Ein Video-Kracher und viel innovatives Glas – die Fotonews der Woche 23/2024

Panasonic macht mit der GH7 offenbar alles richtig, von Tamron und Canon gibt es neuartige Objektive – und Adobe verärgert seine Kunden so richtig.

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Tamrons neues 50-300 gibt es bisher nur für Sonys Alphas.

(Bild: Tamron)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Nico Ernst
Inhaltsverzeichnis

Sommerzeit ist Fotozeit. Und einmal mehr möchten die Hersteller von Lichtbildwerkzeugen einen Teil der Urlaubskasse abhaben. Selten gab es so viele interessante Neuvorstellungen in einer Woche wie in der vergangenen. Daher muss unsere Kolumne diesmal garantiert daran scheitern, wirklich alle relevanten Nachrichten gut einzuordnen. Aber ein bisschen sortieren lassen sie sich.

c't Fotografie 3/24

Ganz ohne nicht gekennzeichnete Stock-Fotos wie in der letzten Woche kam Panasonic bei der Lumix GH7 aus. Kein Wunder: Die vorwiegend auf Video ausgelegte Kamera bringt so viele Funktionen aus dem Profilager mit, dass man heute alltägliches wie KI-Autofokus gar nicht groß betonen muss. Daher ist es auch berechtigt zu sagen, dass sie "nur" 2.200 Euro kostet, denn dafür gibt es unter anderem 5,7K-Video bei 30 fps, aber auch Ungewöhnliches wie 4K-Video mit 120 fps. Und wie Panasonic es geschafft hat, jenseits des Red/Nikon-Patents für die Aufzeichnung von Raw-Video dieses dennoch in der Kamera anzubieten, wird noch für viel Gesprächsstoff sorgen.

Die GH7 kann tatsächlich ProRes Raw HQ mit 4:2:2-Farbabtastung an zwei Karten (CFExpress und SD) schicken, und dabei gleich Proxy-Dateien erstellen. Den professionellen Anspruch unterstreichen auch eine zweite Aufnahmetaste an der Front sowie das berühmte rote Licht ebenda. Es scheint trivial, doch der Blick quer durch den Raum mit der Frage "läuft das Ding noch?" kommt auch bei Profis immer mal vor. Laufen kann die GH7, bis der Akku leer ist, denn sie wird per Lüfter gekühlt. Nach ersten Tests mit Vorserienmodellen macht sie das auch unter harten Bedingungen nur rund eine Stunde, für lange Streams muss also eine externe Stromversorgung per USB-C her. Dass eine vollwertige, große HDMI-Buchse verbaut ist, stellt da schon eine Selbstverständlichkeit dar.

Dank der flexiblen Aufzeichnungsformate ist die Tatsache, dass man für unkomplizierte Nutzung – Adaptierung ist nicht jedermanns Sache – auf MFT-Objektive festgelegt ist, kein Nachteil. Panasonic hat sich wohl ganz bewusst dazu entschieden, für den Markt der Webvideoproduzenten und Vlogger eine besonders kompakte Kamera mit viel Lernpotenzial für professionelles Arbeiten zu bauen. Selbst für Upgrades wie mehrere XLR-Eingänge für den Ton samt Mixer gibt es schon Originalzubehör. Das suche man mal bei einer anderen Kamera dieser Preisklasse.

Wie das bei der in der vergangenen Woche schon geteaserten EOS C400, Canons neuer Cine-Kamera, aussieht, müssen erst noch Tests von Kino- und TV-Profis zeigen. Sie ist das bisher größte und teuerste Modell mit RF-Bajonett: Die 8.600 Euro liegen gut zweitausend Euro über den anderen Cine-RF-Kameras EOS R5C und EOS C70. Im Vergleich mit etwa Sony oder Blackmagic ist das jedoch schon günstig. Canon wagt sich dabei auch an den üblichen Formfaktor der würfelförmigen Kameras mit unzähligen Anschlüssen wie dreimal USB-C, sodass es – wie in dieser Kategorie immer – auf den Systempreis ankommt.

Und der definiert sich hier eben nicht unbedingt durch die schon vorhandenen Objektive, die kann man – hier dann gerne mit Adaptierung – auch mieten. Das ist bei großen Produktionen völlig üblich. Ebenso ist auch der 6K-Sensor hier nicht entscheidend, sondern, dass er per Oversampling besonders klare 4K-Aufnahmen liefern soll. Dies und die elektronische Stabilisierung des Sensors, die mit den Stabis in den Objektiven zusammenarbeitet, lässt sich nur unter realistischen Bedingungen am Set und in der Post-Production wirklich prüfen.

Dass Canon, traditionell stark im digitalen Filmgeschäft, seine Angebote ausweitet, zeigt auch das neue RF 35mm f/1.4L VCM. Das ist im doppelten Sinn ein Hybridobjektiv. Zum einen soll es beim Filmen wie Fotografieren Topleistungen bringen. Zum anderen kombiniert Canon hier einen Ultraschall- mit einem Voice-Coil-Motor, daher das Kürzel VCM. Im Deutschen steht das nicht nur für eine Schwingspule, sondern auch für ein Galvanometer, auf dessen Basis ein Teil des Antriebs der Arme für Schreib-/Leseköpfe von Festplatten funktioniert. Beide Techniken sollen bei Canons Festbrennweite für einen ebenso schnellen, wie sehr genauen Autofokus sorgen.

Eine Besonderheit ist der Blendenring, der nur beim Filmen – dann aber besonders sanft – arbeiten soll, so jedenfalls ein weiteres Versprechen von Canon. Wenn das alles richtig klappt, sind die geforderten 1.900 Euro für das ab Juli 2024 verfügbare Objektiv fast schon ein Schnäppchen. Auch da, wie bei der Panasonic oben, ist der Trick: Indem man sich etwas mit der Technik des für Fotos wohl sehr guten Objektivs beschäftigt, macht Filmen durch die neuen Möglichkeiten mehr Spaß.

Bei all dem teuren Vergnügen ist es beruhigend, dass Tamron – inzwischen kaum um High-End-Ansprüche verlegen – bei seinem neuen Telezoom früheren Verdiensten treu bleibt. Zwar kostet das 50-300mm f/4.5-6.3 zum Marktstart Ende Juni 920 Euro und damit deutlich mehr als das bisherige 70-300mm 4.5-6.3 Di III RXD. Das kam vor vier Jahren für rund 700 Euro auf den Markt. Bei der Neuauflage reicht die Brennweite bis 50 Millimeter hinab.

Diese 20 Millimeter mehr Weitwinkel können beispielsweise bei Events einen großen Unterschied ausmachen. Dort ist auch der Wetterschutz, den frühere und billigere Tamron-Telezooms nicht hatten, ein entscheidendes Kriterium. Ein Stabilisator ist vorhanden, mehr als den verbauten Linearmotor sollte man aber nicht erwarten. Immerhin soll der bei der Motivverfolgung – also mit Software samt Sonys Segen – gut arbeiten. Und, ja: Bisher ist das für Vollformatsensoren gerechnete Tamron nur für den E-Mount verfügbar. Wir hatten das mit den Lizenzkosten in dieser Kolumne ja schon mehrfach.

Ebenso kommen wir ums Meckern über den Stillstand bei kompakten Outdoorkameras nicht herum. In dieser Woche stellte Pentax die WG-8 und die WG-1000 vor, alle Details finden sich in unserer ausführlichen Meldung. Die WG-8 ist dabei nur eine WG-6 von vor fünf Jahren, und die WG-1000 so weit abgespeckt, dass Pentax von sich aus gleich auf eine bestimmte Zielgruppe, nämlich Kinder, verweist. Ob ein besseres Spielzeug 250 Euro kosten darf, sei dahingestellt, als ernsthafte Kamera sind heute 16 Megapixel ohne Raw-Support schwer zu verstehen. Selbst die WG-8 speichert, zumindest laut Datenblatt, keine reinen Sensordaten.

Dass es überhaupt noch neue, robuste Kompaktkameras gibt, ist zwar begrüßenswert, ein anderes Marketing würde aber die Ansprüche nicht so fehlleiten. Viele Geräte dieser Kategorie dürften bisherige ersetzen, die beispielsweise auf Baustellen verschlissen worden sind. Und um eine Flotte von kaputten WG-6 zu ersetzen, fehlt der billigeren WG-1000 dann das für Dokumentation wichtige GPS. Die beiden Bügel an den Seiten für stabile Gurte zur Befestigung, welche die WG-1000 hat, stünden auch der WG-8 gut. Es wäre praktisch, könnte man die Pentaxe ohne teures Zubehör mit schon vorhandenen Gurten oder Seilen Sportgerät oder Sportler zu befestigen, wie man das von Action-Cams kennt. Kurz: Was die eine richtig macht, fehlt der anderen.

Gar nichts mehr richtig machen will anscheinend Adobe im Umgang mit den Inhalten seiner Kunden. Zumindest, was die Kommunikation betrifft. Denn der Ansatz, sich nun immer Zugriff auf alle Inhalte der Adobe-Cloud per AGB zu sichern, steht in den Geschäftsbedingungen. Doch es geht nicht darum, die Adobe-eigene KI zu trainieren. Vielmehr geht es um illegales und missbräuchliches Material. Wer vertrauliche Inhalte, die etwa Sperrfristen unterliegen, mit Adobe-Produkten bearbeitet, kann dennoch Probleme bekommen, wie unsere Analyse der neuen AGB zeigt. Und da vielen Menschen heute gar nicht mehr bewusst ist, dass ihre oder die Daten ihres Arbeitgebers mit Adobe-Tools auch in der Cloud liegen, ist Klarheit vor der Einführung solcher Vertragsänderungen entscheidend.

Wer jetzt wegen manch schlechter Nachricht irgendetwas kaputt machen möchte – bitte nicht. Das tun schon andere, etwa der deutsche YouTuber Zerobrain mit einer betagten Nikon D70. Die war ihm ausdrücklich zur Zerstörung zur Verfügung gestellt worden, weil die gummierten Flächen sich wie bei vielen Geräten vom Anfang der 2000er Jahre in klebrigen Brei verwandelt hatten. Wie bei Zerobrain üblich kam dabei ein ebenso unterhaltsames wie lehrreiches Video heraus, denn den Prozess bis fast zur letzten Schraube zeigen Reparaturanleitungen nicht. Hier geht es fast nur ums Staunen, was alles an Technik in einer digitalen Systemkamera steckt – auch einer, die vor 20 Jahren erschien. Mit dem Hinweis auf die Korrekturen – etwa zum großen Motor für den Autofokus von antriebslosen Objektiven – im angepinnten Kommentar ist der Teardown einer D70 unsere Empfehlung für einen Long Watch zum Wochenende.

(nie)