Embedded World

Zum zehnten Mal zeigte in Nürnberg die Embedded-Branche Trends bei Hard- und Software sowie Entwicklungstools. Das Angebot reichte vom sparsamsten Mikrocontroller der Welt bis zum Mainboard für Windows on ARM und vom Oszilloskop bis zum Platinenlayouter.

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Von
  • Benjamin Benz
Inhaltsverzeichnis

Die zehnte Embedded World hat ihre Pforten mit Rekorden bei Besucher- (22 262) und Ausstellerzahlen (872) geschlossen. Dabei dürfte geholfen haben, dass der Termin nicht wie in den letzten Jahren auf dem der ungleich größeren CeBIT lag. Allerdings stahl der parallel in Barcelona abgehaltene Mobile World Congress der Embedded World bei den Neuankündigungen die Show (siehe S. 18). Nichtsdestotrotz hat die Nürnberger Messegesellschaft auch den Termin für das kommende Jahr (26. bis 28. Februar) genau auf den des boomenden MWC gelegt.

Das 60 Euro teure Android Open Accessory Application Kit von NXP dockt per USB an einem Smartphone oder Tablet an und verbindet es so nicht nur mit zwei Cortex-M-Mikrocontrollern, sondern auch mit zahlreichen Schnittstellen wie LAN und CAN-Bus. Für eigene Schaltungen gibt es ein Lochrasterfeld.

Für Mathworks hätte der Messetermin indes nicht besser liegen können: Kurz nach Messeschluss erschien turnusgemäß die Release 2012a von Matlab und Simulink (siehe S. 49). Altium hingegen hatte nur Vorankündigungen zu ihrem Platinenlayout-Programm im Gepäck. Erscheinen wird Altium Designer 12 erst im Mai und eher Detailverbesserungen als große Umbauten bringen. So soll man damit eigene Pad-Formen definieren und einzelne Schaltungsteile vom elektrischen Schaltungstest (ERC) ausschließen können. Der Autorouter berücksichtigt dann auch die Impedanz von Leitungen für hochfrequente Signale.

Die Firma QNX konzentriert sich nach dem Playbook-Desaster wieder ganz auf ihr Echtzeitbetriebssystem und dessen Einsatz im Auto. In diesem Rahmen wurde die zweite Version der CAR Application Platform gezeigt, mit der man das Zusammenspiel von Infotainment-Systemen mit HTML5-Apps und KFZ-Elektronik testen kann.

Digi International – bisher eher bekannt für kleine Hardware-Module wie die Xbee-Funkplatinen – mausert sich zum Cloud-Provider. Die Geschäftsidee: Autonome Sensoren liefern ihre Daten an die iDigi Device Cloud, der Kunde kann sie dann per Standardschnittstelle abrufen. Dazu gibt es auch noch ein Development Kit für Android-Anwendungen. Die kostenlose Software iDigi Connector ermöglicht auch Geräten ohne Digi-Chips den Zugang zur Cloud.

Weil Intel die Vorstellung der 7er-Chipsätze nach hinten verschoben hat, gab es diesmal weniger x86-Technik zu sehen als in den letzten Jahren. Fujitsu präsentierte dennoch gleich drei neue Mainboards im Mini-ITX-Format (Kantenlänge 17 cm) mit AMD-Prozessoren und A55E-Chipsatz. Auf dem D3003-S1 sitzt der 9-Watt-Single-Core T44R (1,2 GHz), während die Modelle -S2 und -S3 den Dual-Core T56N mit 1,65 GHz Taktfrequenz und 18 Watt TDP verwenden. Alle drei Boards nehmen bis zu 8 GByte RAM auf, haben je einen PCI- und PCIe-x1-Slot und verkraften Temperaturen zwischen 0 und 60 °C. Während das D3003-S2 zusätzlich zum DVI-Ausgang noch einen DisplayPort bietet, steuern die anderen beiden Modelle je ein weiteres Display per 24-Bit-LVDS an.

Auf dem winzigen Mainboard KTT20/pITX von Kontron soll Windows on ARM laufen.

Das noch kleinere picoITX-Format hat Kontron für das KTT20/pITX gewählt. Bemerkenswert daran ist nicht nur die geringe Leistungsaufnahme von 3 bis 5 Watt, sondern insbesondere der in Aussicht gestellte Support für Windows 8 on ARM (siehe S. 96). Auf dem nur 10 cm x 7,2 cm großen Board sitzt nämlich ein Tegra-2-Prozessor mit zwei Cortex-A9-Kernen, die mit 1 GHz takten. Dazu kommen 1 GByte DDR2-RAM und 512 MByte Flash-Speicher – jeweils fest aufgelötet. Reicht das nicht, kann man per microSD-Karte nachrüsten.

Displays steuert das KTT20/pITX per DVI-I oder LVDS an. Des Weiteren gibt es fünf USB- und drei RS-232-Ports, Gigabit-LAN, Stereo-Audio (analog), SPDIF für 5.1-Sound und 24 frei konfigurierbare I/O-Pins. Auf der Unterseite nimmt ein Slot miniPCIe-Kärtchen auf. Das ganze Board soll nicht mehr als 5 Watt brauchen, die „typische Leistungsaufnahme“ beziffert Kontron sogar mit nur 3 Watt. Die Serienproduktion soll Ende des zweiten Quartals anlaufen.

ARM hatte zwar keine Neuigkeiten zu kommenden Prozessoren im Gepäck, wohl aber eine eindrucksvolle Anwendung für die Cortex-A9-Kerne in einem Smartphone: Der Cube Stortmer 2 braucht unter sieben Sekunden für die Lösung eines Zauberwürfels.

Darüber hinaus kündigte Kontron – bis vor kurzem treuer x86-Partner – noch weitere Produkte mit ARM-Prozessoren an. So gab es etwa einen frühen Prototypen eines MiniITX-Boards mit Nvidias Quad-Core Tegra 3 zu sehen. Von Texas Instruments haben es die Sitara AM3874 MPU mit Cortex-A8 ins Programm geschafft. Kontron treibt zudem die Standardisierung von besonders sparsamen Computer on Modules mit ARM-CPUs voran. Der „Release Candidate“ der Spezifikation sieht Module mit 8,2 cm x 5 cm sowie mit 8,2 cm x 8 cm vor. Mit ins ULP-COM-Boot konnte Kontron neben Adlink nun auch die Firmen Fortec und GreenBase holen.

Agilent erweiterte die Infiniivision-3000-Serie (Bild) um Modelle mit 1 GHz Bandbreite. Konkurrent LeCroy zeigte die neuen Modelle HRO 64Zi und HRO 66Zi mit 12 Bit Vertikalauflösung – 16-mal feiner als die übliche 8-Bit-Technik. Trotzdem arbeiten die Geräte mit 400 bis 600 MHz Bandbreite.

Die Prozessorschmiede Freescale wiederum konnte den Board-Hersteller Kontron für eine Einplatinencomputer-Initiative rund um die CPU-Familien i.MX (ARM-Kerne) und QorIQ (Power-Kerne) gewinnen. Platinen damit gab es auf der Embedded World unter anderem bei Advantech, Compulab, Digi International, iWave Systems, MSC und Microsys zu sehen.

Familienzuwachs vermeldete Freescale bei den hochspezialiserten QorIQ-Qonverge-Chips: Der B4860 firmiert offiziell unter der eher sperrigen Bezeichnung „macrocell base station-on-chip“. Gemeint ist ein System-on-Chip für den Einsatz in (LTE-)Mobilfunk-Basisstationen mit vergleichsweise großer Reichweite. Seine vier Power-e6500-Kerne mit Altivec-Einheiten takten mit 1,8 GHz und führen jeweils vier Threads parallel aus. Dazu kommen noch sechs SC3900-Signalprozessoren aus der StarCore-Familie, die mit 1,2 GHz arbeiten und im B4860 ihr Debüt feiern. Jeder Kern erledigt pro Taktzyklus bis zu 32 MACs. Unabhängig davon kann er pro Taktzyklus acht Allzweckbefehle ausführen. Ein SIMD-Befehl gilt für bis zu acht Datenworte. Alles in allem soll der in einem 28-nm-Prozess hergestellte B4860 schnell genug sein, um drei LTE-Sektoren mit jeweils voller 20-MHz-Bandbreite abzudecken.

Im Stand-by soll der sparsamste Mikrocontroller der Welt mit nur 360 nA auskommen. Auf der Embedded World kam ein Prototyp des Wolverine bereits auf 443 nA.

In einer ganz anderen Liga konnte Texas Instruments Aufmerksamkeit erregen: Der Wolverine reklamiert den Titel sparsamster Mikrocontroller aller Zeiten. Im Stand-by – aber mit laufender Echtzeituhr – soll Wolverine gerade einmal 360 nA aufnehmen und so 10 bis 20 Jahre mit einer Batteriefüllung auskommen. Aus diesem Modus wacht der Chip in nur 6,5 Mikrosekunden auf und braucht dann 100 µA/MHz. Die 12-Bit-A/D-Umsetzer sollen nicht mehr als 75 µA schlucken. Insbesondere der extrem sparsame nichtflüchtige FRAM-Speicher trägt zu diesen niedrigen Werten bei. Ferroelektrisches RAM braucht laut TI – beim Schreiben – nur ein 250stel des Stroms wie klassischer Flash-Speicher oder EEPROMs.

Auf der Messe gab es erste Muster des 25-Dollar-Computers Rasberry Pi zu sehen – stets dicht umlagert. Hier die unbestückte Platine, gezeigt bei RS Components.

Den MSP430-kompatiblen Prozessor lässt TI in einem Ultra-Low-Leakage-Prozess mit 130-nm-Strukturen herstellen und will ab Juni erste Muster liefern, dann aber nicht unter dem Codenamen Wolverine, sondern als MSP430FR58xx. Genaue Daten zur Ausstattung und Taktfrequenz gibt es noch nicht, auf der Embedded World waren aber 1 bis 2 MHz im Gespräch.

Bei den alljährlichen Embedded Awards gab es eine Überraschung: Der Preis für die Kategorie Software wurde 2012 nicht vergeben, während es bei den Tools gleich zwei Gewinner gab: Die Firma Willert Software Tools und die Intel-Tochter Wind River. Erstere erhielt den Preis für einen UML Target Debugger, Letztere für das UX Test Development Kit, das Android-Geräte, -Apps und sogar HTML-Apps automatisiert testet.

Die modularen Mini-PCs der Firma Giada sollen unter anderem als Aufrüstoption für Fernseher taugen.

In der Hardware-Disziplin konnte sich der Drucksensor Xtrinsic MPL3115A2 von Freescale gegen ein SoC mit Leistungselektronik von Enpirion und AMDs Fusion-Architektur durchsetzen. Fusion wurde mittlerweile übrigens in HSA umgetauft. An dem Drucksensor lobte die Jury, dass er mit variablen Abtastraten bis 140 Hz arbeitet und intern bereits Höhe, Umgebungsdruck und Temperatur kompensiert. (bbe)