Europas Mars-Offensive: ESA und Roskosmos beginnen ExoMars-Projekt
Wie kaum ein anderer Himmelskörper regt der Mars die Fantasie der Menschen an. Erstmals wollen die Raumfahrtbehörden ESA und Roskosmos nun gemeinsam nach Spuren von Leben auf dem Roten Planeten suchen – in politisch schwieriger Zeit.
Selten hat ein simpler Raketenstart vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur solch eine Strahlkraft wie der für kommenden Montag geplante. Voller Spannung erwarten Europas Raumfahrtagentur ESA und ihr russischer Partner Roskosmos am 14. März den Countdown für ihre erste gemeinsame Mission zum Mars. Das Milliarden teure Projekt ExoMars soll in zwei Etappen Spuren von aktuellem oder vergangenem Leben auf dem Roten Planeten suchen.
Die Suche nach Leben geht weiter
"Wenn es jemals eine Mission gegeben hat, die eine echte Chance hatte, Hinweise auf Leben auf dem Mars zu finden, dann ist das ExoMars", sagt Jorge Vago von der ESA der dpa. Der 53-jährige Wissenschaftler aus Argentinien treibt das als ambitioniert geltende Projekt, an dem sich Roskosmos maßgeblich beteiligt, seit den ersten Überlegungen der ESA 2002 mit voran.
Das gemeinsame Vorhaben kommt in einer politisch brisanten Zeit. Die Ukraine-Krise und Russlands Intervention im Syrien-Konflikt stellen die Beziehungen zwischen Moskau und dem Westen auf die größte Belastungsprobe seit dem Ende des Kalten Krieges.
ExoMars-Mission (9 Bilder)
(Bild: ESA–Stephane Corvaja)
Raumfahrt als Verständigungsprojekt
"Gerade in Zeiten irdischer Krisen ist die Raumfahrt als Brückenbauer aktiv", hatte ESA-Direktor Jan Wörner kürzlich gesagt. Roskosmos-Vize Sergej Saweljew lobt ExoMars als einzigartiges Beispiel für die gute Zusammenarbeit zwischen Ost und West in der Weltraumforschung. Russland war erst 2013 in das Projekt eingestiegen, nachdem die US-Weltraumagentur NASA 2011 wegen Finanzproblemen einen Rückzieher gemacht hatte. Dennoch steuert die NASA einzelne Instrumente bei. Zwar steht inzwischen auch Roskosmos wegen der schweren Wirtschaftskrise in Russland finanziell unter Druck, doch bleibt die Marsforschung zunächst vom Rotstift verschont.
Vollgepackt mit Hightech soll die erste von zwei Proton-M-Raketen nun zum Nachbarplaneten starten. Nach dem siebenmonatigen Flug soll die Sonde TGO (Trace Gas Orbiter) bis mindestens 2022 als Wissenschaftssatellit um den Mars kreisen und unter anderem die Atmosphäre auf Spuren von Methan untersuchen, das der ESA-Satellit Mars Express 2004 entdeckt hatte. "Ich erwarte, dass wir Methan nachweisen und besser verstehen, wie es entsteht", erklärt Vago.
Das Testmodul "Schiaparelli", benannt nach dem italienischen Astronom Giovanni Schiaparelli (1835-1910), soll nach der Abkopplung vom TGO – planmäßig am 19. Oktober 2016 – am Fallschirm zur Marsoberfläche hinabsegeln. "Es ist das erste Mal, dass wir auf dem Mars landen", sagt Vago. "Schiaparelli" solle wertvolle Erfahrungswerte sammeln für die zweite Etappe von ExoMars: ein technikbeladenes Landemodul mit einem Rover. Dessen Start vom Kosmodrom Baikonur ist für 2018 geplant.
Unter die Oberfläche
Frühere Marsmissionen haben bereits Hinweise auf Wasser gefunden, zuletzt der NASA-Rover Curiosity. Mehr als 40 Raumschiffe sind in rund 50 Jahren Forschung zum Roten Planeten geflogen. Zwar scheiterten viele Projekte, aber die USA konnten mehrere Rover landen. Wozu braucht es eine neue Marsmission? Der Rover sei das Herzstück des Großprojekts, erklärt Vago. "Wir müssen nicht nur auf der Oberfläche nach Leben suchen, sondern dafür sehr tief gehen". Der Rover kann bis zu zwei Meter tief bohren. Curiosity kommt gerade mal wenige Zentimeter tief. "Vielleicht haben wir total Glück und finden so tolle organische Proben, dass wir beweisen können, dass es Leben gab", meint Vago. "Aber das halte ich für nicht sehr wahrscheinlich."
Damit Rover und Sonde wie erhofft ihre Arbeit aufnehmen können, muss zunächst in Baikonur alles glattgehen. Proton-Raketen, die das teure Gerät ins All tragen, gelten als anfällig. Auf dem Spiel steht viel: Mehr als 1,3 Milliarden Euro hat allein die ESA in ExoMars investiert. Experten vermuten eine weitere Milliarde von Roskosmos.
Risiko Raketenstart
In einer Halle in den Weiten der kasachischen Steppe setzen Spezialisten mit weißen Kitteln und Schutzhelmen mit Hilfe haushoher Kräne das Raumschiff zusammen. Drei massige russische Antonow-124-Transporter hatten die Einzelteile aus Turin, wo der Hauptpartner Thales Alenia Space Italy sitzt, nach Baikonur geflogen – sicher verpackt in Container.
Einer der gefährlichsten Teile der Mission steht nun bevor. Beim Start könnte die Proton-Rakete durch einen Defekt explodieren. Doch auch die Landung auf dem Mars gilt als heikel. "Auch wenn wir alles gut vorbereitet haben, wir werden auf unseren Stuhlkanten sitzen, bis wir wissen, dass "Schiaparelli" auf dem Mars gelandet ist", sagt Vago. (mho)