Elektronikschrott-Gesetz auf der Zielgeraden

In der heutigen Bundestagsanhörung zur Umsetzung der EU-Elektronischrott-Richtlinie konnten die Oppositionsvertreter nicht punkten.

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Von
  • Richard Sietmann

Die Industrie rechnet mit einer Mehrbelastung von 350 bis 500 Millionen Euro pro Jahr, die ihr durch die ab August 2005 wirksam werdende Rücknahmeverpflichtung für Elektro- und Elektronik-Altgeräte entsteht. Und in den Kommunen, auf die durch die getrennte Sammlung ein zusätzlicher Aufwand zukommt, werden die allgemeinen Abfallgebühren um zwei bis vier Euro pro Jahr und Person steigen müssen. Diese Zahlen wurden heute auf einer Anhörung des Bundestags-Umweltausschusses zum "Gesetzentwurf über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten" (ElektroG, PDF) genannt, das die Vorgaben der europäischen WEEE-Richtlinie (PDF) in deutsches Recht umsetzen soll.

Während sich die Regierungsfraktionen je auf zwei Fragen an die Verbandsvertreter beschränkten, hatten die Christdemokraten und Liberalen einen umfangreichen Fragenkatalog von 16 beziehungsweise 30 Fragen zusammengestellt, mit denen sie den Regierungsentwurf weichklopfen wollten. So moniert die CDU/CSU beispielsweise, dass die geplanten Garantieverpflichtungen in Gestalt insolvenzsicherer finanzieller Rückstellungen, mit denen die Firmen die späteren Entsorgungskosten absichern sollen, unpraktikabel seien und mittelständische Hersteller oder Importeure benachteilige. Doch wie die Anhörung ergab, ist genau das Gegenteil der Fall: Die Regelung soll nämlich verhindern, dass bei der Pleite eines Herstellers oder Importeurs die Kosten für dessen "verwaiste" Altgeräte am Rest der Branche hängen bleiben, und darin schützt sie große und kleine Firmen gleichermaßen.

Der marktliberalen FDP wiederum sind die kommunalen Sammelstellen ein Dorn im Auge; sie wollte wissen, was dagegen spricht, die Sammlung und Entsorgung von Elektronikschrott vollständig privatwirtschaftlichen Unternehmen zu überlassen, da "die Zwischenschaltung öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger unnötig kostspielig" und "entbehrlich" sei. Sie musste sich allerdings von den Vertretern der adressierten Privatwirtschaft sagen lassen, dass schon heute 70 Prozent aller Elektro(nik)-Altgeräte aus kommunalen Erfassungsstellen stammen und dass es volkswirtschaftlich unsinnig sei, dazu eine parallele Infrastruktur aufzubauen.

Der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. (bvse), dessen 600 mittelständische Mitgliedsfirmen mehr als 50.000 Mitarbeiter beschäftigen und insgesamt mit dem Recycling im Jahr rund 10 Milliarden Euro umsetzen, wollte jedenfalls an der zweistufigen Infrastruktur -- kommunale Sammelsysteme und Verwertung beziehungsweise Entsorgung durch private Firmen -- ebenso wenig rütteln wie der ZVEI. "Im Interesse einer umweltgerechten und pragmatischen Lösung sollten die bei den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern vorhandenen bewährten Strukturen erhalten werden", gab der ZVEI zu Protokoll, der offenbar befürchtet, dass bei einer Privatisierung alles noch teurer würde; "Die vom Verbraucher seit langer Zeit "gelernten" und entsprechend akzeptierten Sammlungsstrukturen bieten zudem die Sicherheit, Rücknahmen von Elektro- und Elektronikgeräten in den dafür vorgesehenen Zeiträumen ohne Verzögerungen und bürgernah organisieren zu können."

Umstritten sind jedoch die Auswirkungen, die das Gesetz auf Sozialbetriebe wie beispielsweise Behindertenwerkstätten haben wird, die heute vielfach im Auftrag kommunaler Entsorger bei der manuellen Zerlegung, Sortierung und Rückgewinnung brauchbarer Teile in diesem Sektor tätig sind. Prinzipiell können die Kommunen zwar auch weiterhin Sozialbetriebe oder andere lokale Zerlegeunternehmen mit Aufträgen zur Demontage von Altgeräten versorgen, doch praktisch stoßen sie damit an die Grenzen des Abgabenrechts. Wenn ihnen dabei Kosten entstehen, die sie auf die Abfallgebühren umlegen müssten, während sie die Altgeräte nach dem 13. August 2005 unentgeltlich bei den Herstellern loswerden könnten, würden die durch die Beschäftigung von Sozialbetrieben entstehenden Kosten dann nicht mehr als "erforderlich" gelten und entsprechend auch nicht mehr vom Haushaltsrecht gedeckt, erklärte die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände.

Sowohl der ZVEI als auch der bsve halten dieses Problem indes für überwindbar. Solche Betriebe ließen sich auch weiterhin in die kommunale Entsorgung integrieren, nur halt auf andere Weise, etwa beim Betrieb von Recyclinghöfen oder bei der Einsammlung. "Auch die Hersteller nehmen ihre soziale Verantwortung wahr", erklärte der ZVEI; sie würden "Sozialbetriebe auch in Zukunft im Rahmen des Wettbewerbs in die Auswahl der Dienstleister für die Altgeräteentsorgung" einbeziehen. (Richard Sietmann) / (anw)