Enrich: Robotik-Teams brauchen Improvisationstalent

Jede Katastrophe ist einzigartig. Rettungskräfte müssen improvisieren. Wie das bei Strahlenunfällen aussehen kann, ist im österreichischen Zwentendorf zu sehen.

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2 Roboter arbeiten an einer am Boden liegenden Puppe

Roboter der Fachhochschule Oberösterreich versuchen, eine Puppe zu bergen. Sie simuliert beim European Robotics Hackathon 2021 in Zwentendorf eine verletzte Person.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Lesezeit: 4 Min.
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  • Hans-Arthur Marsiske
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Viel Einfallsreichtum müssen die Teilnehmer des Roboterwettbewerbs Enrich (EuropeaN RobotICs Hackathon) beweisen. Im sichersten Atomkraftwerk der Welt im österreichischen Zwentendorf nehmen sie diese Woche Aufgaben in Angriff, die sich so ähnlich bei einer Katastrophe stellen könnten.

Das an der Donau gelegene Kernkraftwerk wurde zwar fertig gebaut, ist aber nach einer im Jahr 1978 abgehaltenen Volksabstimmung gegen Atomkraft nie in Betrieb gegangen. Weil kein Bereich verstrahlt ist, eignet sich die Anlage bestens für Übungen. Zu den beim Robotterwettbewerb Enrich gestellten Aufgaben gehört das Aufstöbern leicht radioaktiven Materials.

Der Roboter des Teams RoboTHIx, der von Studenten der TH Ingolstadt erst in den letzten zwei Monaten zusammengebaut worden ist, war von seiner Ausstattung her nicht in der Lage, alle Räume zu erreichen. Dennoch gelang es dem Team, eine Strahlenquelle zu lokalisieren, weil sich der Roboter nahe genug am Ausgangspunkt befand – der Bediener konnte das Knattern des Geigerzählers hören. In Verbindung mit der zweidimensionalen Karte, die während der Fahrt erstellt wurde, konnte das Team den Ursprung der Strahlung ausreichend genau bestimmen. Bis zum zweiten Lauf am Donnerstag hofft das Team, auch eine dreidimensionale Karte erstellen zu können.

Das Team Dynamics von der Fachhochschule Oberösterreich zeigte Improvisationstalent, als es darum ging, eine zwölf Kilogramm schwere Puppe zu bergen. Sie stellte eine verletzte Person dar. Zuvor war es Dynamics in erstaunlich kurzer Zeit gelungen, mit einem kettengetriebenen Roboter die in Metallröhren verborgenen Strahlenquellen zu lokalisieren und die richtigen Ventile zu schließen.

Die verbleibende Zeit nutzte das oberösterreichische Team, um dem zweiten, radgetriebenen Roboter bei der Bergung zu helfen. Der hat nur einen starren Arm mit einem Haken. Es erwies sich als zu schwierig, den Haken unter den Gürtel der Puppe zu schieben. Der andere Roboter wiederum war mit einem Manipulator ausgestattet, der für das Schließen der Ventile optimiert war, aber nicht greifen konnte. Mit diesen beiden suboptimal ausgerüsteten Robotern versuchten die Österreicher, die Aufgabe zu lösen.

Auch wenn das nicht von Erfolg gekrönt war, waren allein schon der Versuch und die dabei entwickelte Fantasie bemerkenswert und entsprachen dem Geist der Veranstaltung: Auch reale Rettungskräfte müssen mit den vorhandenen Mitteln irgendwie zurechtkommen.

Zugleich bietet Enrich die Möglichkeit, neue Technik zu erproben. So trat das Team des Fraunhofer FKIE mit einem Roboter an, dessen Arm von einem Bediener mit Virtual-Reality-Brille gesteuert wurde. Über dieses Display lassen sich dem Roboter auch Wegpunkte vorgeben, die er dann autonom anfahren kann. An Engpässen und anderen schwierigeren Stellen muss dann allerdings ein anderer Bediener die Kontrolle übernehmen.

ENRICH 2021 (12 Bilder)

RoboTHIx, TH Ingolstadt

Der Roboter des Teams RoboTHIx beginnt seine Erkundungsfahrt. (Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Eine besondere Herausforderung stellte der über 40 Meter hohe Schacht dar, durch den fliegende Roboter in den Reaktorraum vordringen sollten. Es zeigte sich, dass hier ziemlich tückische Luftströmungen die Stabilität der Drohnen gefährden. Der Quadrokopter des britischen Teams LUCAS stürzte ab, nachdem er fast den gesamten Schacht hinauf geflogen war. Den Teammitglieder zufolge hatte das allerdings wohl nicht mit Turbulenzen zu tun. Sie vermuteten einen Fehler bei der Selbstlokalisierung der anhand vorgegebener Wegpunkte fliegenden Drohne.

Das einzige andere Team, das sich dieser Herausforderung stellte, hatte mehr Erfolg. Das mag damit zusammenhängen, dass der deutlich größere Quadrokopter des Southwest Research Institute eine stabilere Fluglage hat. Die Flugdrohne durchquerte den Schacht ohne Probleme, schwebte dann eine Weile im Reaktorraum und fertigte mit ihrem Laserscanner eine dreidimensionale Karte mit einer Auflösung von drei Metern pro Voxel an.

Ob auch die Strahlenquellen in dieser Karte richtig lokalisiert werden konnten, war unmittelbar nach dem Flug noch nicht klar. Dafür müssen die Daten erst noch aufbereitet werden. Der letzte Wettbewerbstag, Donnerstag, wird darüber Aufklärung bringen. Und falls es nicht gelungen sein sollte, gibt es, wie für alle Teams, die Gelegenheit zu einem zweiten Versuch.

(ds)