Europäischer Polizeikongress: Die Innenminister, der ADAC und das KFZ-Kennzeichenscanning

Die Innenminister der deutschen Länder zeigten sich entrüstet über ein Gutachten des ADAC, nach dem ein Verfassungsrechtler die automatische KFZ-Kennzeichenerfassung durch die Polizei für grundgesetzwidrig hält.

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Von
  • Detlef Borchers

Die traditionelle "Elefantenkonferenz" der deutschen Innenminister auf dem europäischen Polizeikongress beschäftigte sich hauptsächlich mit der Altersstruktur der deutschen Polizei. IT-Themen wie die Online-Durchsuchung und die Fußfessel wurden nur am Rande erwähnt. Genüsslich fielen aber die Innenminister Buttolo (Sachsen, CDU), Herrmann (Bayern, CSU), Körting (Berlin, SPD), Nagel (Hamburg, parteilos), Schünemann (Niedersachsen, CDU) und Wolf (Nordrhein-Westfalen, FDP) gemeinsam über den ADAC her. Dieser hatte tags zuvor ein in Auftrag gegebenes Gutachten veröffentlicht, das die automatische Kennzeichenerfassung für grundgesetzwidrig hält.

Die Entrüstung der deutschen Innenminister aller Couleur kannte auf dem europäischen Polizeikongress keine Grenzen. Der Hamburger Udo Nagel rätselte, was denn da den ADAC reiten würde. Zu den automatischen Lesegeräten für KFZ-Kennzeichen erklärte er: "Tatsache ist: Wir speichern keine Daten, denn das ist nur ein technischer Datenabgleich. Wenn kein Treffer da ist, wird das KFZ-Kennzeichen gelöscht." Noch dramatischer gab sich der Niedersachse Uwe Schünemann: "Wer hier von Datensammelwut redet, handelt infam. Wenn wir noch nicht einmal das dürfen, dann wird es mit dem Technikeinsatz bei der Polizei ganz, ganz schwierig." Berlins Erhart Körting behauptete, dass eine verfassungsrechtliche Wertung das Thema verfehle: "Der Einsatz [von KFZ-Kennzeichenscannern] ist minimal invasiv." Und der Bayer Joachim Herrmann sprach dem ADAC ab, wirklich für Millionen deutsche Autofahrer zu sprechen und erklärte: "Der ADAC sitzt auf dem völlig falschen Dampfer." Keiner der Diskutanten ging im Detail auf das Gutachten des Kasseler Juristen Alexander Rossnagel ein, der die unklaren Landesgesetze bemängelt hatte, die stellenweise das Speichern von "Nicht-Treffer-Daten" zur "Nutzung für allgemeine Polizeiaufgaben" erlauben.

Der Unterschied in den jeweiligen politischen Positionen trat erst dann zutage, als die beabsichtigte europäische Fluggastdatenspeicherung diskutiert wurde, die Justizministerin Brigitte Zypries tags zuvor kritisiert hatte. Der nordrhein-westfälische Liberale Ingo Wolf bekannte, ein "gewisses Unwohlsein" zu spüren, wenn 13 Jahre lang gespeichert wird, was er auf einem Flug gegessen hat. Den Vorstoß seiner Parteigenossin unterstützte Erhart Körting nachdrücklich: "Der Vorschlag von [EU-Kommissar] Frattini ist überflüssig. Was da passieren soll, kann man schon Datensammelwut nennen."

In der anschließenden Pressekonferenz der deutschen Landes-Innenminister spielte der ADAC indes keine Rolle mehr. Stattdessen stand ein mögliches Verbotsverfahren der NPD im Mittelpunkt der Diskussion. Auf die naheliegende Frage zum europäischen Polizeikongress, wie denn eine gesamteuropäische Online-Durchsuchung aussehen mag, wenn etwa Laptops Landesgrenzen in der EU überschreiten, reagierte einzig der Niedersachse Uwe Schünemann. "Die Ablage [belastender Daten] erfolgt im World Wide Web. Das ist doch die Begründung dafür, dass wir eine Online-Durchsuchung dringend brauchen. Wo sich der Laptop befindet, ist unerheblich."

Siehe zum 11. europäischen Polizeikongress auch:

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

(Detlef Borchers) / (jk)