Europäischer Polizeikongress: Mehr Technik an den Grenzen

Wie eng IT und Sicherheitsthemen verflochten sind, verdeutlichte einmal mehr der Europäische Polizeikongress in Berlin. Höhepunkt war auch in diesem Jahr die Runde der Innenminister.

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Von
  • Detlef Borchers

Höhepunkt des 13. Europäischen Polizeikongresses war auch in diesem Jahr die Runde der Innenminister. Angeführt von Christoph Ahlhaus (Innensenator Hamburg, CDU), dem derzeitigen Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, beschäftigten sich Volker Bouffier (Hessen, CDU), Holger Hövelmann (Sachsen-Anhalt, SPD), Uwe Schünemann (Niedersachsen, CDU) und Ingo Wolf (Nordrhein-Westfalen, FDP) mit der zunehmenden Gewalt gegen Polizisten. Darüber hinaus ging es um die Frage, wie weit die Polizistenausbildung in Afghanistan gehen kann. In verschiedenen Arbeitsgruppen kamen indes viele IT-Themen zur Sprache.

Einig war sich die Ministerrunde in der Verurteilung von Angriffen auf Polizeibeamte, doch in der Frage nach den Ursachen gehen die Meinungen auseinander. In munterer Folge wurden der zunehmende Alkoholkonsum, Integrationsprobleme von Migranten sowie falsche Toleranz gegenüber Linksautonomen genannt und ebenso unterschiedliche Lösungvorschläge gemacht. Nur die Videoüberwachung fehlte. Sie wurde vom hessischen Innenminister Bouffier sogar als untaugliches Mittel bezeichnet. Anstelle von Videokameras in Bussen und Bahnen forderte er eine Verpflichtung aller Verkehrsunternehmen, jedes Fahrzeug mit privaten Sicherheitskräften auf die Fahrt zu schicken.

Die Sicherheit auf Flughäfen und die Ausbildung des zuständigen Personals war ein weiteres Thema des Kongresses. 15.000 private Sicherheitskräfte arbeiten an deutschen Flughäfen zu einem Stundenlohn von 11,30 Euro. Sie sichten das Gepäck und untersuchen die Passagiere. Nicht die Frage Nacktscanner oder Körperscanner, sondern die Frage, wie diese Kräfte ausgebildet sind, beschäftigte die Arbeitsgruppe zur Flughafensicherheit. Wolfgang Wurm, Chef der Bundespolizei am Flughafen Frankfurt/Main, plädierte dafür, weg von der Debatte um einzelne Geräte zu einer ganzheitlichen Sicht der Sicherheit eines Flughafens zu kommen.

Für die Zukunft mit der Verdoppelung des Passagieraufkommens bis 2020 wünschte er sich lange Eingangsportale, die mit einer Vielzahl von empfindlichen Sensoren ausgestattet sind und Passagiere sowie ihr Gepäck untersuchen können. Das ist eine Idee, die dem HAMLeT-Projekt der Fraunhofer-Institute entspricht. Große Hoffnungen setzten gleich mehrere Referenten in die automatische Passagierkontrolle, wie sie derzeit mit EasyPass erprobt wird. Besonders die Hersteller von Komponenten für diesen "Selbst-Check" wie Siemens, Bundesdruckerei und 3M betonten in ihren Referaten die Sicherheit und Leistungsfähigkeit des Systems.

Sicher soll er sein, der neue elektronische Personalausweis, der in einer weiteren Arbeitsgruppe zur Zukunft von ID-Systemen diskutiert wurde. Der optimistischen Einschätzung des Innenministeriums zur Qualität des Ausweises setzte Lukas Grunwald von der Firma DN-Systems eine sicherheitstechnische Analyse von biometrischen Ausweisen entgegen. Allerdings bezog sich Grunwald auf den elektronischen Reisepass und seine Basic Access Control. Dass Pässe mit Chips nicht alles sind, machte Pierre Reuland von Interpol deutlich. Er schilderte einen Fall aus Frankreich, bei dem 120 Blanko-ePässe gestohlen wurden: 95 von ihnen wurden in 23 Ländern aufgespürt. Nach Angaben von Reuland enthält die Interpol-Datenbank derzeit 20 Millionen Einträge von gestohlenen oder verlorenen Reisepässen.

Insgesamt wird sich der europäische Polizeikongress in Zukunft weiterhin stark mit IT-Themen beschäftigen. Das machten etliche Referate zur Leitstandtechnik bei "Großlagen" deutlich. Weil auch die Polizei sparen muss, sollen überdies viele Trainingseinheiten in Zukunft virtualisiert werden, wie dies heute schon bei der Pilotenausbildung der Fall ist. Uwe Seidel von der baden-württembergischen Polizei stellte das Training für einen helikoptergeführten Polizeieinsatz vor, das in einer Musterstadt am Computer absolviert wird. Teure Pflichtübungen dieser Art, zu denen sonst ein Hubschrauber abkommandiert werden muss, werde es in Zukunft nicht mehr geben. Wie Seidel versicherte, könne nahezu jeder denkbare Polizeieinsatz in der Musterstadt bei unterschiedlichsten Wetter- und Sichtbedingungen simuliert werden. (vbr)