EU-Sanktionen gegen Russland: Atomkraft bleibt weiterhin außen vor

Die EU hat dieser Tage ihr zehntes Sanktionspaket gegen Russland bekannt gegeben. Die russische Atomwirtschaft bleibt weiter außen vor.

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Rosatom soll in Ungarn am Standort "Paks II" zwei neue Reaktoren vom Typ WWER-1200 bauen.

(Bild: Rosatom)

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Auch das jüngste und zehnte Sanktionspaket der EU gegen Russland enthält keine Beschränkungen für die russische Atomwirtschaft. Damit sind der EU-Rat und die EU-Kommission nicht der Aufforderung des EU-Parlaments von Anfang dieses Monats nachgekommen, Sanktionen auch gegen russische Unternehmen wie Rosatom zu verhängen, die weiterhin auf dem europäischen Markt aktiv sind.

Das zehnte Sanktionspaket sieht Ausfuhrverbote für "kritische Technologie" und "kritische Industriegüter" vor. Das sind beispielsweise Elektronik, Spezialfahrzeuge, Maschinenteile, Ersatzteile für Lastwagen und Triebwerke sowie Güter für den Bausektor, die vom russischen Militär eingesetzt werden könnten wie Antennen oder Krane. Die Einfuhr von Öl, Kohle und Gas aus Russland wurde in früheren Paketen bereits mit Sanktionen belegt oder eingeschränkt.

Die EU-Kommission habe Pläne für die Sanktionierung der russischen Atomwirtschaft aufgegeben, berichtete Mitte dieses Monats die US-Zeitung Politico. Um ein Veto aus Ungarn gegen derartige Sanktionen zu vermeiden, habe die Kommission überlegt, einzelne Rosatom-Mitarbeiter auf die Sanktionsliste zu setzen, diesen Plan schließlich auch nicht weiter verfolgt. Ungarns Premierminister Viktor Orban hatte diesen Monat im ungarischen Rundfunk gesagt, ein Embargo Russlands auf diesem Sektor sei für ihn indiskutabel. Neben Ungarn hat sich in der Vergangenheit auch Frankreich gegen Nuklear-Sanktionen ausgesprochen.

"Rosatom beaufsichtigt das russische Atomwaffenprogramm und verkauft weltweit Kernbrennstoffe und -dienstleistungen, auch in viele europäische Länder, von Ungarn bis Frankreich", heißt es in einer Reaktion der Umweltschutzorganisation Greenpeace auf das zehnte Sanktionspaket. Dessen Atomenergie-Experte Paul-Marie Manière wies darauf hin, dass allein der französische Energiekonzern EDF voriges Jahr mindestens 345 Millionen Euro an den russischen Staatskonzern Rosatom und damit in die russische Staatskasse gezahlt habe. Die Anti-Atominitiative "Ausgestrahlt" wies im Dezember 2022 darauf hin, dass die Brennelementefabrik im emsländischen Lingen, die vom französischen Konzern Framatome betrieben wird, weiterhin mit Uran aus Russland beliefert werde.

Das Bundesumweltministerium hatte zu diesem Thema heise online im Januar 2022 mitgeteilt, es sei weiterhin grundsätzlich der Auffassung, "dass unser Atomausstieg nicht mit der Produktion von Brennstoff und Brennelementen für Atomanlagen im Ausland vereinbar ist". Das Ministerium prüfe unter Einbeziehung anderer betroffener Ressorts das weitere Vorgehen im Lichte des Koalitionsvertrags.

In dem ist lediglich festgehalten, dass die Koalitionäre SPD, Grüne und FDP am deutschen Atomausstieg festhalten. Im November vorigen Jahres sagte Bundesumweltumweltministerin Steffi Lemke in einer Debatte über das Atomgesetz: "Wir sehen mit Bedauern, wie unsere osteuropäischen Nachbarn versuchen müssen, sich dem Klammergriff von Rosatom zu entwinden." Es gebe Gründe, dass die nukleare Versorgung immer noch nicht vom europäischen Sanktionsregime erfasst sei. Welche das genau sind, sagte sie in der Debatte nicht.

"Über seine Beteiligungen an Uranminen in Kanada, den USA und vor allem Kasachstan ist Rosatom der zweitgrößte Uranproduzent der Welt", erläuterte Angela Wolff, Referentin für Atom- und Energiepolitik beim BUND im April 2022. Mit 7122 Tonnen habe das Unternehmen einen Anteil von rund 15 Prozent an der globalen Förderung. 18 Reaktoren in der EU könnten nur mit sechseckigen russischen Brennelementen betrieben werden. Bei der Herstellung von angereichertem Uran, das für den Betrieb von Atomkraftwerken benötigt wird, sei die Abhängigkeit noch größer, über ein Drittel des weltweiten Bedarfs kämen von Rosatom.

(anw)