Ein Sturm zieht auf: Interview mit Unwetter-Fotograf Peter Zéglis

Peter Zéglis will die Wut der Natur festhalten: Aufziehende Stürme, vom Wind zerzaustes Land und harte Landschaftskontraste. Im Interview erzählt er, was er mit seinen Bildern zeigen will.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Kristin Haug

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Peter Zéglis reist ans Ende der Welt, radelt durch fremde Städte, quatscht mit Einheimischen und hört Musik beim Fotografieren. Der griechische Fotograf will die Wut der Natur festhalten: Aufziehende Stürme, vom Wind zerzaustes Land und harte Landschaftskontraste. Mit seen.by hat er über seine Fotografie gesprochen.

Herr Zéglis, mögen Sie Fantasyfilme?

Zéglis: Nicht wirklich. Ich mag eher realistische Filme, Thriller, ein bisschen Fiktion.

Unwetter-Fotograf Peter Zéglis (8 Bilder)

Minimal Complexity

Japan Honshu (Bild: Peter Zéglis)

Die Orte, die Sie fotografieren sehen aus als entstammten sie Fantasyfilmen. Wie setzen Sie die Bilder in Szene?

Zéglis: Am liebsten fotografiere ich, wenn es wolkig oder dunstig ist und ein Sturm aufzieht. Dann wird die Welt in ein diffuses, besonderes Licht gehüllt. Sie erscheint mir dann so unglaublich ruhig und macht mich ehrfürchtig. Landschaften ohne Menschen kommen mir wie geschützte Systeme vor, vollkommen harmonisch. Wenn ich irgendwo hin fahre, um zu fotografieren, muss ich Teil der Landschaft werden. Ich will dort viel Zeit verbringen und den Ort kennenlernen. Und ich höre Musik dabei, das ist ein Ritual.

Welche Musik hören Sie?

Zéglis: Sigur Rós, Hol Baumann oder Porcupine Tree. Mit der Musik im Ohr kann ich mich auf die Elemente konzentrieren, die einen Ort einzigartig machen.

Peter Zéglis ist Unwetter-Fotograf. Er zieht am liebsten mit seiner Kamera los, wenn es wolkig oder dunstig ist und ein Sturm aufzieht

(Bild: seen.by)

Auf einem Ihrer Bilder zeigen Sie dunkle, scharfe Felsen umhüllt von einem weißen Dunst der Wellen.

Zéglis: Ein starker Kontrast. Dieses Bild habe ich an einem kalten Nachmittag im Oktober vor zwei Jahren im Westen von Island gemacht. Der Wind war sehr stark und ich war schon komplett durchnässt von der Feuchtigkeit, die die Wellen auf's Land trieben. Ich stand auf einem Felsen und versuchte mein Stativ zu balancieren. Eigentlich wollte ich mehr Zeit dort verbringen, aber es war zu gefährlich. Ich hatte Angst ins Wasser zu fallen und meine Ausrüstung zu beschädigen.

Sie fotografieren Berghänge, an denen sich Wasserläufe herunter schlängen, eisblaue Meeresarme, die in düstere Mondlandschaften vordringen und Wälder, die sich aus schlanken hohen Bäumen zusammensetzen. Wie finden Sie diese Orte?

Zéglis: Ich reise viel und versuche dabei immer Zeit mit Leuten zu verbringen, die dort wohnen. Sie kennen die tollsten Orte. Ich fahre auch viel mit dem Fahrrad herum. Wenn ich also in einer Stadt oder Region bin, halte ich immer Ausschau nach besonderen Plätzen. Viele von ihnen besuche ich mehrmals. Auf diese Weise werden sie für mich zu guten alten Bekannten.

Ihren Bildern merkt man an, dass Sie sich der Schönheit der Natur bewusst sind. Wie sollten Menschen mit dem Planeten umgehen?

Zéglis: Mh, schwierige Frage … Ich glaube, man muss einfach ein gewisses Bewusstsein für die Natur entwickeln und sie respektieren. Darauf kommt es letztlich an. Dummerweise hängen viele Menschen in städtischen Dschungeln fest und erleben die Natur überhaupt nicht mehr. Wir können uns zwar Fotos anschauen, in Parks spazieren gehen oder Aquarien besuchen, aber dabei erleben wir die Natur nicht wirklich, wir fühlen dabei nicht mehr ihre Macht. Nur wenn wir uns unserer Unterlegenheit bewusst sind, können wir den nötigen Respekt für die Natur aufbringen.

Snæfellsnes, Island

(Bild: Peter Zéglis)

Respektieren die Menschen die Welt nicht genug?

Zéglis: Die schlimmen Dinge, die es auf der Welt gibt, sind alle vom Menschen gemacht. Ich denke an Nagasaki oder Chernobyl. Das sind fürchterliche Orte, aber es ist der Mensch, der sie zu dem gemacht hat, was sie heute sind.

Die Menschen in Ihren Fotografien sind nur kleine Punkte oder sie verschwimmen. Warum keine Gesichter?

Zéglis: Ich will zeigen, wie Dinge und Orte zueinander in Beziehung stehen. Ich fotografiere zwar Menschen. Aber ich möchte, dass sie anonym bleiben. Außerdem dienen sie mir als Maßstab. An ihnen kann man sehen, wie groß andere Objekte in dem Bild sind.

Was wollten Sie mit Ihren Bildern zeigen?

Zéglis: Mir geht es nicht um die konventionelle Idee von Schönheit, sondern eher um die anziehende Kraft und Überlegenheit der Natur: Wetterumbrüche, vom Wind zerzaustes Land, ferne Orte. Ich nehme sie alle so auf, wie ich das will. Für mich ist es notwendig, dass ich sie so fotografiere, wie ich sie wahrnehme. Ich versuche, die Beziehungen zwischen ihnen zu finden oder vielleicht auch eher Widersprüchliches.

Haben Fotografen eine Pflicht zu erfüllen?

Zéglis: Fotografen haben niemandem gegenüber Pflichten zu erfüllen. Künstler machen Kunst nur, weil sie das Bedürfnis dazu haben. Vielleicht hört es sich zu egoistisch an, aber ich glaube, wenn man einmal damit anfängt, sich zu überlegen, was andere von einem erwarten, dann bauen sich Mauern um einen herum und man wird in Normen gezwängt.

Das Interview führte Kristin Haug für seen.by im Juni 2013 (ssi)