EU-Regulierer gegen Big-Tech-Kostenbeteiligung am Netzausbau

Die Kosten für den Internetzugang werden in der Regel von den Kunden der Provider bezahlt, rufen die EU-Regulierungsbehörden den Netzbetreibern ins Gedächtnis.​

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Netzausbau - Glasfaserkabel

(Bild: dpa, Jens Büttner/dpa)

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Die neu aufgelegte Forderung großer europäischer Netzbetreiber sowie des Branchenverbands Etno, dass US-Plattformen wie Amazon, Apple, Google, Meta, Microsoft und Netflix Geld für den Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur zahlen sollen, ist nach wie vor ungerechtfertigt. Dies hat das Gremium Europäischer Regulierungsstellen für elektronische Kommunikation (Gerek) in einer ersten Stellungnahme zu der wieder aufgeflammten Debatte über eine solche Abgabe klargestellt. Zu den Unternehmen, die das einfordern, zählen die Deutsche Telekom, Orange, Telefónica und Vodafone.

Die Erfahrung des auch als Berec (Body of European Regulators for Electronic Communications) bekannten Gremiums zeigt laut dem jetzt veröffentlichten Standpunkt: Das Internet habe seine Fähigkeit unter Beweis gestellt, "mit dem zunehmenden Verkehrsaufkommen, den Veränderungen in den Nachfragemustern, der Technologie, den Geschäftsmodellen und der (relativen) Marktmacht der Marktteilnehmer fertig zu werden".

Diese Entwicklungen spiegeln sich laut dem Regulierungsstellen-Gremium in den Peering-Mechanismen zum Austausch von Datenverkehr zwischen einzelnen Providern wider, "die sich ohne regulatorische Eingriffe entwickelt haben". Die Fähigkeit des Internets, sich selbst anzupassen, "war und ist entscheidend für seinen Erfolg und seine Innovationsfähigkeit". Dies habe sich über längere Zeiträume hinweg bestätigt.

Die Regulierungsbehörden, zu denen die Bundesnetzagentur gehört, stellen in ihrer Einschätzung zunächst leicht irritiert fest, dass die aktuellen Verlangen der großen Telcos "nicht ganz neu sind". Schon 2012 habe der Etno auf der Weltkonferenz für internationale Telekommunikation 2012 (WCIT) den Gebührenmechanismus "Sending Party Network Pays" vorgeschlagen. Inhalteanbieter sollen demnach für den von ihnen verursachten Online-Verkehr zur Kasse gebeten werden, nicht die Empfänger der Datenpakete.

Damals lehnte das Gerek dieses Ansinnen entschieden ab. Es kam zum Schluss, dass ein Abweichen von den derzeitigen Grundsätzen "dem Internet-Ökosystem erheblichen Schaden zufügen könnte". Es sei zu befürchten, dass die Zugangsanbieter zum Internet ihr Zustellungsmonopol in ähnlicher Weise ausnutzen könnten wie die frühere Alleinherrschaft im Bereich traditioneller Telefonie. Die Auseinandersetzung zwischen Comcast und Netflix in den USA habe ferner gezeigt, dass Zahlungsstreitigkeiten zwischen Zugangs- und Inhalteanbietern "zu einem Verlust der Verbindungsqualität führen können".

Mittlerweile führt der Etno auf Basis französischer Statistiken ins Feld, dass dort 51 Prozent des bei den Endkunden ankommenden Datenverkehrs auf die US-Konzerne Netflix, Google, Akamai, Facebook und Amazon zurückzuführen sind. Die Regulierer sind aber der Ansicht, dass die zugrunde liegenden Annahmen rund um die Gebührenregelung damit "nicht geändert werden und dass das Fazit von 2012 weiterhin gültig ist".

Die Nachfrage der Endkunden nach Inhalten treibe das Verlangen nach Breitbandzugängen, führt das Gerek aus. Die Verfügbarkeit von Hochgeschwindigkeitsanschlüssen treibe wiederum die Nachfrage nach Content. "Es gibt keine Anzeichen für Trittbrettfahrerei", betonen die Regulierer daher. Die Kosten für den Internetzugang würden in der Regel von den Kunden der Zugangsanbieter "getragen und bezahlt".

Das Gremium verweist zudem darauf, dass nicht alle europäischen Provider den Ruf der etablierten Telcos unterstützen. Vor allem kleinere und mittlere Netzbetreiber, die ebenfalls aktiv vorwiegend in Glasfaserleitungen investierten, hätten Bedenken geäußert. Ihnen zufolge stehe genügend Kapital für Investitionen in moderne Netze zur Verfügung. Ferner gebe es die Befürchtung, dass eine direkte Zahlung von Big-Tech-Konzernen an die großen Telcos die Netzneutralität gefährden und zu einer Wettbewerbsverzerrung führen könnte.

Zunächst sollte eine "weitere und umfassendere Analyse anderer Ansätze im Zusammenhang mit der Debatte durchgeführt werden", mahnt das Gerek. Es böte sich etwa an, die Praktiken der großen Inhalteanbieter zu untersuchen, "um ihre Auswirkungen auf das Internet-Ökosystem und die Gesellschaft sowie ihre diesbezügliche Rechenschaftspflicht zu berücksichtigen". Etno kritisierte, die Gerek-Einschätzung beruhe nicht auf den neuesten Daten und berücksichtige Entwicklungen wie das Metaverse nicht.

Die für Digitales zuständige EU-Kommissionsvizepräsidentin Margrete Vestager und Binnenmarktkommissar Thierry Breton sprachen sich bereits wiederholt für eine "faire Beteiligung" von Big Tech aus, während das EU-Parlament skeptisch ist. Breton hatte einen Vorschlag für ein "Konnektivitätsinfrastrukturgesetz" ursprünglich schon für den Herbst angekündigt. Nun soll der Entwurf im 1. Quartal 2023 spruchreif sein. Vorher ist eine öffentliche Konsultation geplant.

(mki)