Elektronische Gesundheitskarte auf der Medica

Unter anderem werden erstmals die Komfort- und Stapelsignaturen im praktischen Betrieb gezeigt. Im Mittelpunkt vieler Medica-Diskussionen steht dieses Mal der "gläserne Arzt".

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Von
  • Detlef Borchers

Mit über 4600 Ausstellern auf der Medica und 460 Ausstellern auf der Labortechnik-Messe Compamed steht Düsseldorf bis zum 16. November im Zentrum der Medizinwelt. 130.000 Besucher werden erwartet, die schon am ersten Tag mit chaotischen Verkehrsbedingungen zu kämpfen hatten: Durch den angekündigten Streik der Lokführer reisten offenbar erheblich mehr Besucher als sonst mit dem PKW an. Im Mittelpunkt der Messe steht, aus informationstechnischer Perspektive, wieder einmal die elektronische Gesundheitskarte (eGK): Erstmals werden die Komfort- und Stapelsignaturen im praktischen Betrieb gezeigt. Die beiden Möglichkeiten, mit einer PIN-Eingabe mehrere Signaturvorgänge anzustoßen, sollen den Ärzten helfen, das Ausstellen von elektronischen Rezepten möglichst bruchlos in den Praxisalltag zu integrieren.

Gleich zu Beginn der Medica konnte T-Systems verkünden, die Ausschreibung für Einrichtung und Betrieb des Backbones gewonnen zu haben, über den alle Telematikprozesse rund um die Gesundheitskarte laufen sollen. Weniger technisch denn inhaltlich akzentuiert verlief die Vorstellung des Forschungsprojektes zur Ausgabe einer vom Patienten selbstverantwortlich geführten Gesundheitsakte bei der Barmer Krankenkasse. Wie die Forschungsbeauftragte Hanna Kirchner darstellte, gibt es noch gar keine wissenschaftlichen Studien, wie Versicherte mit einem Angebot umgehen, ihre eigenen Gesundheitsdaten über das Internet zu pflegen. In dem dreijährigen Forschungsprojekt soll geklärt werden, ob (Barmer-)Versicherte mit eigener webbasierter Akte mündiger werden und sich das Arzt-Patienten-Verhältnis zu einer "aktiven Partnerschaft" gestaltet. Die Voraussetzungen sind günstig: Für die Gesundheitsakte auf Basis der LifeSensor-Technologie von InterComponentWare zahlt der Versicherte 23,80 Euro im Jahr, für Familienangehörige sind 11,90 Euro fällig.

Während die Barmer auf internetaffine Menschen aller Altersgruppen setzt, werden gerade die Ärzte ohne Internet wohl verwundert schauen, wenn sie gebeten werden, Befunddaten auszudrucken und an eine Adresse zu faxen, über die sie als PDF automatisch in die Akte wandern. Tatsächlich ist es der "gläserne Arzt", der diesmal im Mittelpunkt vieler Medica-Diskussionen steht. Nach dem offenbar gewordenen Bruch der Mehrheit der Ärzteschaft mit der elektronischen Gesundheitskarte auf dem deutschen Ärztetag fragen sich die Beteiligten am größten deutschen IT-Projekt, wie es bei den Ärzten weitergeht. Eine klare Antwort hatten hier die Vertreter der Freien Ärzteschaft, die mit Skelettaufducken auf Pullovern unter dem Motto "Gläserner Patient und gläserner Arzt" ihren Protest artikulierten.

Eigens für die eher zaudernden Ärzte zeigte die Projektgesellschaft Gematik auf der Messe einen Film über die Gesundheitskarte und warb in etlichen Vorträgen für die Vorteile der Komfort- und Stapelsignatur, die vor wenigen Tagen den Segen des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bekommen haben. Wie sich auf Nachfragen jedoch herausstellte, gibt es bei der Komfort-Signatur noch offene Fragen, ob diese nicht nur durch einen Fingerabdruck, sondern auch durch einen RFID-Token ausgelöst werden kann, der in die Nähe des Kartenterminals gebracht wird.

Eine sehr lebhafte Podiumsdiskussion über die künftige Rolle der Ärzte präsentierte denn auch die Sonderschau Medica Media. Für die Ärzte sprach Franz-Joseph Bartmann, Vorsitzender des Ausschusses Telematik der Bundesärztekammer. Es stimme ihn nachdenklich, dass sich gerade die Ärzte gegen die Gesundheitskarte stellen, die das größte Vertrauen der Patienten genießen. Bartmann zeigte sich skeptisch darüber, dass das Papierrezept noch zu seinen Lebzeiten verschwunden sein wird: "Wenn wir in 10 Jahren so weit wären, dass das alles läuft, dann wäre ich schon froh." Für die Datenschützer verteidigte Thilo Weichert vom unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig Holstein die eGK vor der Kritik der Ärzte, dass der Patient Daten auf der Karte löschen kann und sie so aus ärztlicher Sicht entwerte. "Das ist gelebte Patientenorientierung", erklärte Weichert, "dafür bekommen die Ärzte die Gewissheit, dass die Daten, die auf der Karte sind, unvollständig, aber authentisch sind." Die Kritik von der Datenhaltung auf zentralen Servern tat Weichert als "dummes Gefasel" ab, nur um im selben Atemzug die Krankenkassen scharf anzugreifen. Sie würden mit der eGK mit Auswertungsprogrammen Ziele verfolgen, die weit über das Erlaubte hinausgingen. Dagegen verwahrte sich prompt Doris Pfeiffer, die Vorstandsvorsitzende des Bundes der Krankenkassen. Alle Kassen würden bei ihren Untersuchungen nur mit anonymisierten und pseudonymisierten Daten arbeiten, die keinerlei Rückschlüsse auf einzelne Patienten erlauben.

Siehe dazu auch den Online-Artikel in c't – Hintergrund mit Links zur aktuellen und bisherigen Berichterstattung über die elektronische Gesundheitskarte und die Reform des Gesundheitswesens:

(Detlef Borchers) / (jk)