EU einigt sich auf Sanktionen bei Einschränkung der Rechtsstaatlichkeit

Künftig können EU-Mittel gekürzt werden, wenn in einem Staat beispielsweise die Unabhängigkeit der Justiz nicht garantiert ist. Polen kritisiert die Einigung.

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(Bild: ec.europa.eu)

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  • dpa

Vertreter von EU-Staaten und Parlament konnten sich auf einen Mechanismus einigen, um Brüche der Rechtsstaatlichkeit einzelner Mitglieder zu sanktionieren. Polen und Ungarn hatten zuvor Widerstand bekundet und drohten den langfristigen EU-Haushalt und das geplante Corona-Hilfspaket zu blockieren.

In einer ersten Stellungnahme bezeichnete Polens Vize-Justizminister Sebastian Kaleta die Einigung als "Bruch der EU-Verträge" und "totale Missachtung" der Rechtsstaatlichkeit. Botschafter Michael Clauß, Sprecher der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, verteidigte die neue Regelung hingegen: "Der neue Konditionalitätsmechanismus wird den Schutz des EU-Haushalts stärken, wenn Verstöße gegen rechtsstaatliche Grundsätze zu einem Missbrauch von EU-Mitteln führen".

Ende September sprach sich eine Mehrheit der EU-Staaten für Verhandlungen über einen Rechtsstaatsmechanismus aus, trotz des Widerstands aus Warschau und Budapest. Die Abgeordneten des EU-Parlaments konnten sich sogar mit ihren Forderungen durchsetzen, den Bestrafungsmechanismus schneller anzuwenden. Ursprünglich sollte dieser nur greifen, wenn Eingriffe in die Rechtsstaatlichkeit direkten Einfluss auf finanzielle Interessen der EU haben und dies auch nachweisbar ist. Die nun getroffene Einigung sieht vor, dass es ausreicht, wenn die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz den Missbrauch von EU-Mitteln nur ermöglicht.

Auf der anderen Seite konnten sich die Regierungen beim Entscheidungsverfahren gegenüber dem Parlament durchsetzen. Hierfür ist eine qualifizierte Mehrheit der EU-Staaten nötig. Somit müssen mindestens 15 Länder, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung ausmachen, der Anwendung zustimmen. Parlamentsvertreter waren dennoch zufrieden mit der Einigung: Monika Hohlmeier, Abgeordnete der CSU im Europaparlament, bezeichnete sie als "historischen Durchbruch zugunsten der Rechtsstaatlichkeit im EU-Haushalt". Eine abschließende Bestätigung des Mechanismus durch das EU-Parlament und den Rat der Regierungen gilt als Formsache.

Mit Blick auf die Ereignisse nach der Wahl in den USA, bezeichnete Achim Post, stellvertretender Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, die Einigung auf den Rechtsstaatsmechanismus als wichtiges Zeichen: "Das Signal, dass Parlament und Rat mit der Einigung heute aussenden, kommt zur richtigen Zeit."

Der neue Mechanismus scheint notwendig, da die bisherigen Möglichkeiten der EU gegenüber Ungarn und Polen erschöpft sind. Gegen beide Staaten laufen derzeit sogenannte Artikel-7-Verfahren, die im äußersten Fall den Entzug des Stimmrechts nach sich ziehen können. Da hierbei jedoch hohe Abstimmungshürden bestehen, haben diese Verfahren bislang zu keiner Änderung in Polen oder Ungarn geführt. (cbo)