"Es verletzt niemanden"

US-Präsident Obama spricht sich für gleichgeschlechtliche Ehen aus und löst damit eine Flut von Reaktionen aus

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Vize-Präsident Joe Biden hatte Obama in Zugzwang gebracht, als er vor ein paar Tagen in einem Interview bekannte, dass er gleichgeschlechtlichen Ehen freundlich gegenüberstehe: "I am absolutely comfortable.." Die darauffolgenden Medienberichte erhöhten in der Öffentlichkeit die Spannung, wie denn der Standpunkt des Präsidenten dazu aussehe.

Es war dann eigentlich nur mehr eine Frage des richtigen Timings, bis sich Obama dazu erklären würde, so der Bericht der New York Times: "Der Druck wurde zu groß, um länger zu warten." Also erklärte Obama gestern seine Überzeugung, dass es gleichgeschlechtlichen Paaren möglich sein sollte zu heiraten.

Anscheinend war man im Berater-Lager des Präsidenten davon überzeugt, dass sich mit der Zustimmung Obamas zur gleichgeschlechtlichen Ehe mehr Stimmen gewinnen lassen, als dass er sie mit seiner Positionierung verlieren würde. Dafür spricht die Einschätzung, die im Zeitungsbericht wiedergegeben wird, wonach die öffentliche Unterstützung für same-sex marriage derart zunehme, dass selbst Umfrage-Profis davon überrascht seien. Angehörige der älteren Generation, die sich eindeutig gegen solche Ehen aussprechen, gerieten gegenüber von Jüngeren, die sich dafür aussprechen, in die Minderheit.

So könnte die Äußerung Obamas ein geglücktes Wahlkampfmanöver bedeuten, da es ein Thema in den Vordergrund spielt, wo er nicht viel zu verlieren hat – nach der Ansicht, dass Gegner ohnehin in der Mehrzahl im überzeugten Republikanerlager zu finden sind -, aber einiges zu gewinnen, bei den Wechselwählern. Dass die Debatte in den USA auf viel Resonanz trifft, zeigt allein schon das Kommentarfeld des New-York-Times-Artikels. Bis heute Mittag 13 Uhr europäischer Zeit waren es 1.833 Kommentare. Die Reaktionen auf die Äueßerung Obamas sind, wie ein Kommentator selbst schreibt, die "größere Geschichte".

Groß ist jedenfalls der Einsatz, der für manche auf dem Spiel zu stehen scheint: So geht es um die menschliche Evolution, die mit gleichgeschlechtlichen Ehen gefährdet wird: "I think that we are going to stop our human evolution to succeed in a method that we are going to decrease our genetic reproduction, since the same gender are not capable to reproduce themselves." Um die Abkehr von Gott und einer 6.000 (!)jährigen Geschichte:

"We think we are pretty smart to over ride close to 6 thousand years of Judeo Christian culture, or is the word arrogant?"

"Gays and anyone else who supports same sex marriage are Godless and immoral."

Ob sie denn noch andere Argumente haben als solche, die auf ein paar Bibelverse anspielen, fragen demgegenüber Befürworter der gleichgeschlechtlichen Ehe. Die Zivilehe habe mit solchen religiösen Voreingenommenheiten nichts zu schaffen. Den Drohungen der Forenten, die mit angeblich "85 Prozent der Wähler, die an Gott glauben" im Rücken, alle Politiker, die gleichgeschlechtliche Ehen befürworten, aus dem Amt zu wählen, stehen enthusiastische Aussagen gegenüber, die in Europa so wohl nicht zu hören wären:

"The President of my country, the leader of the Free World, the most powerful man on Earth stated, without equivocation, that I am OK and that I deserve the same rights and respect as all other citizens."

"God bless you, President Obama. You have changed my life."

"The first 21st. century president."

Hält man sich vor Augen, welche politischen Entscheidungen der Friedensnobelpreisträger in seiner ersten Amtszeit, wo etwa mehr Drohnen losgeschickt wurden als unter seinem Vorgänger, getroffen hat, so mag man dem Forumsbeitrag zustimmen, der zur aktuellen Äußerung, die Obama zur zweiten Amtszeit verhelfen soll, moderat kommetiert: "It doesn't hurt anyone."