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Europäisches Parlament: Es gibt das globale Lauschsystem Echelon

Florian Rötzer

Die Staatsanwaltschaft München glaubt, dass Echelon von der Bundesregierung völkerrechtlich genehmigt worden ist.

In dem vorläufigen Bericht [1] des nichtständigen Ausschusses des Europäischen Parlaments wird bestätigt, dass es das globale Lauschsystem Echelon gibt, das von den Geheimdiensten der USA, Kanadas, Großbritanniens, Australiens und Neuseelands betrieben wird, aber wahrscheinlich nicht mehr unter diesem Namen läuft. Gesagt wird allerdings auch, dass dessen Kapazitäten überschätzt wurden, vor allem was das Abhören der Internetkommunikation angeht, und dass man keinen Beweis für Wirtschaftsspionage gefunden habe. Duncan Campbell, dessen Berichte die Diskussion über Echelon ausgelöst haben, weist allerdings in den jetzt exklusiv von Telepolis veröffentlichten Dokumenten [2] darauf hin, dass es dafür unübersehbare Hinweise gibt.

Nach dem vorläufigen Abschlussbericht des nichtständigen Ausschusses werden Deutschland – weil sich hier in Bad Aibling eine NSA-Station befindet – und England dazu aufgerufen, geheimdienstliche Aktivitäten der USA auf ihrem Gebiet von der Einhaltung des Europäischen Abkommens zum Schutz der Menschenrechte abhängig zu machen und dies auch zu überprüfen. Empfohlen wird den EU-Bürgern, vertrauliche E-Mails auf jeden Fall zu verschlüsseln. Wie weit die Bundesregierung weiß, was in Bad Aibling geschieht, ist bislang trotz einer Anfrage im letzten Jahr weitgehend unbekannt geblieben. Es habe zwar ein solches Lauschsystem nach dem Krieg gegeben, aber man habe, so die Auskunft [3] der Bundesregierung damals, über den aktuellen Stand der Dinge "keine genauen Erkenntnisse". Die Bundesregierung wisse auch nicht, ob die Privatsphäre von Bürgern oder die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft dadurch gefährdet sei. Die NSA-Station in Bad Aibling erfasse nur militärische Hochfrequenz- und Satellitenverkehre, nicht aber die private Telekommunikation. Deren Arbeit geschehe im Rahmen der NATO, ein "missbräuchliches Vorgehen" gegen Deutschland sei ausgeschlossen, weil "unzulässig".

Letztes Jahr [4] hatte Ilka Schröder, grüne Abgeordnete des Europäischen Parlaments und Mitglied des nichtständigen Ausschusses für Echelon, Strafanzeige beim Generalbundesanwalt, bei der Staatsanwaltschaft Traunstein und der Staatsanwaltschaft Berlin gegen unbekannte Tatverdächtige und die deutsche Bundesregierung wegen Betrieb und Tolerierung des Spionagesystems Echelon gestellt. Die Stadtratsfraktion der grünen Liste in Erlangen hatte dann zur Unterstützung am 12. 3. 2001 dieselbe Strafanzeige noch einmal gestellt.

Die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe und die Staatsanwaltschaft Berlin antworteten der grünen Liste, dass sie das Ermittlungsverfahren wegen mangelnder Belege eingestellt haben. Die Staatsanwaltschaft München II lehnte in ihrem Schreiben vom 15. 5. aus denselben Gründen ein Ermittlungsverfahren ab: "Bloße Vermutungen rechtfertigen es nicht, jemanden eine Tat zur Last zu legen." Die Strafanzeige enthalte nur "allgemeine Behauptungen", sage aber nicht, welche Firma beispielsweise mit Echelon abgehört und welches Patent dabei an Konkurrenten verraten worden sei. Interessant aber ist die Einschätzung der Rechtmäßigkeit von Echelon: "Ferner ist davon auszugehen, dass die Tätigkeiten von Echelon von der Bundesregierung völkerrechtlich gestattet worden ist, so dass auch von diesem Aspekt aus ein rechtswidriges Handeln nicht erkennbar ist."

Mehr in Telepolis: Gerichte weisen Echelon-Strafanzeige gegen die Bundesregierung wegen fehlender Beweise ab [5] (fr [6])


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[4] http://www.heise.de/tp/deutsch/special/ech/6998/1.html
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