Europäischer Polizeikongress: Schengen ist keine Insel

In Berlin hat am heutigen Dienstag der 12. Europäische Polizeikongress begonnen. Auf der Tagesordnung steht unter anderem eine bessere IT-Vernetzung der Polizeien.

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Von
  • Detlef Borchers

Auf dem 12. Europäischen Polizeikongress in Berlin steht die bessere IT-Vernetzung der Polizeien auf der Tagesordnung. Während Jaques Barrot, Vizepräsident der EU-Kommission, ein erweitertes Mandat für die Europol-Fahnder forderte, beschwerte sich Peter Altmaier (CDU), parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium, über den Zustand des Programmier-Projektes Schengen Informationssystem II (SIS II). Seine Aussage, dass man wegen technischer Probleme notfalls mit einer abgespeckten Version starten werde, wurde vom SIS II-Hersteller Steria Mummert prompt dementiert: Das System laufe fehlerfrei und warte auf die Endabnahme.

Nachdem am Vorabend bei einer Protestkundgebung gegen den Polizeikongress nach Angaben der Behörden zwei Beamte leicht verletzt worden waren, eröffnete der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) den Kongress mit einem Bekenntnis zu friedlichen Demonstrationen. 2000 bis 3000 Demonstrationen würden jährlich in Berlin stattfinden und seien Ausdruck einer lebendigen Demokratie – vorausgesetzt, dass sie gewaltfrei bleiben. Den Rest seines Referates verwandte Körting darauf, den zirka 1800 Teilnehmern aus 70 Ländern die Jugendgewalt in Berlin zu erklären. In der Stadt gebe es 500 jugendliche "Intensivtäter", die für 20 Prozent aller Gewaltdelikte wie Happy Slapping verantwortlich seien. Als probates Mittel, "Schwellentäter"(Jugendliche mit 5 Straftaten) daran zu hindern, Intensivtäter zu werden, empfahl Körting den Sport als Integrationsmittel.

Eine gänzlich anderes Anliegen hatte EU-Kommissar Jacques Barrot. Er erklärte eine Entscheidung des Europäischen Rates für dringlich, mit der Europol-Fahnder erweiterte Befugnisse für alle Formen länderübergreifender Kriminalität bekommen. Europol-Fahnder müssten mit mobilen Büros am Ort des Verbrechens arbeiten können und enger mit nationalen Polizeien verzahnt sein. Zur besseren Vernetzung werde die EU-Kommission 2009 ein Förderprogramm mit einem Volumen von 70 Millionen Euro auflegen. Außerdem werde sie die gesetzlichen Arbeiten vorantreiben, damit alle Polizeien Europas schnellstens Zugriff auf EURODAC bekommen, der Fingerabdruck-Datenbank der Asylbewerber.

Während Barrot EU-Anstrengungen wie OCTA (Organized Crime Threat Assesment) und ECIM (European Criminal Intelligence Model) lobte, äußerte Staatssekretär Altmaier Kritik am europäischen Informationsnetz. Altmaier, der Innenminister Schäuble vertrat, nannte das Schengener Informationssystem I (SIS I) ein hervorragendes Instrument und bedauerte, dass SIS II nicht einsatzbereit sei. In der anschließenden Pressekonferenz meinte Altmeier, dass SIS II kein politisches, sondern ein rein technisches Problem sei, weil die Software nicht funktionieren würde. "Wenn die Implementierung in Frage gestellt ist, müssen wir überlegen, wie neue Features ins alte System eingebaut werden können." Als dringliche Features nannte Altmeier den Zugriff auf Fingerabdrücke und Lichtbilder sowie das "Einpflegen von polizeifremden Daten" wie etwa Bewegungsdaten der LKW-Mautsysteme in Europa. Bezogen auf die deutsche Polizei forderte Altmaier eine grundlegende Reform der Ausbildung der Sicherheitsbehörden, die im europäischen Maßstab dringend verbesserte Sprachkenntnisse brauche.

Altmaiers Kritik am unfertigen Stand von SIS II wurde vom Hersteller Steria Mummert dementiert, der einen Stand auf der den Kongress begleitenden Fachmesse hat. Steria Mummert ist zusammen mit Hewlett Packard als Hardware-Lieferant der Hauptauftragnehmer der zentralen SIS II-Datenhaltung, die von der EU ausgeschrieben wurde. Gleichzeitig ist die deutsche Steria Mummert Auftragnehmer des BKA bei der Programmierung von SIB, der Steria Interconnection Box, mit der die deutschen Informationssysteme an SIS II angeschlossen sind. Stefan Weber von Steria Mummert erklärte gegenüber heise online die Kritik unberechtigt. Alle Fehler, die bei SIS II im vergangenen Jahr aufgetreten sind, seien beseitigt, jetzt warte man auf die Endabnahme der EU. Das deutsche BKA wiederum sei mit SIB zufrieden. "Was wir sehen, ist ein politisches Problem, kein technisches", spielte Weber den Ball zurück. (Detlef Borchers) / (pmz)