EZB: Nullzinspolitik und Geldschwemme bleiben

Mario Draghi während der EZB-Pressekonferenz am Donnerstag. Bild: Europäische Zentralbank

Der Wert des Euro steigt, doch die USA wollen sich, auch wegen hoher europäischer Leistungsbilanzüberschüsse, im Handelskrieg in Stellung bringen

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In Frankfurt ist von Zinsnormalisierung und einem Ende der Geldschwemme weiter keine Spur, wie zuletzt vermutet worden war. Anders als in den USA, wo die Notenbank (FED) im Dezember die Leitzinsen weiter angehoben hat, hält die Europäische Zentralbank (EZB) an der Nullzinspolitik fest. Auch an den Negativzinsen für Einlagen bei der Zentralbank soll sich nichts ändern.

Und das gilt ebenso für die umstrittenen Anleihekäufe. Mindestens bis Ende September sollen weiter monatlich weiter Anleihen im Umfang von 30 Milliarden Euro angekauft werden und "erforderlichenfalls darüber hinaus" heißt es in der Presseerklärung. Die Ankäufe sollen so lange erfolgen, "bis der EZB-Rat eine nachhaltige Korrektur der Inflationsentwicklung erkennt, die mit seinem Inflationsziel im Einklang steht." Dabei ist man mit 1,4% im Dezember und 1,5% im November nicht sonderlich weit von dem Ziel entfernt.

Und weil man sich mittlerweile an die Notfallmaßnahme in Frankfurt gewöhnt hat, wird sogar erklärt: "Sollte sich der Ausblick eintrüben oder sollten die Finanzierungsbedingungen nicht mehr mit einem weiteren Fortschritt hin zu einer nachhaltigen Korrektur der Inflationsentwicklung im Einklang stehen, so ist der EZB-Rat bereit, das Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme – APP) im Hinblick auf Umfang und/oder Dauer auszuweiten."

Dabei ist die Gesamtsumme der Anleihekäufe, die gegen alle ursprünglichen Ankündigungen immer wieder verlängert wurden, schon zum Jahreswechsel auf 2,3 Billionen Euro angewachsen. Es werden also bis September mindestens auf 2,5 Billionen werden, Ausgang ungewiss. Dass die EZB im September die Notenpressen wirklich abstellt, darf auch angesichts der Aussagen von Draghi am Donnerstag bezweifelt werden.

Klar ist, dass sich mittelfristig an der Geldpolitik nichts ändern wird und die Sparer über die Nullzinsen langsam weiter enteignet werden. Auf der Pressekonferenz nach der Sitzung des EZB-Rats erklärte Draghi. "Auf Basis der heutigen Daten und Analysen sehe ich sehr wenige Chancen, dass die Zinsen in diesem Jahr steigen könnten."

Die Spekulationen darüber, dass die EZB im Herbst die Geldschwemme beenden könnte, basierten auf einem Missverständnis. Das Protokoll der letzten Sitzung sei falsch interpretiert worden, meinte Draghi. Man habe bisher nicht einmal eine Diskussion darüber geführt, wie das Kaufprogramm beendet werden könne. "Abrupt" werde das Programm jedenfalls nicht gestoppt, "wenn es nach mir geht", erklärte Draghi. Ob es in seiner Amtszeit, die im Oktober 2019 endet, überhaut zum Ende der extrem lockeren Geldpolitik kommt, ist fraglich.

Der Leistungsbilanzüberschuss der EU und vor allem Deutschlands wächst weiter

Mit Sorge beobachtet die EZB, dass sich der Euro zuletzt weiter aufgewertet hat. Während der Draghi-Rede stieg er deutlich über die Marke von 1,25 Dollar und notierte zeitweise so hoch wie seit Mitte Dezember 2014 nicht mehr. "Die derzeitige Wechselkursvolatilität stellt eine Unsicherheitsquelle dar, die eine genaue Beobachtung erfordert", sagte der EZB-Chef. Der relativ starke Euro wirkt sich negativ auf die Exporte aus dem Euroraum in andere Währungsräume aus.

Auch wenn Draghi es nie zugegeben hat, ist ein Teil seiner Geldpolitik gerade darauf angelegt, den Euro zu schwächen. Um die lange lahmende Wirtschaft im Euroraum anzukurbeln, stieg die EZB vor fünf Jahren tief in einen kalten Währungskrieg ein.

Nur wird immer weniger verständlich, dass man weiter versucht, den Euro über die Geldpolitik zu schwächen, wenn man die Rezession längst hinter sich gelassen hat, das Wachstum stabil ist und im zurückliegenden Jahr bei etwa 2,6% im Euroraum lag. Dazu kommt, dass der Leistungsbilanzüberschuss weiter wächst. Die Leistungsbilanz umfasst neben dem Warenhandel auch Dienstleistungen wie Tourismus sowie Erwerbs- und Vermögenseinkommen, z.B. aus Zinsen. Der Überschuss wächst und wächst sowohl in der EU der 28 Mitgliedsländer, aber besonders im Euroraum, wie Eurostat deutlich macht.

Interessanterweise weist Eurostat nur den Saldo zwischen EU28 und Euroraum getrennt aus. Klar ist aber, dass der Überschuss der EU28 nun im dritten Quartal 2017 auf 69,4 Milliarden Euro angewachsen ist. Im Vorquartal waren es knapp 42 Milliarden. Allein im Verhältnis zur USA wurde zuletzt ein Überschuss von 46,3 Milliarden erreicht.

Deutschland, das besonders viele Waren und Dienstleistungen exportiert, ist für dieses gefährliche Ungleichgewicht besonders mit einem Überschuss zuletzt von 62,8 Milliarden verantwortlich. Deutschland destabilisiert das Finanz- und Wirtschaftssystem mit den sehr hohen Überschüssen ganz besonders stark. So ist es nicht einmal unverständlich, wenn die Töne aus den USA angesichts der Kontinuität der EZB-Geldpolitik rauer werden. Obwohl der Euro gegenüber dem Dollar seit dem Amtsantritt von US-Präsident Trump fast um 20% zugelegt hat, ändert sich an den Überschüssen wenig.

Draghi macht dagegen für die Abwertung des Dollars verantwortlich, dass US-Finanzminister Steve Mnuchin gerade eine Binsenweisheit ausgesprochen hat, nämlich dass ein "schwächerer Dollar gut für uns" sei, also gut für den US-Außenhandel. Die Bemerkung stünde im Widerspruch zu der Vereinbarung, Währungen hoch‑ oder herunterzureden, sagte Draghi.

Wie allerdings eine Aussage von Mnuchin gestern für die Abwertungen seit einem Jahr verantwortlich sein soll, bleibt sein Geheimnis. Und das gilt genauso für die Aussage von Handelsminister Wilbur Ross. Denn der sprang mit der Aussage bei, dass "es Handelskriege immer gegeben" habe. Der Unterschied jetzt sei aber, dass "nun die US-Truppen in Stellung gehen".