Entschädigung: EU-Gericht stärkt Schutz von Whistleblowern bei EU-Organen​

Das EU-Parlament hat laut einem EuG-Urteil gegen Vorschriften zum Schutz eines Assistenten als Hinweisgeber verstoßen. Er erhält 10.000 Euro Schadenersatz.​

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Silhouette eines Mannes mit Notebook in den Händen

(Bild: Daniel Beckemeier/Shutterstock.com)

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In der EU sollen Whistleblower vor Repressalien insbesondere durch Arbeitgeber geschützt sein. Das sieht eine 2019 vom EU-Parlament beschlossene Richtlinie vor. Daran müssen sich auch die EU-Organe selbst messen lassen, hat das Gericht der Europäischen Union (EuG) entschieden. Die Luxemburger Richter monieren, dass das EU-Parlament im Fall eines akkreditierten Assistenten gegen Vorschriften verstoßen habe. Das Abgeordnetenhaus habe nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um dem Betroffenen "einen ausgewogenen und effizienten Schutz vor jeder Form von Repressalien zu gewährleisten".

Der parlamentarische Assistent meldete Fälle von Mobbing und finanzielle Unregelmäßigkeiten gemeldet, die sich auf einen EU-Abgeordneten bezogen. Er wurde daraufhin zunächst einem anderen Volksvertreter zugewiesen und anschließend nach angeblichen Vergeltungsmaßnahmen von seinen Aufgaben ganz befreit. Das EuG hat dessen Klage mit seinem Urteil in der Rechtssache T-793/22 nun teilweise stattgegeben. Die Richter haben ferner die stillschweigende Entscheidung des Parlaments, keine ergänzenden Schutzmaßnahmen zu erlassen, aufgehoben. Sie verurteilen das Abgeordnetenhaus auch zur Zahlung von 10.000 Euro an den Betroffenen für den erlittenen immateriellen Schaden.

Der Assistent forderte zunächst eine Entschädigung in Höhe von 200.000 Euro. Er sah nicht nur die Schutzvorgaben, sondern auch die Vertraulichkeit seiner Identität verletzt. Das EuG stellte dazu fest, dass das Parlament ohne Zustimmung den Status des Betroffenen als Hinweisgeber offengelegt und ihn damit der Gefahr von Repressalien ausgesetzt habe. Nach Ansicht der Richter stand die Nichtverlängerung des Vertrags des Betroffenen grundsätzlich im Einklang mit den geltenden Vorschriften. Es sei wichtig, dass ein akkreditierter parlamentarischer Assistent mit den Abgeordneten, denen er zuarbeite, eine "durch ein Vertrauensverhältnis gekennzeichnete Arbeitsbeziehung" unterhalte.

Das Parlament ist dem Richterspruch zufolge jedoch den Nachweis schuldig geblieben, dass es alle Vorkehrungen getroffen habe, um dem Betroffenen nicht aufgrund seines Läutens der Alarmglocken Schaden zuzufügen. Die Verwaltung habe sich darauf beschränkt, dem Betroffenen mitzuteilen, dass die Aufgabenbefreiung die einzig vorstellbare Schutzmaßnahme sei. Gegen das Urteil kann das Parlament innerhalb von zwei Monaten Rechtsmittel beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einlegen.

Die Instrumente der Richtlinie reichen weit. Damit verknüpft ist etwa ein Anti-Diskriminierungsrecht mit einem breiten persönlichen Anwendungsbereich. Dazu kommt ein umfassender Schutz für Hinweisgeber vor Druckmitteln wie Kündigung, Mobbing, Rufschädigung oder "anderweitigen Benachteiligungen". Das gilt aber nicht bedingungslos. Missstände müssen etwa in der Regel zunächst vertraulich in Unternehmen und Behörden intern über geeignete Kanäle gemeldet werden. Hinweisgeber können sich auch unmittelbar an übergeordnete Whistleblower-Stellen wenden sowie bei irreversiblen Schäden, drohenden konkreten Repressalien und beim Ausbleiben einer zeitnahen Rückmeldung an die Medien.

(mki)