Erwartete Kritik an der Digitalstrategie der ARD

Wenig überraschend fallen die Reaktionen auf die ARD-Digitalstrategie aus. Privatsender und Verleger stoßen ins selbe Horn.

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"Digitalstrategie" klingt gut, wenn auch im Falle der ARD schwer nach Florian Silbereisens Videopodcast. Die Kritiker des öffentlich-rechtlichen Wesens im Netz bringen allerdings weniger inhaltliche, sondern eher grundsätzliche Bedenken gegen die Digitalpläne der ARD vor. Nachdem die Intendantenrunde ihre Strategie am vergangenen Dienstag offiziell vorgestellt hatte, brauchte die private Konkurrenz nicht lange, um sich zu sammeln. Die ARD wolle ein "digitales Utopia" aufbauen, kritisierte der Verband der privaten Rundfunk- und Telemedien (VPRT), und das zu Lasten des dualen Rundfunksystems und des Gebührenzahlers. Das Papier der ARD-Granden dokumentiere einen totalen "Realitätsverlust".

Von einem "Affront" für die Bundesländer und die EU-Kommission spricht VPRT-Chef Jürgen Doetz und weist auf die Pläne der Länder hin, Teile der EU-Vorgaben bereits vor der Festschreibung im Rundfunkstaatsvertrag umzusetzen. Die EU-Kommission hatte auf ein Verfahren gegen Deutschland wegen der Rundfunkfinanzierung zwar verzichtet, hält das System der ÖR-Finanzierung aber dennoch für nicht mit EU-Beihilferegeln vereinbar. In spätestens zwei Jahren sollen entsprechende Änderungen umgesetzt sein. Dabei geht es auch im die Finanzierung der Online-Aktivitäten öffentlich-rechtlicher Sender.

ARD und ZDF machen den privaten Medienunternehmen im Internet Konkurrenz. Aufgrund einer freiwilligen Selbstbeschränkung im Rundfunkstaatsvertrag dürfen sie dafür nicht mehr als 0,75 Prozent ihres gebührenfinanzierten Haushalts aufwenden. Bei dem Milliardenbudget der Anstalten ist das immer noch ein hübsches Sümmchen – rund 50 Millionen Euro. Diese Grenze soll nun fallen, die ARD möchte auch im Internet richtig Geld in die Hand nehmen. Der Wettbewerb wird dann intensiver. Die Öffentlich-Rechtlichen sehen sich als Qualitätsgaranten im sonst eher flachen Netz und führen dafür gerne die zahlreichen Preise an – die Sender sind auf Grimme-Online-Awards fast abonniert. Eine teure Multimedia-Anwendung über das Holocaust-Mahnmal kann auch nur jemand ins Netz stellen, der nicht allzu genau rechnen muss.

Private Medienunternehmen, die nach dem Zusammenbruch der New Economy, eigenen Investitionen und vielleicht einem langen Atem endlich anfangen, auch im Netz Geld zu verdienen, blicken neidisch auf die Fleischtöpfe von ARD und ZDF. Da wird diskutiert, ob das öffentlich-rechtliche Netz "programmbegleitend" und "auftragsgemäß" ist. Ob die Sender ihrem Informations- und Bildungsauftrag noch ausreichend gerecht werden, darf angesichts der zahlreichen Silbereisen-Klone im Programm sicher diskutiert werden. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung – als Printprodukt ein Schlachtschiff der deutschen Intelligenzia, im Netz ein Portal unter vielen – übt das Schwarzsehen und erkennt in der ARD-Offensive nicht weniger als die "Enteignung der freien Presse".

Die angesprochene freie Presse, vertreten durch den Bundesverband der deutschen Zeitungsverleger (BDZV), sieht sich selbst etwas wehrhafter. Der Verbandschef Guido Wolff drückt in derselben Zeitung seine Bedenken aus, die ungebremsten öffentlich-rechtliche Aktivitäten im Internet könnten die Entwicklung der privaten Medienwirtschaft hemmen. Wolff vertraut auf Brüssel: Wenn der eigentliche Wettbewerb nur noch im Windschatten der ÖR-Tanker stattfinde, wäre das wettbewerbs-, ordnungs- und medienpolitisch untragbar und bei der EU nicht mehr zu vermitteln. Wenig Angst hat auch die online gerade relaunchte taz, die eine "Strategie ohne Plan" diagnostiziert und dem Moloch ARD zum ersten "Tippelschritt" in Richtung digitales Zeitalter gratuliert.

Dabei ignorieren die Print-Macher gerne, dass es außer ihnen und den Fernsehsendern noch eine Vielzahl anderer Angebote im Netz gibt, die nicht auf große Verlagsarchive zugreifen können. Die keinen Drucktitel als Zugpferd und Contentlieferant haben. Auch die müssen sich im Wettbewerb mit ARD, FAZ und anderen Dickschiffen behaupten. Vielleicht verdienen sie sogar Geld damit. Jammern hört man sie zumindest nicht. (vbr)