Europaparlament: Lob und Kritik für Vorschläge zur Datenschutzreform
Nachdem beide Berichterstatter des Europaparlaments ihre Änderungsvorschläge für die Entwürfe der Datenschutzreform vorgelegt haben, fallen die Reaktionen darauf sehr gemischt aus.
Die Reaktionen auf die Stellungnahmen beiden Berichterstatter des Europaparlaments zur geplanten EU-Datenschutzrichtlinie sind gemischt. Jan Albrecht (Grüne/EFA-Fraktion) und Dimitris Droutsas (Pasok/Sozialdemokratische Fraktion) hatten ihre Änderungsvorschläge zu den Kommissionsentwürfen einer Datenschutzverordnung und einer Richtlinie für die Datenverarbeitung durch Justiz und Strafverfolgungsbehörden am Dienstag veröffentlicht. Am heutigen Donnerstag fand die erste kurze Aussprache im Justizausschuss des Europaparlaments zu den im EU-Sprech "Berichten" genannten Änderungspaketen. Insbesondere der Albrecht-Bericht zur Verordnung, die den Datenschutz vor allem zwischen den privaten Akteuren regeln soll, steht im Mittelpunkt der Debatte.
So begrüßte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar die Vorschläge Albrechts. "Die vorgeschlagenen Änderungen würden den Entwurf der Europäischen Kommission zur Reform des europäischen Datenschutzrechts noch deutlich verbessern“, erklärte Schaar per Pressemitteilung. "So sollen die Zusammenführung personenbezogener Daten aus unterschiedlichen Quellen weiter eingeschränkt und die Rechte der Betroffenen gestärkt werden. Positiv sehe ich es auch, dass die unabhängige Stellung der Datenschutzbehörden und ihre Möglichkeiten zum koordinierten Vorgehen gegen Datenschutzverletzungen verbessert werden sollen." Schaar hofft auf Zustimmung des Europaparlaments zu den Vorschlägen des Berichterstatters. Der oberste deutsche Datenschützer stellte auch klare Forderungen an seinen formalen Dienstherrn Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich: "Von der Bundesregierung erwarte ich, dass sie im Rat die dringend notwendigen Verbesserungen des europäischen Datenschutzrechts aktiv voranbringt."
Auf deutlich weniger Zustimmung stießen Albrechts Vorschläge bei Wirtschaftsverbänden. Dieter Kempf, der Vorsitzende des IT-Wirtschaftsverbandes Bitkom, kritisierte die Änderungsvorschläge als teilweise rückständig: "Der Bericht des EU-Parlaments berücksichtigt noch zu wenig die Anforderungen der modernen Unternehmenspraxis und die Entwicklung innovativer Dienste." Deutlich besser hingegen fiel sein Urteil zu den Vorschlägen beim sogenannten "Recht auf Vergessen" aus, das nun eher einer konsequenten Fortführung des bereits heute geltenden Recht auf Löschung entspreche: "Die Regelungsvorschläge zum Löschen von Nutzerdaten sind praxistauglicher gestaltet worden", sagte Kempf.
Lautstarke Kritik äußerte der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW), in dem viele Unternehmen Mitglied sind, die auf werbebasierten Geschäftsmodellen aufbauen. So würden "sinnvolle Risikodifferenzierungen" nivelliert, die das deutsche Datenschutzecht schon heute vorsehe, prangerte Matthias Ehrlich, Vizepräsident des BVDW. Stattdessen würden massive Hürden für entgeltfreie, werbefinanzierte Diensten errichtet, und ihnen damit faktisch die wirtschaftliche Grundlage entzogen.
Widerspruch ganz anderer Art kommt vom Bundesverband der Verbraucherzentralen: "Die Nachbesserungen des Berichterstatters sind wichtig, gehen aber nicht weit genug", beklagte Gerd Billen, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands. Eine Modernisierung des Datenschutzrechts in Europa sei wichtig, um Verbraucher besser zu schützen und Unternehmen in Europa zu stärken. Die Verbraucherschützer fordern unter anderem, dass auch elektronische Zahlungssysteme anonym genutzt werden können sollen.
In einer Aussprache im Justizausschuss des Europaparlaments wurden am Donnerstagvormittag die beiden Pakete mit Änderungsvorschlägen noch einmal kurz vorgestellt und in einer ersten Aussprache diskutiert. Dabei wurde deutlich, dass die Parlamentarier zwar untereinander noch einige Differenzen haben. Doch an der Notwendigkeit von Verordnung und Richtlinie zweifelten nur Abgeordnete, die grundsätzlich Schwierigkeiten mit einem Kompetenztransfer auf EU-Ebene haben. Beide Vorhaben sollten zusammen kommen, betonten Abgeordnete aus den großen Fraktionen.
"Die Verordnung wird die Regel, die Richtlinie die Ausnahme", so der Richtlinien-Zuständige Dimitris Droutsas. Auch alle öffentlichen Stellen würden künftig grundsätzlich an die Bestimmungen der Verordnung gebunden sein, wenn diese kommt. Die niederländische Liberale von Democratie66 Sophie in’t Veld, Schattenberichterstatterin für die Richtlinie für Justiz und Strafverfolgungsbehörden betonte, dass aber auch die Richtlinie enorm wichtig sei. Anders als oft behauptet würde, sei "bei der Strafverfolgung nicht der Datenschutz, sondern ein Mangel an Datenschutz das Problem". Strafverfolgung sei schon häufig daran gescheitert, dass es eben keine ausreichenden gemeinsamen Rechtsgrundlagen für einen Datenaustausch gegeben habe und dieser dadurch nicht möglich. Bei der Richtlinie wird erwartet, dass die seit Jahresanfang zuständige irische Ratspräsidentschaft ein dickes Brett zu bohren hat: Einige Mitgliedstaaten wollen sich nicht zu genaue Vorschriften bei der Datenverarbeitung für Polizei, Strafverfolgungsbehörden und Justiz machen lassen.
Leichte Seitenhiebe auf den Europäischen Rat, in dem vor allem die Innenministerien der Mitgliedstaaten für den Datenschutz als Zuständige vertreten sind, waren in der Debatte unüberhörbar. Dimitris Droutsas betonte, dass er hoffe, dass "auch der Rat seine Verpflichtungen erfüllen werde", was die Arbeit an den Dossiers angehe.
Dass die Materie sehr komplex sei, betonte Alexander Alvaro, FDP-Abgeordneter und Mitglied der ALDE-Fraktion im Europaparlament. Er forderte mehr Zeit für Debatte, derzeit sollen alle Änderungsvorschläge an den beiden Berichten Ende Februar eingereicht werden. Alvaro begrüßte zwar den vorgestellten Bericht, aber Datenschutz dürfe bei der Reform "nicht überfrachtet werden, damit er nicht unanwendbar wird. Einige gut gemeinte Änderungen sind meines Erachtens Aufweichungen und Türöffner für nicht intendierte Möglichkeiten der Datenverwendung, die sich dem Verbraucher auch nicht ganz erschließt." Grundsätzlich wolle er sich dafür einsetzen, dass die Gesetzgebung nicht zu spezifisch werde. "Diese Verordnung muss das ‚was‘, nicht das ‚wie‘ regeln. Das ist für mich entscheidend", so Alvaro.
Der CDU-/EVP-Abgeordnete Axel Voss hob hervor, der Bürger wolle im Internetzeitalter zweierlei: den Schutz seiner Daten und zugleich auch Angebote nutzen, die kostenlos oder kostenfrei sind. "Ein zu extremer Datenschutz kann daher auch dazu führen, dass es für den Bürger auch zu Nachteilen kommt", sagte Voss. Zugleich lobte er den Albrecht-Bericht: "Der Vorschlag für das Right to be forgotten wurde realistisch begrenzt. Ich finde es auch richtig, dass Datenportabilität zu den Informationsrechten zugeschlagen wurde." Verbesserungsfähig wäre jedoch die Definition der personenbezogenen Daten. Es sei gut, "dass wir die pseudonymisierten Daten einführen." Sie sollten aber auch auch als "Incentive für die Industrie" genutzt werden. In zwei Wochen diskutiert der Justizausschuss das nächste Mal über die beiden Datenschutzreformvorhaben. (axk)