Kupferkabel ade: Migration zu Glasfaser kämpft mit Problemen
Wo Glasfaser kommt, soll Kupfer gehen. Doch wie? Die Bundesnetzagentur kündigt Pläne an und will aus Pilotprojekten lernen.
Die Migration von Kupfer- auf Glasfasernetze beschäftigt die Branche intensiv. Wann kann und sollen Kupferleitungen abgeschaltet werden, wenn Glasfaser flächendeckend verfügbar ist? Die Zeit drängt, wenn ein geregelter Ausstieg aus den Kupfernetzen stattfinden soll. Im Gigabitforum der Bundesnetzagentur wurden nun Learnings diskutiert – und Bundesnetzagenturpräsident Klaus Müller kündigt an, frühzeitig Planungssicherheit schaffen zu wollen.
"Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr werden wir ein Konzept für die sogenannte Kupfer-Glas-Migration erarbeiten", sagt BNetzA-Präsident Klaus Müller. Das soll nun erarbeitet werden. Wann es vorliegt, nannte die Regulierungsbehörde nicht. Zugleich soll 2025 auch mit weiteren Entscheidungen der Bonner Behörde klarer werden, wie der "Regulierungsrahmen Glasfaser" ausgestaltet sein soll. Bislang tobt ein wilder Machtkampf zwischen Telekom, deren Joint-Ventures, Stadtwerken und anderen Konkurrenten um Kunden, Ausbaukilometer und Kommunen. Die Konkurrenz fürchtet, dass die Telekom die Kupfernetzabschaltungen zu ihrem strategischen Vorteil ausnutzen könnte und fordert klare Rahmenbedingungen für diesen Prozess – also das, was Bundesnetzagenturchef Müller heute ankündigte.
Dieses Vorhaben könnte aber viel mehr als nur Regelungen für die Telekom umfassen. In einem Evaluierungsbericht des bundeseigenen Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruktur und Kommunikationsdienste (WIK) werden Empfehlungen formuliert. Es sei "sinnvoll, eine hohe Quote an freiwilliger Migration zu erreichen, bevor Kupfernetze abgeschaltet werden", da dies die Komplexität deutlich reduziere. Nicht nur Homes Passed – also Glasfaserkabel im Straßenland – sondern mindestens Homes Connected, also Anschlüsse von Einheiten ans Netz, müssten als Referenzwert gelten, wenn es um ein Kupfer-Aus gehe. Noch besser seien Homes Activated, also tatsächliche Kundenanschlüsse auf Glasfaser.
WIK schlägt Änderungen am TKG vor
Zwingende Voraussetzung für eine Abschaltung der Kupfernetze sei, dass es definierte Vorleistungsprodukte für Glasfaser gebe. Denn während auf dem Kupfernetz die Telekom die Konkurrenz aufbuchen muss, ist das bei Glasfaser zumindest bislang nicht zwingend der Fall – hier sollen Standardprodukte für den Bitstromzugang her, so das WIK.
Das WIK schlägt auch Änderungen am Telekommunikationsgesetz vor. Denn heute ende der Ausbau oft im Keller statt bei den Bewohnern. Das liegt laut WIK auch an rechtlichen Voraussetzungen: Ein Recht auf Glasfaserverlegung im Haus bestehe bislang nur dann, wenn "ein Kundenauftrag mit einer Bandbreite vorliegt, die nur über FTTH realisiert werden kann." Sprich: Oberhalb von 250 Megabit pro Sekunde – der derzeitigen VDSL-Obergrenze. "Die aktuelle Rechtslage setzt eine Zustimmung der Eigentümer und damit ihre volle Kooperationsbereitschaft voraus", resümiert das WIK aus den Pilotprojekten. Um dann kräftig auszuteilen: "Diese kann aber für professionelle Wohnungswirtschaften nicht unterstellt werden", wie das Projekt in Wiesbaden zeige. Es empfiehlt: Der "Wohnungsstich" solle von Eigentümern geduldet werden müssen, auch wenn nicht alle Einheiten Verträge abgeschlossen hätten. Bautrupps mehrfach loszuschicken, sei schlicht zu teuer.
Abschalten auch kommunikativ herausfordern
Stehen Abschaltungen von Kupfernetzen einmal an, stehen Unternehmen vor weiteren Herausforderungen. "Für die Massenmigration muss geklärt werden, für welche Abschalteeinheit welche Gebietsabgrenzung gewählt wird", heißt es im Bericht. Orte, Vorwahlgebiete, Multi-Service-Access-Nodes oder technisch sonst sinnvollen Entitäten würden nicht automatisch mit den "kommunikativen Anforderungen" übereinstimmen. Was gemeint ist: Der Unterschied, ob etwa die Ortsnetzvorwahl 069, weitgehend identisch mit Frankfurt, abgeschaltet werden soll – oder nur ein Kabelverzweiger in Bad Berleburg im Siegerland mit 23 Ortsteilen und sieben Ortsnetzvorwahlen. Zwischen Massenkampagne und gezielter Ansprache liegen viele Szenarien. Und weil Ortsvorwahlen und MSAN-Bereiche nicht mit Gebietskörperschaften übereinstimmen müssen, muss auch das berücksichtigt werden. Denn die aktuelle und potenzielle Kundschaft müsse frühzeitig über geplante Abschaltungen informiert werden.
Sichere Landebahn – auch für die Telekom?
Die zuständigen Verbände begrüßen die Pläne: Es gehe um eine "sichere Landebahn", sagt VATM-Geschäftsführer Frederic Ufer, die mit dem Kupfer-Migrations-Plan mit zeitlichem Vorlauf geschaffen werden müsse. "Von entscheidender Bedeutung für den Erfolg eines solchen Konzepts ist eine diskriminierungsfreie DSL-Abschaltung auch in den Gebieten, die Wettbewerber der Telekom mit Glasfasernetzen versorgt haben", teilt der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) mit. Sowohl der VATM als auch der Breko hatten bereits eigene Migrationspfad-Vorschläge unterbreitet.
(olb)