Europas größter Klimarechner geht offiziell in Betrieb

Das Deutsche Klimarechenzentrum in Hamburg nimmt heute sein "Höchstleistungsrechnersystem für die Erdsystemforschung" offiziell in Betrieb.

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Von
  • Wolfgang Stieler

Das Deutsche Klimarechenzentrum in Hamburg nimmt heute sein "Höchstleistungsrechnersystem für die Erdsystemforschung" (HLRE) offiziell in Betrieb. Europas größter Klimarechner soll -- in seiner endgültigen Ausbaustufe mit einer theoretischen Spitzenleistung von 1,5 Teraflops -- die Genauigkeit von Klimamodellen entscheidend verbessern.

Herzstück des Ende 2001 georderten Systems ist ein Verbund aus SX-6-Vektorrechnern von NEC. In jedem dieser Computer arbeiten acht SX-6-Prozessoren mit einer Rechenkapazität von jeweils acht Gigaflops. Im April 2003 soll der Verbund mit insgesamt 192 Prozessoren vollständig ausgebaut sein, die es dann gemeinsam auf die theoretische Rechenleistung von 1,5 Teraflop/s bringen würden. In der Praxis, also bei der Abarbeitung ihrer Klimamodelle, rechnen die Wissenschaftler damit, eine Rechenleistung von ungefähr 500 Gigaflops zu erreichen. Damit ist der neue Rechner rund hundertmal schneller als die alte Cray C90. Der Klimarechner wird am Ende seines Ausbaus Mitte 2003 ein Datenarchiv von fünf Petabyte bieten. Knapp 35 Millionen Euro investiert das Bundesforschungsministerium in das gesamte Projekt.

Mit dem neuen Superrechner wollen die Forscher das Klimageschehen noch realistischer und genauer darstellen. "Wir müssen weg von reinen Klimamodellen und uns auf Erdsystemmodelle konzentrieren, die alle Einflüsse auf das Klima mit einbeziehen", erklärte Mojib Latif vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie gegenüber dpa. "Chemische Prozesse und biologische müssen ebenso einbezogen werden wie der Einfluss der Menschen." "Das ist schon ein Fortschritt, aber das Modell, das wir wirklich rechnen möchten, das können wir immer noch nicht." Zum Vergleich nannte er die Klimaforschung in Japan, wo Rechner mit einer Auflösung von zehn Kilometern arbeiteten.

Um das Verhalten des Klimas in allen Einzelheiten vorhersagen zu können, müssen die Forscher eine Vielzahl miteinander gekoppelter Prozesse und Regelkreisläufe berücksichtigen. Detaillierteste globale Modelle rechnen derzeit mit einer Gitter-Auflösung von einigen hundert Kilometern. Alles, was sich innerhalb einer solchen Zelle abspielt -- wie zum Beispiel auch die Wolkenbildung -- wird "parametrisiert". Bei einer räumlichen Auflösung von circa 500 km als kleinster auflösbarer horizontaler Längenskala benötigte die Cray C90 24 Stunden pro Modelljahr.

Ein echter Durchbruch bei der Klimaprognose wäre zu erwarten, wenn es möglich würde, einige der bisher parameterisierten Prozesse vom Gitter aufzulösen. Dies fängt bei einer Auflösung von etwa einem Kilometer an. Eine solche Auflösung in globalen Klimamodellen ist bisher aber noch utopisch -- jede Verdoppelung der Auflösung multipliziere den Rechenaufwand mit 20.

Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung dämpft allzu optimistische Erwartungen in die technische Entwicklung: "Auch in fünfzig Jahren werden Klimamodelle noch ziemlich vereinfachte Abbilder der Wirklichkeit sein. Welches Limit an Computerpower wir brauchen werden, ist für mich einfach nicht absehbar". Trotzdem ist der Klimaforscher mit der Entwicklung seiner Wissenschaft sehr zufrieden: "Man sollte klar herausstellen, dass Klimamodelle nicht hauptsächlich Kristallkugeln für Zukunftsprognosen sind, sondern Werkzeuge der Wissenschaft, die dazu dienen, die wesentlichen Mechanismen des Erdsystems zu entschlüsseln. Hier sind fantastische Fortschritte gemacht worden -- wir verstehen heute Dinge wie die Eiszeiten oder die abrupten Klimawechsel innerhalb der letzten Eiszeit, die noch vor nicht allzu langer Zeit völlig rätselhaft waren." (wst)