspruch hat das EPA zunächst Mitarbeitern der inzwischen offenbar in dieser Form nicht mehr existierenden "Agentur für Handelskommunikation" AdOn in Weiterstadt zugesprochen. Auf welchem Weg das Patent genau in die Hände von VistaPrint gelang, ist derzeit unklar. Die damit erhobenen Ansprüche sind jedenfalls weit gefasst. Das anscheinend noch von seinem ursprünglichen Halter an mehrere Online-Druckereien lizenzierte Patent beschränkt sich nicht auf Lösungen, die über einen Webbrowser funktionieren. Vielmehr wird allgemein von einem "den Netzbedingungen angepassten Anwendergrafikprogramm" gesprochen, das dem Nutzer von einem Server bereitgestellt wird. Johannes Sommer von der Mittelstandsinitiative patentfrei.de vermutet, dass das Schutzrecht so auch Redaktionssysteme abdecken könnte, wie sie in Verlagen eingesetzt werden.

Im Detail bezieht sich der Hauptanspruch auf ein Verfahren, in dem hochaufgelöste Grafiken bereits auf einem Server liegen. In einem weiteren Schritt geht es um die Übertragung von Grafik-Pendants mit niedrigerer Auflösung auf einen Client zum Gestalten des gewünschten Druckauftrags durch den Anwender sowie den späteren Transfer des Gestaltungswunsches zurück auf den Zentralrechner durch eine Parameterdatei. Die Darstellungsmöglichkeiten des zum Einsatz kommenden Grafikprogramms sind dabei auf dem Server hinterlegt. Im Web könnte damit etwa die Bereitstellung einer Flash- oder Java-Applikation, mit der ein Kunde Bilder auswählen und einen Druckauftrag layouten kann, erfasst sein.

Es gibt darüber hinaus noch andere Verfahren, die beispielsweise mit einer reinen Web-Applikation arbeiten und nicht auf eine Parameterdatei setzen. Allerdings sind auch in diesen Bereichen die Patent-Claims anscheinend schon weitgehend abgesteckt. Die deutsche Firma Kinetik verweist etwa darauf, dass ihr iBright-Verfahren für einen weiteren Web-to-Print-Ansatz ebenfalls bereits hierzulande patentgeschützt ist. Darüber hinaus seien in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe anderer Schutzrechte in diesem Sektor an verschiedene Unternehmen gegangen. Abgedeckt würden damit auch Verfahren, die rund um die eigentliche Web-to-Print-Lösung zur Auftragsabwicklung notwendig seien.

Für den Softwarepatent-Gegner Sommer ist der Fall auch ein mahnendes Beispiel dafür, "das man nie sicher sein kann, wie Patente eingesetzt werden". Auch wenn der ursprüngliche Inhaber eines gewerblichen Schutzrechts mit der Anmeldung möglicherweise defensive oder moderate Ziele verfolgte, könne sich dies rasch ändern. Bei dem umkämpften Patent sei die Lage nun besonders krass: Ein Anspruch auf ein "computerimplementiertes Verfahren" werde an eine deutsche Mittelstandsfirma erteilt und werde später an ein großes nichteuropäisches Unternehmen verkauft, das damit einzig Wettbewerber aus dem Markt zu drängen wolle und dazu vor dem Klageweg nicht zurückschrecke. (Stefan Krempl) / (pmz)