Euro Hawk: Bauernopfer im Verteidigungsministerium
Ein Staatssekretär hat im Untersuchungsausschuss zum Euro Hawk die Verantwortung dafür übernommen, dass Verteidigungsminister de Maizière nicht rechtzeitig informiert wurde. Unterdessen erklärt sich EADS zum Gewinner der Affäre.
Staatssekretär Stéphane Beemelmans hat im Euro-Hawk-Untersuchungsausschuss erklärt, er habe seinen Chef, Verteidigungsminister Thomas de Maizière, zu spät vom ganzen Ausmaß des Drohnendebakels informiert. Er habe erst am 13. Mai 2013 eine Vorlage erstellt und übermittelt, weil es damals einer Grundsatzentscheidung bedurfte. Bis dahin habe de Maizière keine Kenntnis von den Problemen beim Euro Hawk gehabt.
Mit der Aussage von Beemelmans wird die Argumentation de Maizières gestützt, er habe zwar allgemein gehört, dass es Probleme beim Euro Hawk gebe, aber erst am 13. Mai erfahren, dass diese Probleme "unlösbar" seien. Das Eingeständnis von Beemelmans dürfte dazu führen, dass der Staatssekretär von seinem Posten entbunden wird und de Maizière unbelastet in den Wahlkampf ziehen kann.
Zuvor geriet im Untersuchungsausschuss Bernhard Gerwert, der Chef der EADS-Luftfahrtsparte Cassidian, in arge Bedrängnis. Er wurde von den Abgeordneten gefragt, ob er die Studie "Alternativen zur Trägerplattform Euro Hawk" kenne. Gerwert verneinte dies zunächst, musste aber dann zugeben, dass Cassidian einen Teil der an IABG vergebenen Studie selbst erstellt hatte. Er selbst habe aber keine Ahnung, welche Unterlagen von seinen Mitarbeitern hierzu an die IABG geschickt wurden und wie die Mitarbeit an der Studie konkret aussah.
Die Studie stellt als Alternativen für den Einbau der SIGINT-Plattform ISIS drei Maschinen vor, den Airbus A319, die israelische Drohne Heron TP und eine noch zu entwickelnde "Future European MALE"-Drohne (FEMALE). Während bei Airbus Piloten durch Abschuss der Maschinen gefährdet seien, könne die Heron TP nicht das knapp 2 Tonnen schwere ISIS tragen, dass in seine zwei Funktionskomponenten COMINT und ELINT zerlegt werden müsse.
Bis 2023 könne hingegen FEMALE auf der Basis des ehemaligen Talarion-Projektes entwickelt werden, dessen Finanzierung seinerzeit vom Bundestag abgelehnt wurde. Der Nachteil gegenüber der HALE-Drohne (High Altitude Long Endurance) Euro Hawk sei die geringe Flughöhe als MALE-System (Medium Altitude Long Endurance). Die für EADS sehr positive Einschätzung stammt von der Tochterfirma Cassidian. Im IABG-Paper heißt es: "Für diese Studie hat IABG Cassidian in Unterauftrag genommen und von Cassidian die Integration von ISIS in FEMALE untersuchen zu lassen, die zu erwartenden Flugleistungen abschätzen zu lassen und den aktuellen Stand der wichtigsten technischen Eigenschaften des FEMALE erhalten". Damit hätte sich EADS quasi selbst zum Gewinner im Euro Hawk-Debakel erklärt.
Bei seiner Aussage im Untersuchungsausschuss warb Gerwert für FEMALE. Wenn schnell gehandelt werde, könne die Drohne schon 2020 fertiggestellt werden. Gegen entsprechenden Aufpreis könne man auch die kritisierte Abhängigkeit von der NSA-Verschlüsselungstechnik ersetzen: "Wenn wir zu einer entsprechenden Verschlüsselungstechnik aufgefordert werden, werden wir eine liefern."
Dass sich bei einer MALE-Drohne das Problem der Luftverkehrszulassung noch stärker stellt als bei einem HALE-System, spielt in der aktuellen Debatte offenbar noch keine Rolle: MALE-Systeme bewegen sich in der Höhe der Verkehrsflugzeuge, während HALE-Drohnen über ihnen kreisen würden.
Die ungeschminkte Wahrheit zum ganzen Debakel hat ein anonymer Kommentator vom Drohnenstandort Manching im Kommentarbereich von Netzpolitik.org geschrieben: "Es gibt keinen Zulassungsprozess für derart große Drohnen. Ohne Anforderungskatalog und Prozessdefinition keine Zulassung. Mit einem entsprechenden Anforderungskatalog wäre auch bezifferbar, mit welchem Aufwand man den Euro Hawk modifizieren und dokumentieren müsste, damit der zugelassen werden könnte. Das war die Hausaufgabe des Verteidigungsministeriums in den letzten Jahren und sie haben das Problem bis heute noch nicht wirklich angepackt." (mho)