EU-Telekommunikationssektor gefährdet: Wovor Ericsson, Nokia & Vodafone warnen

Die Lobby-Chefs von Ericsson, Nokia & Vodafone schlagen Alarm: Die Telekommunikationsindustrie in der EU müsse dringend dereguliert werden, sonst drohe das Aus.​

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Ein Techniker in Schutzkleidung führt Arbeiten an der Spitze eines Antennenmastes mit Mobilfunkantennen aus.

(Bild: Kitawit Jitaton/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

"Für Europa ist dies ein entscheidender Moment, um seine Wettbewerbsfähigkeit und seinen Erfolg in der digitalen Wirtschaft sicherzustellen." Mit diesem Satz leiten Marc Vancoppenolle, Andrew Lloyd und Ben Wreschner, die Lobby-Chefs von Nokia, Ericsson und Vodafone eine Art Hilferuf an die EU-Politik ein. Ihr Plädoyer: In Europa sind weiter enorme Investitionen in den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen nötig. Um diese stemmen zu können, braucht die Branche dringend mehr Regulierungsfreiheiten und einen harmonisierten EU-Kommunikationsbinnenmarkt. Sonst stehe sie vor dem Aus.

"Das Erreichen der ehrgeizigen Konnektivitätsziele Europas für 2030 – alle Haushalte mit einem Gigabit-Festnetz und alle besiedelten Gebiete mit 5G zu versorgen – hängt von kontinuierlichen Investitionen der Telekommunikationsbetreiber ab", schreibt das Trio im Online-Magazin Politico. Parallel müssten Netzbetreiber an Frequenzauktionen teilnehmen, die teilweise erst bei Hunderten Millionen Euro endeten. Diese Ausgaben würden oft durch kurze Lizenzlaufzeiten noch verschlimmert.

Diese Faktoren haben laut den Vertretern der Ausrüster und des Netzbetreibers in der Kombination mit "steigenden Kosten, Inflation, Zinserhöhungen und dem Druck zum Aufrechterhalten niedriger Preise einen unheilvollen Sturm heraufziehen lassen, "der die langfristige Überlebensfähigkeit des Telekommunikationssektors bedroht". Zugleich würden damit "Europas eigene digitale Ambitionen gefährdet". Für die Autoren steht daher fest: "Es muss sich etwas ändern."

Einer ihrer Vorschläge: Dem gesamten digitalen Ökosystem würde ihnen zufolge eine "Modernisierung der Regulierung" guttun. Die Verringerung des Verwaltungsaufwands und die Konzentration auf weniger, flexiblere und einfachere Vorschriften schienen "die richtigen Zutaten zu sein, wenn Europa für den nächsten Innovationszyklus bereit sein will".

Auch der vom bisherigen EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton geplante Digital Networks Act (DNA) könnte eine Schlüsselrolle für das Überleben des Sektors spielen, betonen die Lobbyisten. Damit soll etwa die Vergabe von Funkfrequenzen harmonisiert werden. Zudem soll die Branche befähigt werden, sich auf die nächste Generation von Telekommunikationsmärkten auszurichten, auf denen in Software gegossene Lösungen in Verbindung mit Cloud- und Edge-Computing den Ton angeben dürften. Abhängigkeiten von chinesischen Ausrüstern will Breton abbauen.

Anderweitig erkennen die drei Netzwerker ebenfalls "erste Anzeichen dafür, dass sich die politischen Entscheidungsträger in die richtige Richtung bewegen". Sie begrüßen etwa den Bericht des früheren italienischen Ministerpräsidenten Enrico Letta zum Binnenmarkt, wonach "Größe" gerade bei Telcos entscheidend sei. Auch Deutschland und Frankreich wollen in diesem Sinne "europäische Champions" gerade im Mobilfunksektor ermöglichen, was Kartellwächtern und Verbraucherschützern aber übel aufstößt.

Die Bundesnetzagentur berate zudem derzeit über Vorschläge zur Verlängerung von Frequenzlizenzen um weitere fünf Jahre, heben die Verfasser lobend hervor. Im Gegenzug müssten sich die Betreiber verpflichten, bestimmte Versorgungsverpflichtungen einzuhalten und bis 2030 99 Prozent der ländlichen Haushalte mit schnellem Internet zu versorgen. Die Initiative ist aber umstritten, da dabei der Neueinsteiger 1&1 zu kurz kommen könnte.

Bemerkenswerterweise nicht auf der Wunschliste: Eine Big-Tech-Kostenbeteiligung am Netzausbau, wie sie Telekom, Vodafone & Co. sonst ständig fordern.

(mki)