Elektronische Medien bei Fachliteratur auf dem Vormarsch
Als vor etwas mehr als zehn Jahren Internet und elektronische Medien aufkamen, fürchteten viele Verlage und Buchhändler um ihr Buchgeschäft. Die Aufregung hat sich mittlerweile gelegt -- außer bei Fachbüchern und Nachschlagewerken.
Als vor etwas mehr als zehn Jahren Internet und elektronische Medien aufkamen, fürchteten viele Verlage und Buchhändler um ihr Buchgeschäft. Zwar haben sich die Wogen inzwischen geglättet, und kaum ein Branchenkenner geht noch davon aus, dass DVD, CD-ROM und das World Wide Web das klassische Druckmedium ersetzen. Doch eine Sparte könnte davon ausgenommen sein: Fachbücher und Nachschlagewerke. Denn seit Jahren sinken die Ausstellerzahlen bei Messen in diesem Bereich, und immer mehr Verlage veröffentlichen ihre Lexika elektronisch.
Die Angst vor dem allmählichen Tod von Duden & Co. scheint begründet. Denn elektronisches Publizieren ist inzwischen lukrativer als je zuvor. Das belegt das aktuelle Branchenbarometer des Arbeitskreises Elektronisches Publizieren (AKEP) im Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Knapp 70 Prozent der befragten Verlage bewerten danach ihre Kosten-Erlös-Situation als ausgeglichen oder schreiben Gewinne. "In vielen deutschen Verlagen nimmt das Thema elektronisches Publizieren mittlerweile eine immer zentralere Stellung ein", sagt AKEP-Sprecher Arnoud de Kemp. Der Arbeitskreis, dem 550 Mitglieder angehören, wurde 1992 gegründet und hat die Branchenumfrage in diesem Jahr zum dritten Mal durchgeführt.
Drei Viertel der Verlage schätzen demnach, dass sich der heutige Anteil elektronischer Produkte am Gesamtumsatz von derzeit etwa fünf Prozent auf bis zu 30 Prozent in zehn Jahren erhöhen wird. Auch die Renditesituation wird von den Verlagen positiv bewertet: Bereits heute erwirtschaften rund 25 Prozent der Verlage Gewinne mit elektronischen Produkten, 44 Prozent bezeichnen die Situation als ausgewogen. Fast alle Verlage gehen von einer klaren Gewinnsituation in zehn Jahren aus. Auf Erfolgskurs ist dabei vor allem die DVD. Sie gilt bei 65 Prozent der Verlage als Medium der Zukunft und liegt bei der Nutzung bereits fast gleichauf mit der CD-ROM.
Gleichzeitig belegt eine Studie des Instituts für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien der Ludwig-Maximilians- Universität-München, dass Verlage, die Informationen über mehr als einen Medienkanal vertreiben -- beispielsweise Zeitschrift, Newsletter, DVD und online -- deutlich Zeit und Geld sparen.
"Das Internet hat das Buch und die wissenschaftliche Zeitschrift zwar nicht ersetzt", sagt Volker Neumann, Direktor der Frankfurter Buchmesse. Er räumt jedoch ein, dass das Internet "aber einen kräftigen Anteil an der Informationsverbreitung für sich gewonnen hat". Dies sei mit ein Grund dafür, dass die Beteiligung der technischen und naturwissenschaftlichen Verlage etwa an der Frankfurter Buchmesse in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken sei.
Der Vertriebsleiter des renommierten Münchner Fachbuchverlags C.H.Beck/Vahlen, Florian Müller, hält die Darstellung "Online kills Print" unterdessen für "schlichtweg falsch". Die Nachfrage nach Online-Informationen steige zwar im gleichen Maße wie sie im Printbereich sinke. "Das Internet kann aber selbst das Fachbuch nicht eins zu eins ersetzen", sagte er. Dennoch lasse die Möglichkeiten des exakteren Recherchierens im Internet und in Datenbanken die Nachfrage nach gedruckten Nachschlagewerken spürbar sinken.
Dass elektronische Datenbanken in Bezug auf Aktualität "unschlagbar" seien, meint auch Klaus Holoch, Sprecher des Bibliographischen Instituts und der Brockhaus AG. Hier erscheint neben dem Brockhaus unter anderem der Duden und Meyers Lexikon. "Viele Printklassiker unter den Nachschlagewerken gibt es daher bei uns auch online", sagt er.
Stirbt das Lexikon also doch? "Nein, wir werden noch viele Jahre das klassische Nachschlagewerk haben -- müssen uns aber auch im Klaren sein, dass dies nur eine unter vielen Möglichkeit des Publizierens ist", meint Holoch. Und der Bedarf an Nachschlagewerken und Fachbüchern wird nach seiner Ansicht eher noch zunehmen. "Bei den Deutschen ist nach Pisa ein neu aufgewachter Wissensdurst entstanden." Allein Brockhaus, Duden und Meyers Lexika-Reihe verzeichneten ein Umsatzplus von 25 Prozent im vergangenen Jahr -- allerdings inklusive der Verbreitung auf elektronischen Medien. (Christian Rupp, dpa) / (jk)