Ethereums Abschied vom Mining: Erster Teil des Merge-Updates aktiv

Ethereums Schluss-Strich unter die Kryptowährungschürferei rückt näher: Am Dienstag wurde der erste Teil der zweistufigen Protokolländerung aktiviert.

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Auf das Bellatrix-Update könnte wahrscheinlich in der nächsten Woche das Paris-Update folgen, mit dem Ethereum vom stromhungrigen Mining auf sparsameres Staking umstellt.

(Bild: Ethereum Foundation)

Lesezeit: 7 Min.
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Das Ethereum-Netzwerk hat wie geplant am Dienstagmittag den ersten Teil des Protokoll-Updates aktiviert, der das Ende des Minings für die Kryptoplattform einläutet. Das "Bellatrix" genannte Teil-Update bereitet zunächst nur die schon mit Proof of Stake laufende Beacon-Chain auf die Zusammenführung mit dem noch mit Proof of Work arbeitenden Ausführungs-Layer zusammen. Große Börsen wie Binance hatten Abhebungen und Einzahlungen von Ether sowie Tokens auf der Ethereum-Blockchain zeitweise pausiert, inzwischen aber wieder aufgenommen.

Bislang scheint das Update auch keine Probleme hervorgerufen zu haben. Der entscheidende Moment des zweistufigen Umstiegs kommt aber auch erst noch: Auf Bellatrix folgt dann das Paris genannte Update für die noch auf Proof of Work laufende Netzwerkschicht. Hier ist das Erreichen eines festgelegten Schwierigkeitswerts beim Mining ausschlaggebender Trigger. Die "Difficulty" gibt an, wie viele Hashwerte ein Miner im Durchschnitt produzieren muss, bis er einen gültigen zur Blockproduktion findet.

Sobald der Wert der "Terminal Total Difficulty" von 58.750.000.000.000.000.000.000 (58,75 Trilliarden) erreicht ist, soll es sich endgültig ausgeschürft haben. Der nächste Block werde dann, so das Update funktioniert, im PoS-Verfahren erzeugt. Wann genau der Block mit der Zielschwierigkeit erzeugt wird, hängt von der Leistung ab, die sich zum Schürfen versammelt. Aktuellen Schätzungen nach könnte es am 14. oder 15. September soweit sein.

Ethereums Übergang trägt den Namen Merge, also Verschmelzung, weil es darum geht, im bestehenden Mainnet den noch mit Proof of Work arbeitenden Ausführungs-Layer mit der Proof of Stake verwendenden Beacon Chain zusammenzubringen. Die Beacon Chain ist seit Ende 2020 in Betrieb. Sie führt einen Konsens-Layer ein, bei dem Blöcke dann nicht mehr durch Mining, also das rechen- und stromintensive Finden von passenden Hashes bestätigt werden. Stattdessen gibt es nun die Rolle der Validierer, die sich mit einer Einlage von 32 Ether in diese Position einkaufen und für die Erzeugung regelkonformer Blöcke sorgen sollen. Das wird als Staking bezeichnet.

Auffällig ist, dass über ein Viertel der Betreiber von Nodes des Ethereum-Netzwerks noch nicht auf die neuen Versionen der Clientsoftware gewechselt sind, wie aus Zahlen von Ethernodes.org hervorgeht. Diese Nodes könnten dann bei Finalisierung des Umstiegs die Chain nach alten Regeln weiterführen und nicht mehr am neuen Netzwerk teilnehmen. Ethereum könnte sich spalten, was als Fork bezeichnet wird.

Angekündigt ist so ein Fork für Ethereum auch bereits: EthereumPoW ist der Name des Projekts, das Ethereum auch weiterhin in der Version mit GPU-Schürferei weiterführen will. Erste Börsen haben bereits signalisiert, einen möglichen neuen Coin in ihrem Handel zu unterstützen. Ein mit Mining weiterlaufendes Ethereum gibt es aber auch schon seit 2016 unter dem Namen Ethereum classic. Eine Änderung der in der Blockchain, die die Folgen des DAO-Hacks ausbügeln sollte, führte damals zu einer Teilung. Im Vorfeld des Merges kletterte der Kurs von Ethereum classic auch schon erheblich, derzeit notiert die Kryptowährung bei leicht über 40 US-Dollar.

Sofern der Merge nicht an technischen Schwierigkeiten scheitert, scheint die Mehrheit der Community und der Dienstleister rund um Ethereum aber voll hinter dem Umstieg zu stehen. Dass ein weiterer schürfender Ethereum-Zweig dem PoS-Ethereum den Rang als Nummer zwei unter den Kryptowährungen abknöpfen könnte, ist unwahrscheinlich.

Mit dem möglichen Ende des Minings soll dann auch der Stromverbrauch des Ethereum-Netzwerks erheblich fallen. Die Ethereum Foundation spricht von 99,95 Prozent weniger Verbrauch. Schätzungen von Digiconomist zufolge verbraucht Ethereum aktuell rund 112 Terawattstunden pro Jahr, was ungefähr dem Bedarf eines kleinen Industrielands wie den Niederlanden entspricht – bei einem CO₂-Ausstoß wie ungefähr der des Stadtstaats Singapur. Nach dem Merge soll das laut der Foundation dann auf 0,01 Terawattstunden pro Jahr fallen.

Wie sich das Update auf den Kurs von Ethereum auswirkt, bleibt noch ein spannendes Fragezeichen. Einige Faktoren könnten steigende Preise begünstigen. Zum einen gibt es keine Miner mehr. Und damit auch niemanden, der regelmäßig erschürfte Coins auf den Markt werfen muss, um etwa seine Betriebskosten für Strom, Hardwarewartung und Ähnliches zu finanzieren. Zugleich sind die Einlagen der Staker auch nach dem Update noch eingefroren. Sie können erst nach weiteren Updates über ihr Geld verfügen, für die es noch keine Termine gibt. Auch da ist also kein Verkaufsdruck zu erwarten.

Außerdem soll die vom System ausgeschüttete Belohnung für neue Blöcke deutlich sinken. Aktuell werden für die Miner rund 13.000 Ether pro Tag als Belohnung neu erschaffen. Mit Staking sollen das nur noch 1600 Ether pro Tag sein. Hinzu kommen die Auswirkungen eines 2021 eingeführten Updates namens London. Es sorgt unter anderem dafür, dass ein Teil der Entgelte für jede Transaktion vernichtet wird. Es wird also Ether aus dem Umlauf genommen.

Insgesamt soll die derzeitige Inflation der Ethergeldmenge von 4,13 Prozent auf nur mehr 0,49 Prozent fallen, rechnet die Ethereum Foundation vor. Weniger frische Coins könnten die bestehenden wertvoller machen. Einen kurssteigernden Effekt hat man beim Bitcoin jedenfalls regelmäßig beobachten können, wenn sich die Belohnung für die Miner halbierte. Aber das heißt natürlich nicht, dass die Kurse nicht trotzdem wild schwanken und Ethereum rasant an Wert verlieren könnte, wie es bei Kryptowährungen Normalität ist. Und längst sind auch Ereignisse, die für Kursbewegungen in der konventionellen Finanzwelt sorgen, auch in der Kryptowelt Anlass für Anstiege oder Verluste.

Was sich mit dem Update nicht wesentlich ändert, ist die Leistungsfähigkeit des Ethereum-Netzwerks bei der Verarbeitung von Transaktionen. Auch an den Ausführungsgebühren, Gas genannt, die gerade bei viel Auslastung schnell hochklettern, wird sich mit dem Merge nichts ändern. Laut Ethereum Foundation soll es ganz leichte Geschwindigkeitsvorteile geben, konkret soll sich die Generierungszeit neuer Blöcke von 13,6 Sekunden auf 12 Sekunden absenken. Aber das soll nur marginale Vorteile bringen.

Die Leistungsfähigkeit des Netzwerks will man mit späteren Updates verbessern. "Sharding" steht dafür als Nächstes auf der Roadmap der Ethereum-Entwickler. Dazu soll Ethereum in 64 kleinere Blockketten aufgeteilt werden.

(axk)