Eco-Kongress: Mit Gigabits zum Patchwork-Netz

Besonders die im Aufbau befindlichen Glasfasernetze bergen nach den Erwartungen der IT-Branche großes Potenzial, die genaue technische und regulatorische Umsetzung ist aber noch in der Schwebe.

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Von
  • Torsten Kleinz

Der Breitband-Hunger steigt rapide – doch wie kann er in Zukunft befriedigt werden? Die künftige Netzinfrastruktur ist Thema des derzeit in Köln stattfindenden Kongresses des Verbands der deutschen Internetwirtschaft (eco). Besonders die im Aufbau befindlichen Glasfasernetze bergen nach den Erwartungen der Branche hohes Potenzial, die genaue technische und regulatorische Umsetzung ist aber noch in der Schwebe.

Auf der Konferenz wurden die ersten Ergebnisse einer Studie zur Internetwirtschaft vorgestellt, die die Unternehmensberatung Arthur D. Little im Auftrag des eco erstellt. Demnach hat die Branche in Deutschland 250.000 bis 300.000 Beschäftigte und erwirtschaftet pro Jahr Einnahmen um die 35 Milliarden Euro. Die Branche beurteilt die aktuelle Entwicklung fast durchweg positiv. Ausnahme sind alleine die Festnetz-Betreiber, die eher negative Erwartungen an die Zukunft haben.

Einen Ausblick auf die gewaltigen Umwälzungen bei den Zugangsanbietern in den nächsten Jahren bot Vodafone-Manager Josef Schäfer. Nach den Statistiken des Unternehmens wächst der Bandbreiten-Verbrauch der deutschen Kunden jedes Jahr um 50 Prozent. "Dieses Wachstum ist auf Dauer nicht mit ADSL2 oder VDSL zu befriedigen". So gebe es heute schon Privatkunden-Angebote mit einer Bandbreite von 100 Megabit pro Sekunde. Nach Schäfers Überzeugung ist das nicht das Ende der Fahnenstange: Schon in wenigen Jahren sollen Anschlüsse mit der Bandbreite von einem Gigabit pro Sekunde bereitstehen. In Japan und Südkorea seien schon entsprechende Produkte für Ende 2011 beziehungsweise 2012 angekündigt. "Die Frage ist nicht: Wie viel Bandbreite braucht der Mensch?, sondern: Was kauft der Kunde?", sagt Schäfer. An möglichen Anwendungen bestehe kein Mangel: So würden bereits die kommenden Olympischen Spiele 2012 teilweise in einer Auflösung von 4320 × 7680 Bildpunkten übertragen.

Die Infrastruktur für solche Datenmengen ist nach Schäfers Auffassung klar: Glasfaser. Wie das konkret aussieht, können sich die Teilnehmer am Kongress-Ort ansehen: In Köln baut der Lokal-Provider Netcologne sein eigenes Glasfaser-Netzwerk rapide aus – an zahlreichen Stellen sind Straßen und Bürgersteige aufgerissen, um die Kabel zu verlegen. Die damit verbundenen Kosten sind hoch: "Wir werden in Köln deshalb nicht ein eigenes Glasfaser-Netz aufbauen können", erklärte Schäfer. Stattdessen baut Vodafone darauf, die derzeit entstehende Infrastruktur mitnutzen zu können. Derzeit entstehen nach Zählung Schäfers in 56 deutschen Städten solche Glasfaser-Netze, weitere Gemeinden planten, eigene Kabel zu verlegen. Das Ergebnis sei ein Patchwork-Netzwerk mit einer Vielzahl unterschiedlicher Betreiber. Der Vodafone-Manager glaubt, dass in wenigen Jahren sämtliche deutschen Haushalte mit einer Glasfaser angebunden werden. Gleichzeitig sieht er eine wachsende Konkurrenz durch die Internet-Angebote der Kabel-TV-Anbieter.

Wie die Zusammenarbeit zwischen Provider und Infrastrukturbetreiber aussehen kann, erforscht Vodafone derzeit in mehreren Pilotprojekten. "In den herkömmlichen Multifunktionsgehäusen ist für mindestens einen weiteren Anbieter Platz", erklärte Schäfer. Bei der moderneren Nebenbauweise gebe es überhaupt keine Platzprobleme: Die aktive Technik für 96 VDSL-Ports benötige gerade einmal eine Höheneinheit. Kniffliger ist die technische Umsetzung der Zusammenarbeit zwischen den Providern und den Infrastruktur-Betreibern. Laut Schäfer arbeiten die Unternehmen an einer einheitlichen Schnittstelle, die auf der OSI-Schicht 2 angesiedelt sein soll.

Die anwesende Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur Iris Henseler-Unger zeigte sich weniger optimistisch: "Die Euphorie, die Herr Schäfer für die augenblickliche Situation hat, kann ich nicht nachvollziehen." Die Behörde habe bisher keine Kenntnis von praktikablen Lösungen des Marktes. Zwar hatten die Marktteilnehmer nach der Bitstrom-Grundsatzentscheidung Gespräche begonnen, praktikable technische Lösungen seien ihr aber nicht bekannt. Auch kleinere Provider sehen die Entwicklungen weniger rosig. So warf Richard Gresek, Vorstand des Geschäftskunden-Providers Plusline ein: "Wir können es uns nicht leisten, jede kleine Insellösung gesondert anzusprechen." Branchenschwergewichte wie Vodafone oder die Deutsche Telekom hätten es da einfacher. Auch der Vodafone-Manager sieht noch Probleme: So wollten einige Stadtnetz-Betreiber auch die aktive Technik stellen – für landesweit agierende Provider ein unüberwindliches Hindernis: "Wenn der Anschluss ausfällt – wen sollen wir dann hinschicken?", erklärte Schäfer. Auch könnten die Stadtwerke mit viel höheren Abschreibungszeiträumen kalkulieren als Telekommunikationsfirmen. "Ohne eine gewisse Förderung lässt sich ein Investment von uns nicht darstellen", so Schäfer – die öffentliche Hand soll den Telekommunikationsfirmen beim Infrastrukturaufbau unter die Arme greifen. Als positives Beispiel verwies Schäfer auf eine Vorschrift in Baden-Württemberg, bei sämtlichen öffentlichen Tiefbaumaßnahmen Leerrohre für künftige Datenverbindungen zu verlegen.

Schäfer warnte davor, an den neuen Markt für mobilen Datenverkehr die gleichen Maßstäbe anzuwenden wie beim kabelgebundenen Internetverkehr. So seien die mobilen Datenprodukte traditionell um den Faktor 10 bis 25 langsamer als kabelgebundene Angebote. Für eine Übergangszeit könnten die weißen Flecken der Breitbandversorgung durch Funklösungen geschlossen werden, am Ende müsse aber jeder Haushalt mit Glasfasern erreicht werden.

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(Torsten Kleinz) / (jk)