Energiepreise: Von der Leyen und Habeck für Reformen und Übergewinnsteuer​

Kommissionschefin von der Leyen ist dafür, dass Kunden kurz- und mittelfristig auf der Stromrechnung stärker von günstigen erneuerbaren Energien profitieren.

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Die Stimmung ist großartig: Ursula von der Leyen (m.), Robert Habeck und Moderatorin Anne Gellinek (ZDF).

(Bild: Screenshot)

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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hält die heftig diskutierte Übergewinnsteuer für einen gangbaren Weg, um angesichts der exorbitant steigenden Gas- und Strompreise "vulnerable Unternehmen oder Haushalte" zu entlasten. Der Elektrizitätsmarkt reagiere momentan "so nervös" und die Spekulationen seien so hoch, "dass wir eingreifen müssen", erklärte die CDU-Politikerin am Montag in einem Gespräch mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck (Grüne), in Berlin.

Mit der Übergewinnsteuer wollen Habeck und Teile der SPD vor allem die Milliardenprofite von Energieversorgern und anderen Unternehmen abschöpfen, die von den aktuellen Krisen profitieren. Dieses "Notfallinstrument" gehöre zu dem im vergangenen Herbst vorgestellten "Handwerkskasten" der EU, der Mitgliedsstaaten bei der Bewältigung der Energiekrise helfen soll, sagte von der Leyen. Es sei für einen "Emergency-Eingriff" über wenige Wochen gedacht.

Mittelfristig plädierte die Christdemokratin für eine "grundlegende Reform des Strommarktes". Derzeit dominiere das Gas als teuerste Energiequelle den Preis. Die Endkundenkosten für Strom müssten vom viel zu hohen Gaspreis entkoppelt werden. Auch Habeck sprach sich dafür aus, den Preis vom Prinzip der "Merit Order" zu lösen. Das besagt, dass für den Bedarf die jeweils günstigsten Energiequellen berücksichtigt werden. Den Preis bestimmt der teuerste Lieferant, der noch notwendig ist, um den Bedarf zu decken.

Das sei "sensibel", räumte Habeck ein. So dürften aus dem System "nicht alle Gaskraftwerke" rausfliegen. Es sei aber angesichts der "schieren Existenzangst" bei vielen Strombeziehern "absolut notwendig, einen Ausgleich zu schaffen". Dabei "muss das Marktsignal erhalten bleiben", sonst werde es "schwierig mit der Versorgungssicherheit". Es dürfe "keine starren Preise" geben, der höchste, längst jede Vernunft übersteigende dürfe aber auch nicht länger für alle gleichermaßen gelten.

Von der Leyen betonte, ein neues Marktdesign müsse vom nächsten Jahr an konzipiert werden. Ein gemeinsamer Beschluss der EU-Länder sei greifbar. Der Übergang zu einem neuen System, das die EU-Staaten jetzt durchziehen wollten, sollte auch dafür herangezogen werden, "um diese exorbitanten Übergewinne zu nutzen", sagte Habeck.

Angesichts der zusätzlichen sozialen und digitalen Transformation werde einem oft "ganz schummrig", verwies Habeck auf Übergänge, die für Einzelne hart und kaum mehr verständlich sein könnten. Der Wandel mit Job- und Existenzverlusten tue weh und "fordert eine Gesellschaft auch demokratisch". Deswegen müsse die Politik ihre "hehre Worte" vom sozialen Ausgleich materiell unterfüttern.

Die EU wolle im Energiesektor weg "von Putin hin zu anderen Anbietern, die verlässlich sind und unseren Grundsätzen entsprechen", sagte von der Leyen. Sie nannte die USA, Israel und Norwegen, aber auch Ägypten, Algerien und Aserbaidschan kämen in Frage. "Wir müssen massiv im globalen Süden in Erneuerbare investieren", sagte die Kommissionspräsidentin. "Die haben Wind, die haben Sonne im Übermaß." Dort gehe es darum, "neben dem Tagesgeschäft" gemeinsam in Infrastruktur etwa für grünen Wasserstoff zu investieren.

Zunächst muss die EU laut von der Leyen sicherstellen, "dass wir es durch den Winter schaffen", obwohl Putin die Gaslieferungen in die Mitgliedsstaaten vermutlich "ganz auf null reduzieren wird". Zugleich zeigte sie sich zuversichtlich, dass die aktuellen Umschichtungen den Green Deal "unbedingt" beförderten. Der Weg hin zur Klimaneutralität und zur Kreislaufwirtschaft müsse angesichts der aktuellen Krisen beschleunigt werden: "Es ist allerhöchste Zeit, dass wir umsteuern." Auch dafür gebe es aber einen sozialen Klimafonds und andere Mechanismen, um einen Ausgleich zu ermöglichen.

Für Gas und darauf ausgerichtete Kraftwerke würden nur übergangsweise flexible Infrastrukturen geschaffen, betonte Habeck. Diese könne man entweder nach etwa zehn Jahren rasch wieder loswerden oder mit grünem Wasserstoff betreiben. Der Hochlauf für dieses wichtige Element der Energiewende erfolge angesichts der hohen Gaspreise inzwischen marktgetrieben. Dafür benötigt würden aber weitere erneuerbare Energiequellen, sodass sich der Kreis schließe.

Einen Rückgang der Nachfrage nach gasförmigen Brennstoffen erwartet Habeck nun ab Anfang der 30er-Jahre und so fünf Jahre früher als bisher. Unter dem Schein der fossilen Oberfläche passiere damit "genau das Gegenteil": Wenn Deutschland diesen Winter überstehe, "werden wir eine veränderte Energielandschaft sehen".

(vbr)