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Es muss nicht immer Lego sein: Alternative Klemmbaustein-Hersteller holen auf

Michael Reimann

(Bild: Michael Reimann)

Lego wird 90 und gefeiert. Doch hat der Konzern nicht alles im Programm, was sich Klemmbaustein-Fans wünschen. Wir stellen die Alternativen vor.

Alles Lego oder was im Bereich der Klemmbausteine? Im Gegenteil. Auch wenn das Unternehmen aus Billund, das in diesem Jahr seinen 90. Geburtstag feiert [1], sich immer mal wieder erfolgreich gegen Kopien seiner Bauteile wehrt, im Großen und Ganzen ist der Schutz der Steine abgelaufen. Dadurch ist es möglich, dass nun auch andere Hersteller viele der kleinen Kunststoffteile produzieren können.

Das alleine wäre aber nicht Alles. Denn was nützten die schönsten Bauteile, wenn es an Konstruktionen oder an Anleitungen fehlen würde. Doch hier hat sich in den vergangenen Jahren eine lebhafte Industrie entwickelt. Eine Entwicklung, die, so steht zu vermuten, durch die Corona-Pandemie befeuert und durch den Drang der Menschen verstärkt wurde, im Lockdown immer neue Bausätze auszuprobieren.

Die alternativen Hersteller bedienen dabei zum Teil Themen, die der Marktführer aus Dänemark nicht im Programm hat – oder haben will. Da kommen neben Panzern und anderem Militärgerät allerlei Fahrzeuge, Science-Fiction-Modelle und Gebäude auf den heimischen Bautisch.

Praktisch kein Genre wird ausgelassen. Vom Rheingold-Express der Deutschen Bundesbahn [2] im Minifigurenmaßstab (ca. 1:42) über ein Modell von H.R. Gigers Alien [3] bis hin zu Dinosauriern (mit passendem Soundmodul) [4] finden sich nahezu endlose Bausätze. Wie wäre es zum Beispiel mit der Wohnung von Sherlock Holmes in der Baker Street [5], oder einem Teleskoplader mit Fernsteuerung [6]? Auto-Fans können sich an einem in der EU produzierten Set des Opel Manta erfreuen.

Berühmte Filmautos wie Kitt, der DeLorean aus Zurück in die Zukunft oder ein Lotus Esprit aus "James Bond – der Spion der mich liebte" finden sich in den diversen Online-Shops neben zahllosen Gebäuden, Raketen, Robotern und allem, was die Fantasie so hergibt. Meistens zu Preisen, die deutlich unter denen der dänischen Marke liegen.

Bei so viel Auswahl zu günstigen Preisen fragt sich der geneigte Kunde: Wo ist der Haken? Und ja, es gibt bei den Alternativen durchaus auch den einen oder anderen Fallstrick. Wenn man diese kennt, kann man damit aber umgehen und sich entsprechend entscheiden. Daher hier eine kleine (sicher nicht vollständige) Übersicht einiger Anbieter. Der Markt ist allerdings so groß und unübersichtlich, dass der Autor sicher den einen oder anderen vergessen und/oder übersehen hat.

Die Firma Bluebrixx [7]aus Flörsheim in der Nähe von Frankfurt verkauft neben ihren eigenen Designs unter dem Label "Bluebrixx Special" auch Sets anderer Hersteller. Erst kürzlich hat man eine Lizenz für Star-Trek-Modelle erhalten und produziert unter dem Label "Bluebrixx Pro" nun die Enterprise, Birds Of Prey und Co.

Die Bauteile bezieht man dabei von chinesischen Herstellern. Die "Bluebrixx Special" Sets kommen in einem neutralen Pappkarton und die Anleitung gibt es zum Download. Besonderheit: Alle Online verfügbaren Anleitungen können nach einer Registrierung auf der Seite kostenlos geladen werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob man das Set gekauft hat oder nicht. Bluebrixx betreibt auch eine bundesweite Filialkette mit inzwischen 19 Stores.

Diese hat sich in den letzten Jahren verbessert und kommt nahe an die des Marktführers heran. Probleme mit so genannten Fehlgüssen gibt es fast gar nicht mehr. Lediglich transparente Teile wie Fenster können manchmal Kratzer aufweisen. Die Klemmkraft ist gut bis sehr gut.

Die "Bluebrixx Special" Sets kommen ohne so genannte Bauschritte daher. Das bedeutet, dass alle Teile auf einem großen Haufen liegen oder vorher sortiert werden müssen. Bei großen Sets mit mittlerer vierstelliger Teileanzahl kann das schon mal etwas länger dauern. Die Anleitungen zeigen meistens detailliert was wo hin geklemmt werden muss. Manchmal braucht es etwas Fantasie, um die Bauschritte genau zu erkennen.

Die Preise der eigenen Sets richten sich in erster Linie nach der Teileanzahl. Für ein Set mit 1000 Teilen zahlt man rund 45 Euro.

Eine Ausnahme im Reigen der Alternativen stellt der polnische Hersteller COBI [8]dar. Es werden ausschließlich eigene Designs verkauft und die gesamte Produktion inklusive der Steine findet innerhalb der EU statt. Das 1987 in Polen unter den Namen ETROB gegründete Unternehmen ist ein Spielwaren-Hersteller, der eben auch eine Klemmbaustein-Sparte hat. COBI ist bekannt geworden durch seine zahlreichen militärischen Modelle. Dazu zählen neben historischen Schiffen wie dem Flugzeugträger Graf Zeppelin, der USS Enterprise, der Missouri und einigen U-Booten auch diverse Panzer und andere Fahrzeuge.

Seit einigen Monaten hat man bei COBI eine Lizenz für Fahrzeuge von Opel und hat damit bisher den Opel Rekord (Die schwarze Witwe) und den Opel Manta (A 1970) herausgebracht. Aber auch Maserati, Citroen und natürlich Skoda stehen auf der Liste der Polen. Dies hat Tradition und hebt COBI von den Herstellern aus Fernost ab, da es schon in der Vergangenheit Lizenzen für z.B. Dr. WHO, Scooby Doo, den Pinguinen von Madagaskar oder sogar der Formel 1 und des FC Barcelona gab. Auch andere zivile Bausätze findet man inzwischen im Sortiment. Neben der Concorde (Version British Airways) sind auch die Titanic (im Maßstab 1:300) und das Spaceshuttle erhältlich.

COBI produziert in eigenen Fabriken. Die Teilequalität ist top. Weil man nicht auf Zulieferer angewiesen ist, gibt es bei den Polen auch zahlreiche Spezialteile, die für eine bessere Gestaltung der Modelle sorgen. Erkenntlich sind COBI-Steine am Schriftzug auf den Noppen. Ähnlich wie man es auch aus Billund kennt. Leider passiert es immer noch, dass gelegentlich Einzelteile in einem Set fehlen. COBI liefert diese aber nach Meldung kostenlos nach. COBI-Steinen wird eine enorme Klemmkraft nachgesagt.

Zu den Sets gibt es immer eine gedruckte Anleitung auf hochwertigem Papier. Die Sets sind in der Regel in Bauschritte unterteilt und in der Anleitung ist der jeweils zu bauende Abschnitt farblich markiert. Bereits gebaute Bereiche werden grau dargestellt.

COBI-Sets kommen in Hochglanzkartons mit gedruckter Anleitung. Die Preise sind ähnlich wie bei Lego. Dafür bekommt man ein vollständig in der EU hergestelltes Produkt. Der erwähnte Opel Manta mit über 2100 Teilen kostet etwa 135 Euro.

Der chinesische Anbieter CaDA ist hauptsächlich durch seine Technik-Modelle bekannt geworden. Als einer der ersten Hersteller hat CaDA offiziell mit Designern (auch aus Deutschland) zusammengearbeitet und dabei Lizenzen der MOCs erworben. Auf diese Weise sind zum Beispiel in der "Masters"-Serie ein blaues Super-Car entstanden, das einem Lamborghini verdächtig ähnlich sieht. Das Auto aus der Hand des niederländischen Ingenieurs Thijs De Bour zählt zu den komplexesten Klemmbaustein-Technik-Sets überhaupt.

Aus Deutschland kommt hingegen das Italian Super-Car, das von Bruno Jenson entwickelt wurde. Auch hier gibt es keine Lizenz eines Autoherstellers, auch wenn die "Karre" verdächtig an einen Ferrari erinnert. Den Titel "CaDA Master Series" tragen die Modelle nicht zu Unrecht. Als Anfängerin oder Anfänger sollte man wegen der Komplexität die Finger davon lassen.

Seit einiger Zeit hat CaDA auch Modelle aus Systemsteinen im Programm. Dazu zählen einige Gebäude und ein Modell der Erde, der Sonne und des Mondes, das sich durch eine Kurbel bedienen lässt. Bei CaDA kommen ähnlich wie bei COBI eigene Steine zum Einsatz, was man ebenfalls an den Noppen mit dem Firmennamen erkennen kann. Sets können im CaDA-Online-Store in China gekauft werden und landen je nach Verfügbarkeit innerhalb weniger Tage beim Kunden. Allerdings können Einfuhrumsatzsteuer und andere Abgaben den Einkauf verteuern. Daher kann es sich lohnen, bei deutschen Online-Händlern oder in Fachgeschäften danach zu schauen.

CaDA produziert selbst. Die Technik-Elemente, die zu denen aus Dänemark kompatibel sind, haben eine gute Qualität. Fehlgüsse kommen so gut wie nicht mehr vor. Auch Fehlteile sind äußerst selten geworden.

Alle Sets kommen mit gedruckten Anleitungen. Diese sind in der Regel gut verständlich und bei besonderen Bauschritten wird auch die Perspektive angepasst. Bei der Masters Serie gab es anfänglich das Problem, dass zu viele Bauschritte auf einer Seite dargestellt wurden. So konnte man schlechter erkennen, was gemeint war. Inzwischen überarbeitet CaDA die Anleitungen der Lizenzgeber und übernimmt diese nicht mehr 1:1. Bei großen Sets werden auch hier nummerierte Bauschritte verwendet, was die Übersichtlichkeit stark verbessert. In der Online-Datenbank sind fast alle Anleitungen auch als PDF zu bekommen.

CaDA-Sets bieten ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis. Wer große Technik-Modelle mag ist hier genau richtig. Lizenzmodelle sind naturgemäß etwas teurer, aber es gibt durchaus auch generische Sets (ohne Lizenz) zu erschwinglichen Preisen. Das Italian Super-Car mit über 3100 Teilen [9] bekommt man für ca. 220 Euro.

(Bild: Michael Reimann)

Wie die meisten anderen Hersteller kommt auch Wange aus China. Man hat sich auf Architektur-Modelle spezialisiert. Hierbei konzentriert man sich hauptsächlich auf Wahrzeichen großer Städte. Der Eiffelturm gehört ebenso dazu, wie das UN-Hauptquartier in New York City. Neu sind bei Wange die Bilder der Art-Serie. Hier findet sich zum Beispiel eine Mona Lisa und die Starry Night von Vincent van Gogh, die in anderer Form auch bei Lego im Programm ist.

Wange [10]stellt seine Steine größtenteils selbst her. Bekannt sind die Teile für eine hohe Klemmkraft. Damit die Teile gut halten, muss aber auch Kraft beim Zusammendrücken aufgewendet werden. Sollte man sich verbauen, kann es schwieriger werden, die Teile wieder zu lösen. Die Modelle sind im Entstehungsprozess etwas wackelig konstruiert. Außerdem merkt man, dass viele Designs ausschließlich am Computer entstehen und vielleicht nicht oder nicht vollständig vorher getestet werden. Es kommt immer mal wieder vor, das einzelne Teile "in der Luft schweben" und erst in einem der folgenden Bauschritte verbunden und stabilisiert werden.

Hohe Klemmkraft hat viele Vorteile, aber auch den Nachteil, dass man sie im Zweifel nur schwer wieder auseinander bekommt. Ab und zu gibt es mal Fehlteile. Fehlgüsse, also fehlerhafte Steine nur sehr selten.

Auch bei Wange werden bereits gebaute Abschnitte farblos dargestellt. Wie beschrieben bekommt man zumindest manchmal den Eindruck, dass Modelle ausschließlich am Rechner entstanden sind. Teile schweben in der Luft und werden erst in folgenden Bauschritten montiert. Die Reihenfolge der Bauschritte ist nicht immer logisch.

Wer sich die Sehenswürdigkeiten dieser Welt als Klemmbaustein-Set ins Wohnzimmer holen will, macht bei Wange nicht viel falsch. Die Preise sind moderat und die Sets nicht nur in Asien, sondern auch lokalen Spielzeugläden erhältlich. Das Empire-State-Building mit über 1900 Teilen gibt es für rund 45 Euro.

(Bild: Michael Reimann)

Wenn es um Kompatibilität zum dänischen Original oder den anderen genannten Anbietern geht, fällt Loz raus. Die deutsche Firma, die in China produzieren lässt, hat die Steine um ein Viertel geschrumpft. Mit anderen Worten: Loz-Modelle sind deutlich kleiner als ihre Konkurrenz. Auch hier gibt es eine große Auswahl an Sets. Von Architektur, Fahrzeugen, Tieren bis hin zu Technik-Modellen ist alles am Start.

Die kleineren Teile lassen sich auch gut verarbeiten und haben eine gute Klemmkraft. Wegen ihrer besonderen Kleinheit ist man darauf angewiesen, dass Sets immer alle Teile enthalten, denn aus dem eigenen Vorrat in "Standardgröße" kann man sich bei Fehlteilen ja nicht bedienen. Preislich bewegt man sich im mittleren Segment. Ein 400 Teile Set kostet zwischen 25 und 30 Euro.

Loz [11] steht anderen Herstellern in nichts nach. Die Steine haben eine gute Klemmkraft. Ihre Kleinheit ändert daran nichts. Fehlteile gibt es fast nie.

Der Hersteller orientiert sich an anderen und zeigt den jeweiligen Bauschritt in Farbe. Bereits gebaute Abschnitte und Teile werden farblos dargestellt. Je nach Umfang des Sets gibt es ein Anleitungsheft oder einen großen Anleitungsbogen. Die Anzahl der dargestellten Bauschritte pro Seite variiert von Set zu Set.

Wer nicht viel Platz für Modelle hat, kann bei Loz durchaus fündig werden. Ein 1200 Teile Gebäude kostet beispielsweise 45 Euro. Preislich also durchaus im Bereich der Konkurrenz.

Die vor 10 Jahren gegründete Firma Mould King sieht sich immer mal wieder Anschuldigungen gegenüber, man würde "geklaute MOCs [12]" verkaufen, also Klemmbaustein-Sets an denen der ursprüngliche Hobby-Designer nichts verdient und deren Vertrieb er auch nicht autorisiert hat. Die Mehrzahl der Sets des in Shantou City in China ansässigen Unternehmens scheint aber inzwischen frei von diesen Problematiken zu sein.

Mould King bietet eine breite Palette von Sets aus vielen Bereichen an. Dazu zählen unter anderem Häuser, Technik-Fahrzeuge und an Star Wars angelehnte Raumschiffe. Die Firma kauft ihre Steine am Markt ein und verwendet in den meisten Fällen "Go Bricks" Klemmbausteine, denen eine ähnliche Qualität nachgesagt wird, wie den Vorbildern aus Dänemark. Die Sets sind in Deutschland in vielen Klemmbaustein-Geschäften und natürlich auch online erhältlich.

In der Regel sind die Bausteine von sehr guter Qualität. Mould King hat offenbar auch daran gearbeitet, Fehlteile zu vermeiden und auch Fehlproduktionen sind eher selten bis gar nicht mehr vorhanden.

Auch hier hat Mould King aufgeholt, auch wenn immer mal wieder zu viele Bauschritte auf einer Seite vorhanden sind und das Ganze damit doch unübersichtlich wird.

Der Hersteller bietet große Sets mit vielen Teilen zu einigermaßen überschaubaren Preisen. Ein modulares Gebäude mit fast 4000 Teilen schlägt mit etwa 180 Euro zu Buche.

Die aufgelisteten Firmen geben nur einen kleinen Teil des Marktes der alternativen Hersteller von Klemmbausteinen wieder. Neue Firmen – meistens mit chinesischen Wurzeln – entstehen fast im Wochentakt. In der Regel verschwinden sie auch schnell wieder vom Markt. Eine vollständige Übersicht ist daher schwer.

Der Markt auf asiatischen Handelsplattformen ist unübersichtlich und wegen der immer wieder auftauchenden Plagiate auch nicht leicht zu verstehen. Als Faustregel kann gelten: Wenn der Hersteller in einem deutschen Online-Shop oder Ladengeschäft zu erhalten ist, wird er wohl etwas mehr Bestand und Qualität haben.

Außerdem bietet ein Kauf hier im Land den Vorteil, dass im Falle von Fehlteilen oder defekten Bausteinen der Händler in der Pflicht ist, den Mangel zu beheben. Chinesische Shops schreiben zwar auf ihren Webseiten oft, dass sie nach einem Kauf Support leisten, ob der gut ist und wie er aussieht, ist aber nicht immer klar.

(tkn [13])


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[1] https://www.heise.de/hintergrund/90-Jahre-Lego-Das-sind-die-besten-Nerd-Sets-7195715.html
[2] https://www.bluebrixx.com/de/trains/104283/Lokomotive-BR103-DB-Rheingold-8w-BlueBrixx-Special
[3] https://www.modbrix.de/products/alien-xenomorph-figur-29-cm-603-klemmbausteine
[4] http://www.steingemachtes.de/forange-fc6206-brachiosaurus-mit-sound/FC6206
[5] https://www.brickkk.com/products/pantasy-86218-sherlock-holmes-apartment-building-blocks
[6] https://www.freakware.de/p/teleskoplader-1-17-1469-teile-c61051w-a169650.htm
[7] https://www.bluebrixx.com/de/bluebrixx
[8] https://cobitoys.de
[9] https://decadastore.com/en-de/collections/master-series/products/cada-italian-supercar-c61042w
[10] https://wange.store
[11] https://lozshop.com
[12] https://www.heise.de/news/Aus-Lego-die-Welt-bauen-MOCs-und-wie-man-sie-macht-7215858.html
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